Sechs Fäuste für ein Halleluja

Bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften punkteten drei schlagfertige Boxerinnen aus Münster
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Boxen mit Köpfchen: Mathilde Quambusch, Simone Schulte und Yvonne Adamek hatten Erfolg bei den Hochschulmeisterschaften.
Foto: pg   

"Ich wollte nie in den Ring", sagt Mathilde Quambusch und streicht sich mit ihrer Hand über das blaue Auge. Die dicke Lippe schwillt allmählich ab, noch zwei, drei Tage und die Blessuren des Kampfes sind nicht mehr zu sehen. Die 21-jährige Studentin, Studienfächer Sport und Französisch auf Lehramt, ist eine von drei Frauen des Hochschulsport-Teams, die sich durchboxen. Die blauen Flecken sind der Preis für ihren Titel als Hochschulsportmeisterin und jüngst auch als Westfalenmeisterin. Lieber Himmel, lautet eine der meistgestellten Fragen an die durchtrainierte Frau, warum muss es denn ausgerechnet dieser Männersport sein?

"Boxen ist kein Männersport", sagt Mathilde Quambusch. Was man draufhaben muss: Kraft, Schnelligkeit und gute Nerven. "Mit den guten Nerven, das ist das Schwierigste." Bei Mathilde beginnt die Liebe zum Boxen bereits in der Lernphase fürs Abitur. Damals wird sie von einem Freund überredet, einfach mal zum Training mitzukommen. "Ich fand mich unter lauter Typen wieder. Keine Frau weit und breit." Macht der jungen Boxerin aber nichts, zum Abreagieren ist das Konditionstraining, das Pauken der Schlagkombinationen und das Schattenboxen genau das Richtige. Schnell merkt Mathilde: "Bei den Männern ist mehr Kraft dahinter, Frauen boxen meist mehr mit Köpfchen." Auf wildes Draufloskloppen hat sie ganz und gar keine Lust. "Ich bin für sauberes Boxen." Heißt für die Rechtshänderin: Mit links stören, Aufwärtshaken, Seitwärtshaken, mit rechts vorbereiten und dann gezielt treffen. Aber nicht unter die Gürtellinie und schon gar nicht vor die Brust der Gegnerin: "So einen Schlag möchte man selbst auch nicht abbekommen."

Jetzt, beim Hochschulsport-Training, erreicht sie genau das, was sie sich vom Boxen verspricht. "Meine Kondition wird von Tag zu Tag besser. Trotzdem bleibt die Angst, die ich habe, bevor ich in den Ring steige. Man darf den Gegner niemals unterschätzen, ihm aber auch niemals das Gefühl geben, die Stärkere zu sein." Das ist das Ziel: Der Gegnerin selbstbewusst in die Augen schauen. "Die halbe Miete für den Kampf!", weiß Quambusch.

Diese Erfahrung machen auch Simone Schulte (25), derzeit im Praktischen Jahr am Uni-Klinikum, und Yvonne Adamek (25), die Politik, Spanisch und Englisch studiert. Beide noch nicht ganz so erfahren wie Teamkollegin Mathilde, aber mit Enthusiasmus bei der Sache und viel versprechend gestartet. Simone und Yvonne hatten ihr Debüt bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften in Marburg. "Es war ungeheuer aufregend", sagt Simone. Einen guten Kampf verbindet sie vor allem mit folgenden Attributen: Stil, Ästhetik und Eleganz. "Klar ist das erst einmal befremdlich - Frauen und boxen - aber was man draus macht, das ist doch entscheidend!" Finden auch ihre Kollegen im Klinikum, die angesichts des außergewöhnlichen Hobbys der angehenden Medizinerin erst einmal stutzen, letztlich aber interessiert nachhaken, wenn es um die Faszination geht, die das Boxen bei Simone auslöst: "Frauen, die Volleyball spielen oder joggen, kennt jeder. Boxerinnen nicht."

Mit der Einstellung "Jetzt will ich gewinnen!", steigen die drei Frauen in den Ring und bewegen sich damit weg vom Breitensport, hin zum Wettkampfsport. Worüber sich Trainer Ludger Rothues freut, denn er hat sie ermutigt, genau das zu tun. "Vor jeder, die die drei Stufen hochsteigt und von oben in die Runde blickt, ziehe ich den Hut. Diesen Schritt zu wagen, ist schon ein Sieg." Beim Training, zwei Mal die Woche zweieinhalb Stunden lang, macht er zwischen Männern und Frauen keinen Unterschied: Führhand, Schlaghand, immer abwechselnd, Kinn an die Schulter, die Ferse ist angehoben und immer schön langmachen - die Kommandos hallen durch den Raum. Mit Simone, Mathilde und Yvonne schwitzen etwa 30 Männer, die sich für den Boxsport begeistern. Alles Trainings-Partner, mit denen es die Boxerinnen jederzeit aufnehmen. "Manchmal sind die Männer erst vorsichtig, wenn sie einer Frau gegenüberstehen. Aber sobald sie merken, dass wir so gut sind wie sie, verlieren sie die Scheu und nehmen uns als Gegnerinnen ernst."

Rothues weiß genau, warum er Mathilde, Simone und Yvonne für die Meisterschaften gemeldet hat: "Die haben Biss, Willenskraft und sie können einstecken, ohne gleich ihre ganze Power zu verlieren." Das Einstecken ist eine der Grundvoraussetzungen, die man beim Boxen ebenso draufhaben muss wie das Austeilen, sagt Co-Trainer Lajos Nagy, der in Ungarn geboxt hat und seit 23 Jahren Hochschulsportler in Münster ausbildet. "Bei unseren Boxerinnen sehe ich jede Menge Potenzial. Die stecken den physischen Schmerz locker weg. Wenn sie psychisch stark bleiben, werden sie im Ring weiter gewinnen."

Christiane Bernert