Leere mit Leben füllen

Geographen untersuchen Möglichkeiten der Umnutzung im ländlichen Raum
[Bauernhof]
Perspektiven für leerstehende Bauernhöfe versuchte Stefanie Arens, wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Geographie, zu finden.
   

Im ländlichen Raum stehen durch den landwirtschaftlichen Strukturwandel immer mehr Gebäude leer. Laut Statistischem Bundesamt setzte sich dieser Trend in den vergangenen vier Jahren fort: Die Zahl der Bauernhöfe in Deutschland sank von 472000 im Jahre 1999 auf 421400 im Jahre 2003. Scheunen, in denen früher Heu lagerte und Ställe, in denen Kühe standen, werden heute nicht mehr gebraucht. Die münstersche Professorin Ulrike Grabski-Kieron beschäftigt sich in einem Forschungsprojekt mit der Frage, was mit diesen leerstehenden Gebäuden geschehen soll. Seit November 2003 arbeitet Grabski-Kieron vom Institut für Geographie ressortübergreifend in Kooperation mit der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig an Konzepten für Umnutzungen. Ausgeschrieben hat das Projekt das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft.

"Grabski-Kieron hat den Blick auf den Raum gewählt", stellt Dr. Klaus Heider vom Bundesministerium die besondere Herangehensweise der Geographieprofessorin heraus. Frühere Untersuchungen hätten sich nur mit einzelnen Höfen befasst. Grabski-Kieron untersucht stattdessen die Umnutzungsmöglichkeiten deutschlandweit. "Wir haben die Typisierung als Methode gewählt", sagt Stefanie Arens, wissenschaftliche Hilfskraft im geographischen Institut und Mitarbeiterin von Grabski-Kieron. Sie verwendet vier Kategorien, die beispielsweise Wirtschaftsdaten und rechtliche Rahmenbedingungen genauso einschließen wie Infrastruktur und die Gebäudequalität. So entstehen vier Raumtypen mit unterschiedlich großen Umnutzungsperspektiven. "Als Fallstudie haben wir zwölf Regionen innerhalb der Typen ausgewählt, die wir untersuchen." Vor Ort kartieren die Geographen die Hofstellen und interviewen Experten. Außerdem schicken sie in jedem Kreis Fragebögen an die Bauern, um deren Einschätzung der Umnutzungen zu erheben.

Der raumwissenschaftliche Ansatz beschäftige sich mit Veränderungen im Ortsbild und der Kulturlandschaft, so die münstersche Professorin. Denn der Leerstand von Gebäuden habe Auswirkungen auf das Leben im Dorf. "Wer will schon gerne neben einer Bauruine wohnen", sagt Grabski-Kieron. Ungenutzte Gebäude im Dorfkern könnten auch ganz generell zum Hindernis für eine weitere Entwicklung des Dorfes werden, sagt Heider. Stattdessen müsse ein Ort seinen eigenen Charakter bewahren. Dazu gehört, dass die Gebäude dorftypisch genutzt werden.

Gerade in touristischen Regionen spiele das eine Rolle, so Grabski-Kieron. "Die Tourismusindustrie befürchtet, dass durch den Verfall von leerstehenden Häusern die Landschaft nicht mehr so attraktiv ist und die Gäste ausbleiben", schätzt die Professorin die Situation ein.

Eine der Fremdenverkehrsregionen aus der Fallstudie ist der Kreis Wesermarsch, und auch dort gibt es leerstehende Gebäude. "Wir haben uns mit Umnutzungen schon im Rahmen der Dorferneuerung befasst, aber das Thema hat dabei nicht im Mittelpunkt gestanden", erzählt Ulrich Gloystein vom Amt für ländliche Entwicklung und Dorferneuerung in Oldenburg. Von den Untersuchungen erhofft er sich neuere Erhebungen über Leerstände. Dann wird die Behörde überlegen, wie man die Förderung optimieren kann. "Durch den Bau der Küstenautobahn und des Wesertunnels kann die Region vor einem großen Umbruch stehen." Dazu könne auch die Umnutzung ihren Teil beitragen. Stefanie Arens hat dort Daten erhoben und weiß, dass die Umnutzung vom Bauernhaus zur Ferienwohnung nahe der Nordsee beliebt ist. In anderen Fällen wurde aus einem Kuhstall ein Café oder eine Werbeagentur.

Grabski-Kieron ist aber klar, dass der Fremdenverkehr für den ländlichen Raum nicht das Allheilmittel ist. "Touristen kann man nicht in jede Region holen." In der Nähe von größeren Zentren gebe es Potenzial für Städter, die in einem früheren Bauernhaus wohnen möchten und zur Arbeit pendeln. Nur, nicht jeder Hof ließe sich nach dem Baugesetz umnutzen. Im Kreis Altenburger Land gibt es große Höfe, von denen einige hundert leer stehen. Wegen ihrer Größe sind sie von Privatleuten nur schwer zu unterhalten, sagt Ulrike Fritsche vom Amt für Landentwicklung und Flurneuordnung Gera. "Die Chancen von Umnutzungen sind im Altenburger Land schwierig", so Fritsche. Einige Höfe beherbergen heute ein Vereinshaus oder Handwerker arbeiten dort.

Grabski-Kieron sieht Umnutzungen auch als eine Möglichkeit, den Flächenverbrauch zu verringern. "Es wird aber nicht der große Wurf werden, der Flächenprobleme löst", dämpft sie allzu hochfliegende Erwartungen.

mfk