Hochburg des kultivierten Streits
"Eine Mauer verhindert immer den Dialog, egal wo sie steht", sagt Sebastian, Redner der Regierung. "Aber wenn es um Menschenleben geht, dann ist eine Mauer immer noch besser als keine", opponiert seine Kontrahentin Elisabeth. Die beiden betreiben eine neue Form von Kultur - die Streitkultur. Das Forum dafür bietet der Debattierclub der Universität Münster e.V. Thema ist dieses Mal der Mauerbau im Gaza-Streifen. In regelmäßigen Debatten trainieren die Studierenden den kultivierten Streit zweier Fraktionen. "Wir üben uns im verbalen Schlagabtausch",. beschreibt Oliver Liedtke, Vorsitzender des Debattierclubs.
In einer Debatte versuchen Regierung und Opposition jeweils das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Welche Seite die Studierenden vertreten müssen, entscheidet dabei das Los, nicht die eigene Überzeugung. Jeder kann spontan ein Thema vorschlagen, denn debattiert wird, was gefällt. In Zweierteams gilt es dann, die 15 Minuten Vorbereitung gut zu nutzen, um seinen grauen Zellen mehr als nur triviale Argumente abzuringen. Geredet wird stets sieben Minuten, immer im Wechsel zwischen der Regierung und Opposition. Doch nicht immer stehen ernste Themen auf dem Plan. Auch über Themen wie "LSD ins Trinkwasser" debattieren die Studierenden. "Bei uns geht es nicht um die richtige oder falsche Meinung, sondern um den Dialog zwischen beiden Seiten", sagt Elisabeth, 20, die seit einem Jahr dabei ist.
Spannung wird durch Sprechkraft, pfiffige Argumente und Scharfsinn erzeugt. Nicht zuletzt verliert man hier die Hemmungen, vor anderen Menschen zu sprechen. "Diese Fähigkeiten sind neben dem Spaß am Reden auch der konkrete Nutzen unseres Engagements", gibt Liedtke zu. Somit leistet der Debattierclub etwas, was in der universitären Ausbildung häufig zu kurz kommt und was spätestens im Berufsleben zur wichtigen, vielleicht entscheidenden Qualifikation wird.
Gegründet wurde der Verein im Jahr 2000 und lockt mittlerweile wöchentlich rund 25 Interessierte in den Keller des Schlosses, um sich dort im geregelten Wortgefecht zu trainieren. Die Studierenden kommen aus allen Fachbereichen, von der Physik bis zur Soziologie. Anfänger sind dabei jederzeit willkommen.
Debattiert wird aber nicht nur in Münster. Seit drei Jahren gibt es
bundesweit Turniere, die auch alljährlich in Münster stattfinden.
Dieser Artikel stammt aus einer Ausgabe der Universitätszeitung aus dem Februar 2004.
www.uni-muenster.de/debattierclub