Ein sachkundiger Unruhestifter
Stets gut informiert ist Wolf-Michael Catenhusen über die Universität Münster, der er ein kritischer Freund sein will. |
Zum ersten Mal verließ Catenhusen seine westfälische Heimat nach dem Abitur 1965. Aus seiner Geburtsstadt Höxter siedelte er zunächst um nach Göttingen, um dort Latein und Geschichte auf Magister zu studieren. Doch schon nach drei Semestern zog es ihn mit Macht zurück nach Westfalen und er schrieb sich in Münster ein. "Das hatte sehr poetische Gründe", sagt der 58-Jährige und schmunzelt. Denn seine zukünftige Frau, mit der er schon seit Schulzeiten befreundet war, studierte in Münster.
Das Studium in Münster habe er sehr genossen, sagt Catenhusen. "Man kannte sich und entwickelte schnell persönliche Beziehungen." Ihm gefiel die Überschaubarkeit seines Fachbereiches und das Leben in Münster, das er als bedächtig und gelassen wahrnahm.
Eigentlich wollte der Magisterstudent Archivar werden. "Aber", erinnert sich der Staatssekretär heute, "hinter Büchern und Akten sich verstecken, das gefiel mir eigentlich nicht." Er blieb in Münster und begann nach Abschluss des Magister-Studiums in westfälischer Landesgeschichte zu promovieren. Die Doktorarbeit brach er jedoch ab, um 1976 in den Referendariatsdienst zu gehen und schließlich 1977 in Burgsteinfurt als Lehrer zu beginnen.
Ein bisschen wie ein Studienrat sieht Catenhusen auch heute noch aus: sorgfältig gestutzter weißer Bart und eine fast randlose kleine Brille, makelloses hellblaues Hemd und dunkler Anzug. Oberlehrerhaft wirkt er trotzdem nicht. Er spricht diszipliniert, aber gleichzeitig gelassen und ruhig. Souverän und freundlich beherrscht er das Gespräch.
Die Universität Münster war für Catenhusen nicht nur Studienplatz, sondern auch politische Kinderstube. Als 1967 linke Hochschulgruppen den bis dahin konservativen AStA stürzten, war der Student mitten drin. Seitdem saß Catenhusen für den Sozialdemokratischen Hochschulbund im Studentenparlament. Und fand sich "in einer völlig umgekrempelten hochschulpolitischen Landschaft" plötzlich als "rechte Speerspitze eines linken AStA" wieder. Es folgte die Kultur der "Teach-ins" im großen Hörsaal H1. Notstandgesetze und Vietnamkrieg wurden heiß diskutiert. "Es war ein schöner Tummelplatz", sagt Catenhusen. Die Studentenpolitik sei vergleichsweise wenig radikal und wenig ideologisiert gewesen. So sieht er auch seine eigene politische Arbeit: "Ich habe schon meinen Marx und auch meinen Lenin gelesen. Das hinderte mich aber nie, die Frage zu stellen, was man eigentlich will, und nicht nur, wofür man steht." Seine pragmatische Einstellung und die Konzentration auf das Machbare waren die Grundlage für seine steile Karriere in der "großen" Politik, nachdem er 1968 in die SPD eingetreten war. Bereits 1975 war der Student mit 29 Jahren Vorsitzender der SPD Münster. Und als 1980 der Wahlkreis Münster frei wurde, hängte er das Lehrerdasein an den Nagel und zog über einen guten Platz auf der SPD-Landesliste sofort in den Bundestag ein.
Catenhusen lächelt und reibt sich die Hände. Wenn er über seine Erfolge in der Politik redet, scheint es, als sei ihm das alles einfach so passiert. Sein Rezept: Engagement und zielgerichtetes Handeln. Beharrlich hat er immer mit hohem Anspruch gearbeitet. Auch an sich selbst. Catenhusen ist ein Pragmatiker, ein Macher.
Direkt 1980 trat er dem Ausschuss für "Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung" bei. Wichtig sei für ihn immer gewesen, sich über die Hintergründe zu Wissenschafts- und Technologiethemen gründlich zu informieren. Das sei zu dieser Zeit ungewöhnlich gewesen. Aber Catenhusen ahnte schon damals die Bedeutung der Forschungspolitik: "Ich wollte immer schaffen, dass im Bereich Wissenschaft eine bessere Kommunikation mit der Politik stattfindet. Politik ist auf Beratung durch Wissenschaft angewiesen, politische Entscheidungen werden stark beeinflusst von technischen Entwicklungen. Das ist heute Allgemeingut, aber das war es vor 20 Jahren nicht." Seine gründliche und sachkundige Arbeit brachte ihn schließlich als Staatssekretär ins BMBF. Die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Politik übernimmt er gerne persönlich. Vor allem, wenn es um die Universität Münster geht.
Dass er dabei kein Blatt vor den Mund nimmt, wurde vor zehn Jahren deutlich, als die Universität den Politiker zu einem Vortrag eingeladen hatte. Besonders in der Forschung hatte Catenhusen Defizite bemängelt. Inzwischen freut er sich, dass seine Kritik Früchte getragen habe: "Münster hat sich auf jeden Fall deutlich auf den Weg gemacht." In vielen Bereichen betreibe die Universität inzwischen eine gute Berufungspolitik und verstärke damit das wissenschaftliche Potenzial. So sei die klinische Forschung seit längerem "ein Exzellenzzeichen" der Universität. Eine zentrale Frage bleibt aber für den Politiker: "Wo will die Universität Münster hin? Will sie bei einer Verknüpfung von Lehre und Forschung in der deutschen Spitzengruppe mitspielen?" Dazu müsse sie sich "mit allen Konsequenzen" noch mehr auf ihre Stärken konzentrieren, ihr Profil noch schärfer herausbilden und noch gezielter Nachwuchsförderung und Berufungspolitik betreiben. Hier müsse die Universität mit einer "Corporate Identity" auftreten. Positiv bewertet Catenhusen, dass Stadt und Universität "es endlich geschafft haben", mit dem Max-Planck-Institut für Vaskuläre Biologie auch außeruniversitäre Forschung in Münster anzusiedeln. "Das Drumherum an Forschung ist in Münster noch bescheiden", sagt der Politiker. Ein weiterer Ausbau solcher Forschung sei unabdingbar, um den Wissenschaftsstandort Münster zu stärken. Um dies durchzusetzen, sei auch eine "bewusste Bejahung" einer starken Universitätsleitung wichtig. "Da ist mir die Uni Münster immer noch ein bisschen zurückhaltend."
Catenhusen fühlt sich wohl in seiner Rolle als "sachkundiger Unruhestifter". Er sorgt sich um die Universität als Freund, spricht eindringlich, fast beschwörend. Seit dem Studium, sagt der zweifache Vater, empfinde er eine andauernde Bindung an seine Hochschule. Mehrmals im Monat treffe er Angehörige der Universität. Zudem informiert sich der Politiker regelmäßig im Internet, beispielsweise durch die Online-Version der Unizeitung.
Kann die Universität auch weiterhin auf ihren Freund in Berlin bauen? Wolf-Michael Catenhusen stimmt lächelnd zu. Lobbyismus für Münster werde er allerdings nicht betreiben. "Da achte ich immer auf Objektivität im Sinne der Qualität." Dann sagt er ernst: "Die kritische Begleitung hat für mich vom Selbstverständnis her allerdings nicht aufgehört. Die Kommunikationskanäle zur Uni sind offen."