
Leib und Leiblichkeit in der islamischen Mystik. Ein Versuch über die ästhetisch-spirituelle Bedeutung des Körpers im Sufismus
Vortrag von Raid Al-Daghistani │ 5. Juni 2025│ 15:00 Uhr│ Universität Tübingen
Am 4. und 5. Juni 2025 fand die im Rahmen des Teilprojekts C3 des SFB „Andere Ästhetik“ von der Universität Tübingen organisierte interdisziplinäre und internationale Tagung zum Thema „Prekäre Ästhetik: Körpermetaphoriken als Inszenierungsmedien göttlichen Erscheinens“ statt. Auf der Grundlage von Textquellen unterschiedlicher mystischer Traditionen in verschiedenen Religionen wurden in dieser Tagung interreligiöse und transkulturelle Zugänge zum Thema der Körpermetaphoriken als Inszenierungsmedien göttlichen Erscheinens interdisziplinär diskutiert.
Im Rahmen dieser Tagung hielt PD Dr. Raid Al-Daghistani einen Vortag mit dem Titel „Leib und Leiblichkeit in der islamischen Mystik – ein Versuch über die ästhetisch-spirituelle Bedeutung des Körpers im Sufismus“. Herr Al-Daghistani betonte vor allem die doppelte Bedeutung des Leibes sowohl in seiner passiven (als Manifestationsort ekstatischer Erfahrungen) als auch in seiner aktiven Rolle (als Mittel für die Erlangung derselben), die er vor allem an Beispielen des rituellen Gottgedenkens (ḏikr), des spirituellen Musikhörens (samāʿ) und der Wanderung (sāḥa) der Sufis explizit veranschaulichte. In diesem Zusammenhang wurde der ambivalente Charakter des Leibes kritisch thematisiert, insofern dieser für die Sufis nicht nur ein „Kerker für die Seele“, sondern gleichermaßen eine „Vehikel der Seele“ und eine „Brücke“ zwischen dem Inneren (bāṭin) und dem Äußeren (ẓāhir) darstellt. Abschließend reflektierte Al-Daghistani auch über den Leib als eine genuin epistemische Kategorie, insofern mystische Gotteserkenntnisse der Sufis zugleich verkörperte Erfahrungen sind.
Die Moderation übernahm Prof. Dr. Stefan Sperl von SOAS-University of London.