Stellungnahme der VertreterInnen der Standorte für Islamisch-Theologische Studien in Deutschland zu den aktuellen politischen Entwicklungen im Nahen Osten anlässlich des Kongresses „Horizonte der Islamischen Theologie“ an der Goethe-Universität

Unter der E-Mail-Adresse stellungnahme.islamische-theologie@outlook.com kann die Stellungnahme mit der Angabe von Name und Institution unterzeichnet werden. 

Wir sind zutiefst bestürzt über die aktuellen Ereignisse im Nahen Osten und über den Terror, den der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) gegenüber Zivilisten und Gefangenen jeglichen Glaubens walten lässt. Die ungeheuerliche Gewalt, die von den Anhängern des IS ausgeht, negiert alle Regeln der Menschlichkeit und zivilisatorischen Normen, für deren Herausbildung auch der Islam eine wichtige Rolle gespielt hat und an denen er teilhat. Solche Deutungen des Islam, die ihn zu einer archaischen Ideologie des Hasses und der Gewalt pervertieren, lehnen wir strikt ab und verurteilen diese aufs Schärfste. 

Angesichts der steigenden Zahl an jungen Menschen in Europa, die sich dem Gedankengut des IS und anderer extremistischer Formationen anschließen, sind wir uns als VertreterInnen von islamisch-theologischen Fächern der Notwendigkeit und Verantwortung bewusst, sich solchen Deutungen des Islam gerade mit Bezug auf die islamischen Traditionen entgegenzustellen. Die Deutungshoheit über den Islam darf nicht Extremisten und Gewalttätern überlassen werden und muss in Deutschland aus der Mitte der Gesellschaft heraus – unter anderem an den Universitäten – erfolgen.   

Wir setzen uns, nicht zuletzt in unserer universitären Arbeit, für einen Islam ein, aus dem sich Humanität, Gewaltfreiheit, Wertschätzung der Pluralität und Respekt für Menschen ungeachtet ihrer Zugehörigkeiten schöpfen lassen.   

Die aktuellen Konflikte im Nahen Osten und auch in anderen Teilen der Welt zeigen, wie rasant sich unter desolaten soziopolitischen Umständen ein gewaltzentriertes Religionsverständnis herausbilden kann. 

In demokratisch-freiheitlich verfassten Staaten Europas sehen wir demgegenüber die Chance, an das reiche Erbe der geistesgeschichtlichen und religiösen Tradition des Islam anzuknüpfen und uns in der Begegnung mit anderen, auch kritischen Perspektiven zu öffnen. So sollen Studierende befähigt werden, eigene religiöse Ressourcen als Mittel zur Gestaltung eines produktiven Miteinanders zu begreifen und sich gestalterisch in die Zukunft der deutschen Gesellschaft einzubringen. Hierzu gehört auch die Anerkennung der Muslime als Teil Deutschlands und das Ernstnehmen vergangener und jüngster islamfeindlicher Übergriffe als Hindernisse auf diesem Weg.

Nur durch eine reflektierte Auseinandersetzung mit der islamischen Lehre und Praxis unter freiheitlichen Bedingungen lässt sich die islamische Wissens- und Normenproduktion von krisenhaften Verhältnissen und Kontexten der politischen Repressionen entkoppeln. Und nur so können produktive Antworten des Islam auf die Herausforderungen des globalen Zusammenlebens gefunden werden. Hierfür ist die freie akademische Wissensproduktion an deutschen Universitäten eine wichtige Voraussetzung.

Prof. Dr. Bekim Agai, geschäftsführender Direktor am Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam, Goethe-Universität Frankfurt a.M
Prof. Dr. Maha El-Kaisy Friemuth, geschäftsführende Direktorin am Department Islamisch-Religiöse Studien, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr. Mouhanad Khorchide, geschäftsführender Direktor am Zentrum für Islamische Theologie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Prof. Dr. Yasar Sarikaya, Professur für Islamische Theologie und ihre Didaktik, Justus-Liebig-Universität Gießen
Prof. Dr. Erdal Toprakyaran, geschäftsführender Direktor am Zentrum für Islamische Theologie, Eberhard Karls Universität Tübingen
Prof. Dr. Bülent Ucar, geschäftsführender Direktor am Institut für Islamische Theologie, Universität Osnabrück