Kooperation im Kontext von Praxisprojekten

Die Kooperation zwischen Hochschule und Schule spielt im Kontext von schulischen Praxisprojekten und damit auch bei der Durchführung der schulischen Praxisphasen im Rahmen des Projekts Kooperative Praxisprojekte eine zentrale Rolle (vgl. Friker & Kilimann 2019). Erst die Zusammenarbeit mit Kooperationsschulen und den schulischen Lehrkräften ermöglicht die Konzeption dieser Praxisprojekte als das funktionale Zusammenspiel von fachdidaktischer Forschungs- und Entwicklungsarbeit in der praxisbezogenen Lehramtsausbildung, wie es im Projekt angestrebt wird.
Obwohl jedoch die vielfältigen Herausforderungen in der Schule, insbesondere im Kontext von Heterogenität, das Thema Kooperation gegenwärtig ins Zentrum bildungspolitischer wie wissenschaftlicher Debatten rücken (vgl. Lütje-Klose & Urban 2014a; Kreis, Wick & Kosorok Labhart 2016), liegen bisher nur wenige einschlägige Theoriekonzepte für hochschulisch-schulische Kooperationen im Rahmen von Praxisphasen vor (z. B. Schellenbach-Zell, Wittwer & Nückles 2019; Hascher 2011). So werden zwar theoretische Beschreibungsinstrumente zur Erfassung von Gelingensbedingungen von Kooperation im Rahmen des Lehramtsstudiums entwickelt (vgl. Terhart 2012; Kleemann, Jennek & Vock 2019) und die operative Gestaltung von Kooperationen zwischen verschiedenen Berufsgruppen im Sinne multiprofessioneller Teams (vgl. Fabel-Lamla 2018; Richter & Pant 2016) oder interinstitutioneller Kooperationen (vgl. Berkemeyer et al. 2011) modelliert, die Besonderheiten der Theorie-Praxis-Verzahnung sowie der ko-konstruktiven Zusammenarbeit zwischen berufserfahrenen Lehrpersonen und Studierenden finden jedoch bisher kaum Berücksichtigung.
Eine Konzeptualisierung, die verstärkt darauf ausgerichtet ist, das Verhältnis von Theorie und Praxis zu hinterfragen sowie den Kooperationspartnerinnen und -partnern ko-konstruktive (vgl. Gräsel, Fussangel & Pröbstel 2006) bzw. ko-produktive (vgl. Reusser & Fraefel 2017) Zusammenarbeit zu ermöglichen, könnte der sogenannte Third Space (vgl. Bhabha 1990) bzw. hybride oder auch dritte Raum darstellen.

Kooperation im Rahmen des Projekts "Kooperative Praxisprojekte"

Da die Lehramtsstudierenden der beteiligten Fächer im Rahmen des Projekts Kooperative Praxisprojekte während oder nach der fachdidaktischen Qualifizierung im Seminar am Lernort Universität Unterrichtseinheiten in Kooperationsschulen durchführen, stellt Kooperation in allen Fachprojekten ein zentrales Element dar.
Die konkrete Ausgestaltung der Kooperation ist zwar von Fachprojekt zu Fachprojekt verschieden, gemeinsam ist allen Fächern jedoch eine Anbahnung von Kooperation vor der Durchführung der Praxisphase, eine kooperative Zusammenarbeit mit schulischen Lehrkräften während der Praxisphase und eine Reflexion der Kooperation nach der Praxisphase.

  • Vor der Praxisphase

    Vor der Durchführung der Praxisphase werden die Kooperationsschulen nach ausgewiesenen Kriterien (vgl. Lütje-Klose & Urban 2014a, 2014b) akquiriert. Die Akquise kann erstens durch bestehende persönliche Kontakte zu Lehrkräften, zweitens durch bereits etablierte Kooperationen oder drittens über die Zusammenarbeit mit der zuständigen Bezirksregierung Münster, die die Fachprojekte im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung bei der Akquise von Schulen bedarfsgerecht unterstützt, erfolgen.
    Neben pragmatisch-organisatorischen Kriterien (Schulform, Jahrgangsstufe) können für die Auswahl von Kooperationsschulen auch Kriterien, die das Schulprofil betreffen – etwaige Inklusionskonzepte oder bereits etablierte Projekt- und Methodentage – bedeutsam sein. Darüber hinaus sind fachbezogene Kriterien wie der Unterricht in Fächerverbünden (z. B. Gesellschaftslehre) und schulinterne curriculare Rahmenbedingungen (z. B. Themenfelder) ausschlaggebend.
    Nach der Auswahl der Schule und der ersten Kontaktaufnahme zur Schule und den entsprechenden Lehrpersonen findet die Kooperationsanbahnung statt. Diese erfordert nicht nur eine gemeinsame Bestimmung der Kooperationsziele, sondern auch eine strukturelle, organisatorische und personelle Planung, die Gespräche über die Möglichkeiten der Kommunikation und Koordination zwischen den potenziellen Kooperationspartnern (vgl. Steinheider & Legrady 2001) beinhaltet. Eine Reflexion des sich anbahnenden Kooperationsprozesses, bei der u. U. schon Ge- und Misslingensfaktoren identifiziert werden (vgl. Kullmann 2010), bildet die Grundlage für die Etablierung der Kooperation im Rahmen der Durchführung des Praxisprojekts.
    Zur Vorbereitung der konkreten Zusammenarbeit zwischen den Studierenden und den schulischen Lehrkräften, in der der fachliche und fachdidaktische Austausch über die Vermittlung und das Training fachspezifischer Lesestrategien zur Förderung des Textverstehens im jeweiligen Fach fokussiert wird, werden die schulischen Lehrkräfte in einigen Fachprojekten vorab in diesem Themenbereich geschult. Zudem erfolgt vor Beginn der eigentlichen Praxisphase ein Austausch zwischen schulischen Lehrkräften und Studierenden über die konkrete Lerngruppe und die Voraussetzungen und Vorkenntnisse der Schülerinnen und Schüler, der in einigen Fachprojekten auch mit einer Hospitation der Studierenden im Unterricht der entsprechenden Lerngruppe einhergeht.

  • Während der Praxisphase

    Während der Praxisphase kooperieren die Studierenden und die schulischen Lehrkräfte je nach Fachprojekt in unterschiedlicher Intensität und in unterschiedlichen Bereichen miteinander.
    So findet Kooperation z. B. in den Fächern Geographie und Mathematik im Format des Austauschs statt, im Fach Geschichte wird die Kooperationsform der gemeinsamen Arbeitsplanung gestaltet und im Fach Deutsch ist eine ko-konstruktive Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Lehrpersonen und ein Team-Teaching intendiert.
    Diese Kooperationsformate (vgl. Gräsel et al. 2006) unterscheiden sich nach ihrer Funktion und Intensität (vgl. Fussangel & Gräsel 2010) und geben der jeweiligen Zusammenarbeit eine Struktur. So benötigt ein informeller Austausch nicht unbedingt eine gemeinsame Zielsetzung, die jedoch für die arbeitsteilige Kooperation unbedingt festgelegt werden sollte. Ko-Konstruktion bedeutet, dass die Akteure über längere Zeit intensiv an gemeinsamen Aufgaben arbeiten, so dass ein Transfer von Wissen und Kompetenzen stattfinden kann (vgl. Friker & Kilimann 2019). Zudem wirken die jeweiligen Kooperationsformate auf die Art der Durchführung des Unterrichts bzw. die Rollen der schulischen Lehrkräfte während der Durchführung der Unterrichtssequenzen, die von einer unbeteiligten Beobachterrolle über eine Unterstützerrolle (z. B., um die nötige Arbeitsatmosphäre herzustellen) bis hin zur Rolle des Mit-Lehrenden im Team-Teaching reichen kann.
    Diese unterschiedlichen Formate und Ausgestaltungen von Kooperation zwischen Lehrkräften und Studierenden in den beteiligten Unterrichtsfächern sind sowohl von fachspezifischen als auch von organisatorischen Parametern abhängig. Vor allem die schulinternen Curricula sowie die Stundentafeln in den unterschiedlichen Fächern haben Auswirkungen auf den zeitlichen Umfang der Praxisphase und damit auch auf die mögliche Form der Zusammenarbeit. Daneben sind Aspekte wie die Anzahl der beteiligten Studierenden oder auch die Notwendigkeit ihrer Begleitung in der Praxisphase durch Hochschullehrende ausschlaggebend.

  • Nach der Praxisphase

    Im Anschluss an die kooperative Durchführung der Praxisprojekte in den Schulen werden die Ergebnisse und Erfahrungen aus der Kooperation reflektiert. Dies findet in den einzelnen Fachprojekten in Abhängigkeit vom gewählten Format der Kooperation und den Bedingungen der jeweiligen Realisierung der Praxisphase in unterschiedlichen Formaten statt, die von einem interindividuellen Austausch zwischen zwei kooperierenden Akteuren bis zu größeren Reflexionsrunden mit allen beteiligten Akteuren reichen.
    Überdies wird in einigen Fachprojekten die Qualität der Kooperation evaluiert, um Gelingensbedingungen und Misslingensfaktoren der Kooperation zu eruieren. Damit soll die kooperative Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Schule und zwischen Studierenden und schulischen Lehrkräften als ein Grundpfeiler des Teilprojekts weiterentwickelt werden, um den Aufbau bzw. die Ausdifferenzierung professionsbezogener Kompetenzen und damit Wirkpotenziale für alle Akteure zu ermöglichen.

Wirkpotenziale der Kooperation für die beteiligten Akteure

Durch die Kooperation zwischen Hochschule und Schule eröffnen sich spezifische Wirkpotenziale für die beteiligten Akteure:

Die Lehramtsstudierenden erhalten die Möglichkeit, unterrichtspraktische Erfahrungen im Bereich der Vermittlung fachspezifischer Lesestrategien in heterogenen Lerngruppen zu sammeln, die im Rahmen einer effektiven (und je nach Fach unterschiedlich intensiven) Zusammenarbeit mit den schulischen Lehrpersonen stattfinden und theoriegeleitet und fallbezogen reflektiert werden.

Die schulischen Lehrpersonen erhalten durch die Teilnahme an Fortbildungen, vor allem aber durch die unterrichtspraktische Zusammenarbeit mit Studierenden u. a. fachdidaktische Impulse und die Gelegenheit zum fachbezogenen Austausch sowie zur gemeinsamen Reflexion mit den Studierenden und Hochschullehrenden. Zudem kann die Zusammenarbeit mit Studierenden im Unterricht Entlastungserfahrungen im Kontext kollegialer Zusammenarbeit oder Team-Teaching bedeuten.

Für die Hochschuldozierenden ergeben sich durch die Kooperation wichtige Rückmeldungen zur Konzeption der Unterrichtseinheiten und der Materialentwicklung, die für die weiteren Entwicklungs- und Forschungsarbeiten in diesem Bereich wertvoll sind.