Textverstehen im Fach

„Texte sind das zentrale Medium des Unterrichts. Lesen und Verstehen sind also zentrale Voraussetzungen für die Arbeit in der Schule – und das in allen Fächern“ (Eikenbusch 2007, S. 6). Daher sollte „eine Lesekompetenzförderung als Aufgabe aller Fächer verstanden werden“ (Artelt & Dörfler 2010, S. 15).
Diese Aussage wurde sowohl in der deutschsprachigen Forschung als auch in der Unterrichtspraxis bisher weitgehend als Forderung dahingehend verstanden, dass sich alle Fächer „unter der Federführung des Fachs Deutsch“ (Leisen 2009, S. 196) an der Förderung der basalen Leseprozesse und des Textverstehens beteiligen. Vor diesem Hintergrund liegen bisher lediglich Vorschläge vor, die entweder im Kontext von sprachsensiblem Fachunterricht stehen oder auf der Annahme basieren, „Lesestrategien bei verschiedenen Texten sollen und können fächerübergreifend vermittelt werden“ (Leisen 2009, S. 197).
Beides ist problematisch, da sich Schwierigkeiten beim Lesen und Verstehen von Texten erstens nicht lediglich auf sprachliche Hindernisse reduzieren lassen, zweitens, weil das Lesen und Verstehen von Fachtexten im Fachunterricht eng mit der Epistemologie und der Heuristik des jeweiligen Faches zusammenhängt und daher höchst domänenspezifisch ist. Es kommt also darauf an, die Leseförderung so in den Unterricht zu integrieren, dass sie basierend auf den Materialien und Anforderungen der Fächer zum Teil des Unterrichtsgeschehens wird. […] Die Leseförderung in den Fächern dient also letztlich dem fachlichen Lernen.“ (Artelt & Dörfler 2010, S. 34).
Die angloamerikanische Leseforschung ist in diesem Bereich deutlich weiter. So wurde bereits 2008 das Konzept der Disciplinary Literacy entwickelt, das auf der Annahme basiert, dass es mit dem Fokus auf der übergeordneten Frage, wie Wissen in den Disziplinen geschaffen, kommuniziert und bewertet wird zielführender ist, disziplinen-spezifische Lesefähigkeiten und -strategien zu identifizieren (vgl. Shanahan & Shanahan 2008).
Das Konzept der Disciplinary Literacy bildet im Projekt Kooperative Praxisprojekte die Grundlage für die Entwicklung dezidiert fachdidaktisch ausgerichteter Konzepte und Modelle zur fachspezifischen und -integrativen Förderung des Lesens und Textverstehens der Schülerinnen und Schüler. Bezugnehmend auf die Erkenntnisse der kognitionspsychologischen, der differenziell-psychologischen und der lesedidaktischen Forschung zum Textverstehen und zu Lesestrategien, modellieren die am Projekt beteiligten Fachdidaktiken einen jeweils fachspezifischen strategiebasierten Umgang mit Texten des Faches, entwickeln darauf aufbauend konkrete Unterrichtskonzepte und erproben diese in der Schulpraxis.