Verbundprojekt: Förderung der professionellen Wahrnehmung in digitalen, videobasierten Selbstlernmodulen - ProdiviS

Teilvorhaben: Mehrperspektivische Wahrnehmung von Klassenführung und Lernunterstützung im Sachunterricht
Logo des Projekts ProdiviS
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© DDSU
  • Beschreibung

    Von Universitäten wird gefordert, dass sie in einem Großteil ihrer Studiengänge für zukünftige berufliche Anforderungen qualifizieren. Dies gilt auch für soziale Dienstleistungsberufe, in denen bestimmte Leistungen für Klient/innen, Patient/innen oder Lerner/innen nur interaktionsabhängig erbracht werden können. Zentrale Bedeutung hat dabei die professionelle Wahrnehmung kritischer Ereignisse in den komplexen berufsbezogenen Interaktionssituationen (Endsley, 1995; Goodwin, 1994; Sherin & van Es, 2009).

    In der Lehrerexpertiseforschung ist diese Kompetenz zunehmend beachtet und erforscht worden (Barth, 2017; Gold et al., 2017; Seidel & Stürmer, 2014). Professionelle Unterrichtswahrnehmung wird definiert als Kompetenz einer Lehrkraft, kritische Ereignisse und Interaktionen im Unterricht erkennen und theoriebasiert interpretieren zu können (Sherin & van Es, 2009). Diese Interaktionen betreffen unterrichtliche Anforderungen und Lehrkraftmaßnahmen insbesondere der Klassenführung und Lernunterstützung (Seiz et al., 2016; Seidel & Shavelson, 2007). Empirische Studien zeigen, dass eine professionelle Unterrichtswahrnehmung von Lehrkräften mit einer höheren Qualität ihres Unterrichts (Roth et al., 2011; Santagata & Yeh, 2014; Sherin & van Es, 2009) sowie besseren Leistungen ihrer Schüler/innen (Kersting et al., 2012; Roth et al., 2011) einhergeht.

    Obwohl die professionelle Wahrnehmung für viele Berufsfelder eine Schlüsselkompetenz darstellt, nimmt die Lehrerbildung eine Vorreiterrolle ein, und zwar aufgrund der bereits erfolgten curricularen Einbettung des Konzepts sowie der substantiellen empirischen Begleitforschung und der infrastrukturellen Vorarbeiten (Steffensky & Kleinknecht, 2016). Eine flächendeckende Implementation eines innovativen, digitalen Fachkonzepts zur professionellen Wahrnehmung kann nicht nur den Erwerb einer wesentlichen Schlüsselkompetenz zehntausender Lehramtsstudierender unterstützen. Sie kann auch als leicht zu adaptierende Grundlage für die Entwicklung entsprechender Konzepte in weiteren Berufsfeldern wie der Psychologie und Medizin dienen.

    Hier setzt das vom BMBF geförderte Verbundprojekt „Förderung der professionellen Wahrnehmung in digitalen, videobasierten Selbstlernmodulen (Akronym: ProdiviS)“ an. An den drei Verbundstandorten Köln (Prof. Dr. Dr. Kai Kaspar, Prof. Dr. Johannes König), Berlin (Prof. Dr. Felicitas Thiel) und Münster (Prof. Dr. Manfred Holodynski, Prof. Dr. Nicola Meschede) sollen drei aufeinander bezogene digitale, videobasierte Selbstlernmodule zur Schulung der professionellen Wahrnehmung eines zentralen Unterrichtsmerkmals, der Klassenführung, entwickelt und evaluiert werden. Mit diesen Modulen kann eine basale professionsbezogene Kompetenz in praxisorientierten Studienphasen der Lehrkräftebildung adaptiv gefördert werden.

    Das am Standort Münster zu entwickelnde Selbstlernmodul fokussiert inhaltlich auf das Zusammenwirken von Klassenführung und Lernunterstützung im naturwissenschaftlichen Sachunterricht. Damit wird die Förderung einer mehrperspektivischen professionellen Unterrichtswahrnehmung angestrebt. Auf Basis des mediendidaktischen Rahmenkonzepts des digitalen Cognitive-Apprenticeship-Ansatzes (Collins, Brown & Newman, 1989; (García-Cabrero et al., 2018) und der Cognitive-Affective Theory of Learning with Media (Moreno & Mayer, 2007) werden im Rahmen der Selbstlernmodule digitale Unterstützungstools des Modeling und Prompting eingesetzt, um das selbstregulierte und adaptive Bearbeiten der Module zur Förderung einer professionellen Unterrichtswahrnehmung zu erleichtern. Hierzu werden interaktive Unterrichtsvideos mit Expert/innenmodellen bzw. Prompts implementiert, die explizit die Anforderung der Integration der beiden Perspektiven (Lernunterstützung und Klassenführung) bei der professionellen Unterrichtswahrnehmung unterstützen.

    Evaluiert werden die Usability der Selbstlernmodule sowie die inkrementelle Wirksamkeit der Unterstützungstools gegenüber einem Basis-Selbstlernformat und einem Blended-Learning-Format. Die Selbstlernmodule werden am Ende der Projektlaufzeit über ein Metavideoportal disseminiert. Alle lehrerbildenden Hochschulen können darauf zugreifen und andere Studiengänge die Selbstlernmodule als Prototypen zur berufsspezifischen Wahrnehmungsförderung verwenden.