Theorieplattformen

Der Exzellenzcluster untersucht die Dynamik des Verhältnisses von Religion und Politik in drei Forschungsfeldern. Quer dazu verlaufen fünf Theorieplattformen: Theorien der Medialität, der Differenzierung, der Ungleichheit, des Konflikts und der Emotionalität. Deren begriffliche Grundlange werden in unterschiedlichen Fächern jeweils unterschiedlich konzipiert. Zur disziplinübergreifenden Verständigung über die Begriffe und Theorieansätze dienen die fünf Theorieplattformen, die die Mitglieder der drei Gegenstandsfelder flexibel für sich auswählen können.

Theorieplattform A Medialität

Religion hat es stets mit Transzendenz zu tun. Für die Analyse der Dynamik von Religion ist die Frage nach Medialität, die die Theorieplattform A thematisiert, geradezu unerlässlich. Denn die Wahrnehmung jeder Wirklichkeit ist stets medial vermittelt. Dabei geht es nur um die Kommunikation unter Menschen, sondern auch zwischen Menschen und transzendenten Akteuren. Transzendenz hat nur dann Relevanz für Gemeinschaften und Individuen, wenn sie sich „zeigt“, materialisiert, in Erfahrungen eingeht, mit Bildern, Texten, Tönen, Zahlen, Ritualen verbindet und so kommunizierbar wird. Dabei sind zentrale Fragen, wer über die religiösen Medien und damit den Zugang zum Transzendenten verfügt und entscheidet, und wie über Religion kommuniziert wird.

Theorieplattform B Differenzierung

Der Wandel des Verhältnisses von Religion und Politik lässt sich anhand verschiedener Theorien zur Differenzierung autonomer gesellschaftlicher Funktionssysteme interdisziplinär untersuchen. Nicht zuletzt das Konzept der Säkularisierung lässt sich differenzierungstheoretisch fassen. Die Mitglieder des Exzellenzclusters diskutieren intensiv, inwiefern Differenzierungstheorien als interdisziplinäre Arbeitsgrundlage zwischen Sozial-, Rechts- und Geschichtswissenschaft taugen und welche dieser Theorien am hilfreichsten sind. Ein disziplinübergreifender Konsens darüber ist kaum herzustellen. Angesichts der großen Rolle, die Differenzierungstheorien für Konzepte der Säkularisierung spielen, ist es aber geboten, sich weiterhin mit ihnen auseinanderzusetzen und sie weiterzuentwickeln.

Theorieplattform C Ungleichheit

Zu den Dimensionen der Ungleichheit einer Gesellschaft gehören Alter, Geschlecht, Einkommen, Status, Bildung, Ethnizität und nicht zuletzt Religion. Die Theorieplattform C nimmt in den Blick, wie religiöse Norm- und Sinnsysteme sich jeweils zu den anderen Dimensionen sozialer Ungleichheit verhalten und inwiefern sie sie verstärken oder auch konterkarieren. Unter dem Stichwort „Intersektionalität“ wird untersucht, in welchem Verhältnis die unterschiedlichen Dimensionen der Ungleichheit zueinanderstehen. Dieses Konzept ist nicht nur für die Erklärung der Stabilisierung von Ungleichheitsordnungen hilfreich, sondern auch für die Analyse ihrer Veränderungsdynamik . Für die Leitfrage des Exzellenzclusters nach der Wirkung von Religion auf politischen und gesellschaftlichen Wandel ist es von besonderem Interesse.

Theorieplattform D Konflikt

Konflikte lassen sich als eine Form der Vergesellschaftung verstehen. Sie entfalten eine sozial integrierende Funktion, indem in ihrem Verlauf soziale Normen, Werte und Strukturen neu ausgehandelt werden. Demgegenüber betonen spieltheoretische Entwürfe die in Konflikten liegende desintegrierende Tendenz zur Eskalation. In jedem Fall werden Konflikte als ein wichtiger Motor gesellschaftlichen Wandels angesehen. Im Rahmen der Theorieplattform D des Exzellenzclusters wird untersucht, inwiefern Religion als genuiner Konfliktfaktor wirkt und die Struktur von Konflikten in spezifischer Weise beeinflusst. Für die Frage nach der dynamischen Wirkung von Religion in Politik und Gesellschaft sind solche konflikttheoretischen Überlegungen von zentralem Interesse.

Theorieplattform E Emotionalität

Die Theorieplattform E versteht Emotionalität als ein konstitutives Element sozialer Wahrnehmungen und Beziehungen. Sie fragt zum einen danach, inwiefern man von spezifisch religiösen Emotionen sprechen kann, ob sich Phasen intensivierter religiöser Affektivität und umgekehrt Phasen ihres Niedergangs beobachten lassen und welche Emotionen im Diskurs in den jeweiligen historischen Kontexten zulässig und wirkmächtig waren und sind. Zum anderen untersucht sie, welche Wirkungen von religiös basierten Emotionen auf individueller und kollektiver Ebene ausgelöst werden, inwieweit sie soziale Konflikte anheizen oder zu deren Überwindung beitragen sowie auf welche Weise und mit welchen rhetorischen und ästhetischen Verfahren und Medien in Bildender Kunst, Architektur, Literatur, religiösen Texten und Debattenkultur sie ihre Wirkungen erzielen.