(D2-1) Die Rolle der Kirche bei der politischen Willensbildung im Früh- und Hochmittelalter

Das Projekt untersucht Rahmenbedingungen, Regeln und Verfahren der Beratung im Frühen und Hohen Mittelalter. Das Zentrum des Interesses liegt aus Überlieferungsgründen auf den Beratungen des königlichen Herrschaftsverbandes und auf den Verhandlungen von Teilen dieses Verbandes mit dem König oder anderen Gruppen im Falle von Konflikten. Besondere Aufmerksamkeit gilt einmal den informellen Formen der Beratung, wie sie in Interventionen, Fürsprachen, vertraulichen Einflussnahmen und Verwendungen begegnen. Zum anderen geht es um den Ablauf und die Kommunikationsregeln in formellen Beratungen, zu denen der König „die Großen“ einlädt und ihnen ein Problem zur Beratung vorlegt. Hier ist auch die Frage von Gewicht, ob diese Beratungen vertraulich oder öffentlich vonstatten gehen und welche Konsequenzen dies für die Beratungen hat.

Bei der Durchsetzung eines Rechts auf Beratung spielen die christliche Kirche und ihre bischöflichen Vertreter eine große Rolle, die seit dem 9. Jahrhundert ihre „Wächter- und Aufsichtsfunktion“ über die Könige biblisch herleiten und in der politischen Praxis durchsetzen wollen. Daneben gibt es aber auch Vertreter der ‚Hoftheologie‘, die das Gottesgnadentum und die Unmittelbarkeit des Königs zu Gott betonen. Daraus resultiert eine lange und in verschiedenen Formen durchgeführte Auseinandersetzung zwischen Königtum und Kirche, die in der bisherigen Forschung nicht genügend geklärt wurde. In dieser Auseinandersetzung sind sowohl Instrumentalisierungen der Kirche durch das Königtum zu beobachten als auch die Begrenzung von Königmacht durch christliche Normen.

Der Forschungsstand auf diesem Gebiet ist insgesamt unbefriedigend, was vor allem an der Diskretion der meisten Quellen liegt, die sich nicht für befugt halten, die regalia mysteria oder arcana imperii zu lüften, und deshalb über Techniken der Willensbildung und Praktiken der Konsensherstellung wenig sagen. Vor allem aus Berichten über Konflikte kann man jedoch Einsichten generieren, die Praktiken und Regeln der Beratung zugänglich machen. Dies soll in einer Monographie mit chronologischen und systematischen Kapiteln verdeutlicht werden.