(C2-17) Universaler Anspruch und nationale Identitäten: Die Haltung des Vatikans zu Nationalitätenkonflikten in der Zwischenkriegszeit

In Europa wurde die spätneuzeitliche Geschichte wesentlich durch den Aufstieg moderner Nationalismen mitgeprägt. Nationalitätenkonflikte waren eine unvermeidbare Folgeerscheinung dieses Prozesses. Für die katholische Kirche bedeuteten solche Konflikte ein Dilemma. Einerseits beanspruchte sie eine universale Gültigkeit kirchlicher Lehren und trat in dieser Hinsicht gegen nationalstaatliche Normvorstellungen ein. Andererseits unterlag die Kirche selbst in vielerlei Hinsicht nationalisierenden Tendenzen, was sich u.a. in „nationalen“ Strukturen wie Bischofskonferenzen, aber auch im kirchlichen Alltag (etwa in der Predigtsprache) bemerkbar machte.

Ausgehend von der Frage, wie die katholische Kirche mit Nationalitätenkonflikten umgegangen ist, untersucht das Forschungsprojekt exemplarisch die Konflikte um Elsass-Lothringen, Oberschlesien und Südtirol in der Zeitspanne zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Da alle drei Regionen zutiefst katholisch geprägt waren, spielte die Kirche in ihnen sowohl in politischer als auch in religiöser Hinsicht eine wichtige Rolle. Innerhalb der katholischen Bevölkerung lässt sich deshalb eine komplexe Überlagerung religiöser und nationaler Identifizierungsmuster feststellen. Das Projekt wird solche Identitätsüberlagerungen untersuchen und dabei der Frage nachgehen, wie sich nationale und religiöse Motive zueinander verhielten.

Neben den regionalen Prozessen wird zudem die vatikanische Politik in den Blick genommen. Es soll ermittelt werden, ob das vatikanische Staatssekretariat eine konsequente Linie im Umgang mit nationalen Minderheiten verfolgte, oder ob sich sein Handeln eher nach Sympathien (etwa zum polnischen Nationalkatholizismus) bzw. Antipathien (z. B. zum französischen Laizismus) richtete. Auf welche Weise etwa beeinflussten Konkordate die Handlungsalternativen der Kirche in Minderheitenfragen? Wie reagierte die katholische Kirche, wenn der Zuschnitt der Diözesen nicht den Landesgrenzen der Nachkriegszeit entsprach, und sich daraus Probleme ergaben?

In der Geschichtswissenschaft sind solche Fragen, die auf dem Gebiet der katholischen Kirchengeschichte das Spannungsfeld transnationaler und nationaler Prozesse betreffen, noch nicht in zusammenhängender Form untersucht worden. Für die Projektarbeit werden u.a. Quellen aus dem Vatikanischen Geheimarchiv, dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes, den Archiven diverser Außenministerien sowie aus Regional- und Kirchenarchiven ausgewertet.


Das Projekt ist Teil der Arbeitsplattform F Transkulturelle Verflechtungen.