EXC 2060 B3-41 - Ephesos und seine Kulträume: Projektionen politischer und religiöser Praxis

Projektstatus
laufend
Mittelgeber
DFG - Exzellenzcluster
Förderkennzeichen
EXC 2060/1
  • Beschreibung

    Für die übergreifende Untersuchung des Kultbetriebs in einer antiken Großstadt bietet Ephesos in zeitlicher und räumlicher Hinsicht einen einzigartigen Befund. Vor dem Hintergrund der methodischen Konzepte des „Kultraumes“ und der „Lokalität“ sollen im Rahmen des Projekts die paganen und christlichen Kulträume auf dem ephesischen Stadtgebiet erfasst, definiert und analysiert werden. Dadurch sollen die Kulträume aus politischer und religiöser Perspektive für ein besseres Verständnis der Geschichte der Stadt Ephesos nutzbar und ihre Einbettung in ein weiter gefasstes regionales und universales politisch-kulturelles Beziehungsgeflecht im Mittelmeerraum sichtbar gemacht werden. Spezifisch geht es um das Herausarbeiten von Mustern und Interdependenzen, die sich bei der Betrachtung der ephesischen Kulträume ergeben, und um die Frage nach einer longue durée, die sich auch in einer an die pagane Tradition anschließenden räumlichen Präsenz christlicher Kultorte niederschlägt. Lassen sich in den einzelnen Zeithorizonten vielleicht sogar etwas wie ephesische Kultlandschaften orten, in der die Kulte und Heiligtümer performativ miteinander verknüpft sind? Gibt es also Kultgeflechte und wenn ja: wie funktionieren sie? Für die Beantwortung derartiger Fragen, die auf ein besseres Verständnis der kultischen Dynamiken innerhalb einer antiken Stadt abzielen, wurde bislang keine Grundlage geschaffen. Es ist also an der Zeit, das Potenzial, das Ephesos aufgrund des Quellenreichtums als Forschungsobjekt inhärent ist und sich auch aus der über das Lokale deutlich hinausgehenden Bedeutung dieser Stadt speist, zu nutzen und die bezeugten paganen und christlichen Kultbetrieb erstmals einer vergleichenden diachronen Analyse zu unterziehen. Eine derartige Studie wird die althistorische Auseinandersetzung mit Ephesos an Debatten heranführen, die in den Altertumswissenschaften gerade von besonderem Interesse sind und sich auf Raumkonzepte und Fragen nach der Verflechtung der antiken Welt beziehen.
  • Personen

  • Promotion

    Jonas Derichs, M.A. | M.Ed.

     

    Promotion

    Kulträume im hellenistisch-römischen Ephesos (3. Jh. v. Chr. – 4. Jh. n. Chr.): Eine Fallstudie zu städtischem Wachstum und religiösem Wandel

    Betreuer
    Prof. Dr. Patrick-Antoine Sänger
    Promotionsfach
    Alte Geschichte
    Angestrebter Abschlussgrad
    Dr. phil.
    Verleihender Fachbereich
    Fachbereich 08 – Geschichte/Philosophie
    Als Lysimachos zu Beginn des 3. Jh.s v. Chr. das alte Siedlungsgebiet von Ephesos zugunsten eines neuen Stadtzentrums zwischen dem Panayır Dağı und dem Bülbül Dağı aufgab, hatte dies notwendigerweise auch Auswirkungen auf die über Jahrhunderte entstandenen religiösen Traditionen: Für das neue Ephesos bedurfte es neuer Gottheiten, Heiligtümer und nicht zuletzt sinnstiftender Erzählungen über die veränderte lokale Topographie und ihre (ferne) Geschichte. Darüber hinaus sorgte der Umstand, dass das an der Westküste Kleinasiens gelegene Ephesos im Laufe der hellenistischen Epoche zur Großstadt und spätestens seit der römischen Kaiserzeit zum administrativen Zentrum der reichen Provinz Asia anwuchs, notwendigerweise für weitere Anpassungen im Bereich der religiösen Infrastruktur und kultischen Praxis. Ebendiesem reziprok anzusetzenden Verhältnis zwischen „Urbanisierung“ und „Religion“ gilt unter Zugrundelegung des Modells der „urbanisierenden / urbanisierten Religion“ (Rüpke 2020) das zentrale Erkenntnisinteresse des Dissertationsprojektes. Für ein solches Vorhaben stellt das hellenistisch-römische Ephesos ein einzigartiges Untersuchungsfeld dar, weil es erstens als eine der wenigen Großstädte der griechisch-römischen Antike nicht modern überbaut worden ist und zweitens im Zuge der mittlerweile mehr als hundertjährigen Grabungsgeschichte durch das Österreichische Archäologische Institut besonders gut erschlossen wurde.
    Unter der Prämisse, dass Räume nicht nur die Produkte von individuellem oder gesellschaftlichem Handeln darstellen, sondern gleichzeitig auch jenes Handeln prägen, bietet es sich an, die verschiedenen für Ephesos archäologisch, epigraphisch, numismatisch und literarisch überlieferten topographisch oder sozial definierten Kulträume (Definitionen bei Wiemer 2017) als Indikatoren für urbanistische und religiöse Dynamiken zu fokussieren. Inwiefern waren diese von ihrem unmittelbaren Umfeld und von anderen Kulträumen architektonisch oder durch den Einsatz von Medien abgegrenzt? Oder lassen sich Verflechtungen erkennen, die auf die Entstehung von unter Umständen supra-lokalen Kultlandschaften hindeuten können. Mit welcher Intensität wurden sie sakralisiert und somit dem „profanen“ Handeln bisweilen dauerhaft entzogen? Und schließlich: Wie wurden sie von „privaten“ Individuen, Amtsträgern, Gruppen, und der Polis als Gemeinschaft kultisch oder aus anderen Motiven heraus genutzt? Durch die Erfassung und möglichst umfassende Interpretation der zu untersuchenden Kulträume soll besser nachvollzogen werden können, inwiefern Religion von Veränderungen unterliegenden städtischen Manifestationen, Netzwerken und Lebensstilen geprägt wurde sowie gleichzeitig selbst einen entscheidenden Faktor bei der Erschließung des Stadtgebietes und der Durchdringung des Hinterlandes darstellte. Letztendlich soll diese Fallstudie auch zu einem verbesserten Verständnis von griechischer Religion in der post-klassischen Polis führen.