Kunstvolle Gewandnadeln entlang des Wegs

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Existenzielle Not zwingt menschliche Gemeinschaften immer wieder, sich auf Wanderschaft zu begeben. Das war schon 500 Jahre v. Chr. der Fall: Kelten verließen ihre Siedlungsgebiete in Richtung Süd- und Südosteuropa. Woher die Wissenschaft das weiß? Archäologen fanden entlang des Wegs kunstvolle Gewandnadeln, so genannte Fibeln, die die Wanderrouten verraten haben.

Fibel aus Bronze der Latène-Kultur.
Fibel aus Bronze der Latène-Kultur.
© Lianna Hecht

Die Kultur, die in weiten Teilen Mitteleuropas von 450 v. Chr. bis zu Christi Geburt zu finden ist, nennt die Wissenschaft die Latène-Zeit. In dieser Zeit lebten die Kelten. Ihr Name ist aus der Antike überliefert. Und diese Kelten trugen charakteristische Fibeln (Gewandnadeln), die sich durch die Gestaltung des Bügels und des Nadelhalters von anderen unterscheiden lassen. Wenn man auf einer Karte alle Orte vermerkt, an denen solche Fibeln gefunden wurden, kann man die Wanderungen der Kelten nachvollziehen. Die gefundenen Fibeln zeigen, dass sie fernab ihrer ursprünglichen Siedlungsgebiete (von Ostfrankreich bis nach Österreich) siedelten: Belege sind aus Süd- und Südosteuropa, aus der Türkei und der Ukraine bekannt.

Diese Mobilität keltischer Gemeinschaften ist auch durch antike Autoren bezeugt. Deren Angabe zufolge waren bis zu 300.000 Menschen gemeinsam unterwegs. Derart große Zahlen mögen aber übertrieben sein. Sicher ist, dass etliche Gruppen von Kriegern gegen Süden aufgebrochen sind. Selbst größere Verbände mit Frauen und Kindern haben ihre Dörfer und Höfe verlassen. Über die Gründe dafür ist bereits in der Antike spekuliert worden. Gültige Erklärungen gibt es nicht. Feststeht, dass sich besonders im 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. das Klima nördlich der Alpen verschlechterte. Vielfach wird erwogen, dass gerade dieses Phänomen zur Mobilität von Kelten beigetragen haben könnte. Aber einen Auslöser allein für die nicht nur friedfertig verlaufene keltische Expansion in den Süden und Südosten mit dem Ziel, dort eine neue Existenz aufzubauen, wird es nicht gegeben haben.

Die wandernden Kelten hinterließen eine deutliche Spur: Besonders die Belagerung und Zerstörung Roms 387 v. Chr. und der 297 v. Chr. unternommene Versuch, das Apollon-Heiligtum im griechischen Delphi zu plündern, sind im kollektiven Gedächtnis von Römern und Griechen haften geblieben. Kelten haben sich in Städten angesiedelt, die teilweise bis auf den heutigen Tag bestehen. Beispiele dafür sind Mediolanum – Mailand, und Singidunum – Belgrad. Generell lässt sich anhand prähistorischer Funde aufzeigen, dass menschliche Gemeinschaften zu allen Zeiten und immer wieder zu Wanderungen gezwungen waren. Ursache dafür dürfte in den meisten Fällen Not gewesen sein.

  Beitrag der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie in der  Ausstellung "Kleine Fächer - Große Potenziale",
Themenfeld Migration, im Archäologischen Museum der WWU.