„Corona-Pandemie beeinflusst offenbar die Religiosität“

Erste Ergebnisse einer Umfrage des Exzellenzclusters zu Corona und Glauben

© Carolin Hillenbrand

Erste Ergebnisse einer Umfrage des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der WWU zum Zusammenhang von Corona-Pandemie und Religiosität liegen vor. Sie zeigen, dass sich die COVID-19-Krise auf den Glauben der Menschen auswirkt, erläutert Politikwissenschaftlerin Carolin Hillenbrand vom Exzellenzcluster. Mehr als die Hälfte der Befragten sagt, der Glaube gebe ihnen in der Corona-Zeit Trost, Hoffnung und Kraft. Darunter sind vor allem diejenigen, die sich als religiös bezeichnen, mehr beten und an Gottesdiensten teilnehmen. Die Corona-Pandemie verstärkt insbesondere die Religiosität von Gläubigen. Der Glaube von Menschen, die keiner Religion angehören, schwächt sich hingegen eher ab. Die Ergebnisse der ersten Auswertungen der nicht repräsentativen Online-Umfrage sind hier einsehbar.

„Die Online-Studie ‚Religion und gesellschaftlicher Zusammenhalt in Zeiten der Corona-Pandemie‘ wird in zwei Schritten ausgewertet“, erläutert Hillenbrand. „Die Ergebnisse beruhen auf dem ersten Erfassungszeitraum vom 7. Juli bis zum 18. Oktober und lassen sich somit in der ersten Corona-Welle verorten. Zusätzlich wird die Online-Umfrage jetzt auch in der zweiten Corona-Welle weiterlaufen, um mögliche Unterschiede und Vergleiche von erster zu zweiter Welle ausfindig machen zu können.“ Im ersten Befragungszeitraum haben sich innerhalb von drei Monaten 1971 Menschen beteiligt. Neben denjenigen, die keiner Religion angehören, sind vor allem Katholiken, Protestanten sowie Evangelikale und Freikirchler vertreten. Politikwissenschaftlerin Hillenbrand, die die Daten im Rahmen ihrer Forschungsarbeiten in der Graduiertenschule des Exzellenzclusters erhebt, ist Teil eines internationalen Forscherteams, das den Einfluss der Corona-Pandemie auf soziale, politische und religiöse Einstellungen und Verhaltensweisen der Menschen untersucht. Das Promotionsvorhaben zur Rolle der Religion für den gesellschaftlichen Zusammenhalt aus empirischer, ländervergleichender Perspektive betreut der Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack vom Forschungsverbund.

„In Krisenzeiten stellen sich besonders Fragen nach dem Warum“

„In der Umfrage gaben 57 Prozent an“, so die Forscherin, „dass ihr Glaube unverändert ist. Das bedeutet, dass die Menschen entweder weiterhin nicht gläubig oder ebenso gläubig wie vorher sind.“ Bei 32 Prozent habe sich der Glaube verstärkt und bei knapp 11 Prozent abgeschwächt. „Schauen wir uns diese Glaubensveränderung nach Religionsgruppen an, sehen wir, dass sich bei denjenigen, die keiner Religion angehören, der Glaube eher abgeschwächt als verstärkt hat. Eine mögliche Erklärung hierfür wäre, dass diese Menschen in der Pandemie nochmals eine Bestätigung finden, dass es keinen liebenden und gütigen Gott geben kann“, so Hillenbrand, „bei allen anderen Religionsgruppen hat sich der Glaube tendenziell eher verstärkt als abgeschwächt. Eine tiefe, persönliche Glaubensbeziehung scheint also auch gerade in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie zu tragen und Halt zu geben. Ja, die Krise scheint bei den Gläubigen eher zur Bestärkung ihres Glaubens beizutragen als zu seiner Abschwächung – religionssoziologisch gesprochen: hier erfüllt die Religion ihre genuin religiöse Aufgabe der ‚Kontingenzbewältigung‘“.

Carolin Hillenbrand
© Privat

In der Umfrage wurden Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter anderem auch nach ihrem persönlichen Umgang mit der Pandemie, nach ihren Deutungen der Epidemie bis hin zu Verschwörungstheorien, nach Veränderungen ihres Lebens durch die Krisenzeit oder nach ihrer Zufriedenheit mit der Corona-Politik befragt. Die Auswertungen dazu stehen noch aus. „Die Corona-Krise betrifft ein zentrales religiöses Bezugsproblem, nämlich die Frage danach, wie Menschen mit Kontingenz, mit Unsicherheit und ungewissen Situationen umgehen“, sagt Hillenbrand. „In Krisenzeiten stellen sich besonders Fragen nach dem Warum. Wir wollen herausfinden, welche Rolle die Religiosität oder Spiritualität der Einzelnen in ihrem Umgang mit der Krise spielt.“

An der ersten Online-Umfrage haben sich deutschlandweit 1971 Personen beteiligt, darunter ordnen sich 1132 dem weiblichen, 828 dem männlichen Geschlecht sowie 11 Personen der Kategorie „divers“ zu. Sie sind zwischen 11 und 96 Jahre alt, wobei die meisten Befragten im mittleren Alter sind. „Die weitere Auswertung der Umfrage soll auch zeigen, wie sich die Pandemie auf Dimensionen auswirkt, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt ausmachen“, so die Wissenschaftlerin. Dazu gehörten Vertrauen, Zugehörigkeitsgefühl, Verantwortungsbereitschaft und Partizipation. Außerdem möchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bis Ende des Jahres Angehörige weiterer Religionsgemeinschaften in Deutschland erreichen, vor allem aus der muslimischen sowie jüdischen Community, die bislang noch unterrepräsentiert sind. Interessierte sind eingeladen, sich an der Online-Umfrage unter www.religion-und-politik.de/umfrage-religion-und-corona anonym zu beteiligen.

Die Untersuchung ist in Kooperation mit einer internationalen Forschungsgruppe unter Federführung der Antonianum-Universität in Rom entstanden. Aus Deutschland beteiligt ist auch das „Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt” (FGZ) an der Universität Leipzig. (exc/maz/vvm)