Geschlecht und Gewalt in Indien und Europa
Tagung des Exzellenzclusters in Neu-Delhi vergleicht Gewalt in verschiedenen Kulturen

Mit geschlechtsspezifischer Gewalt in Indien und Mitteleuropa befasst sich ein internationaler Workshop, den der Exzellenzcluster „Religion und Politik“ in Neu-Delhi ausrichtet. Die deutschen und indischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollen anhand von Fallbeispielen fächerübergreifend herausarbeiten, welche Entwicklungen, Kontinuitäten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen geschlechtsbezogener Gewalt in historischen und gegenwärtigen Konstellationen bestehen. Die Tagung trägt den Titel „Gender and Violence in Historical and Contemporary Perspectives“ („Geschlecht und Gewalt in historischer und zeitgenössischer Perspektive“). Sie findet vom 22. bis 24. September an der Jawaharlal Nehru University in Neu-Delhi statt. Veranstalterinnen sind die Historikerin Dr. Iris Fleßenkämper vom Exzellenzcluster und die indische Historikerin und Sozialwissenschaftlerin Dr. Jyoti Atwal, die 2013 als Gastwissenschaftlerin am Forschungsverbund in Münster tätig war. Die Tagung wird vorwiegend aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert, die für den Aufbau internationaler Forschungskooperationen zur Verfügung gestellt werden.
Die Kooperation indischer und deutscher Gender-Expertinnen soll mittelfristig in ein internationales Netzwerk übergehen, das sich aus kulturübergreifender, vergleichender Perspektive mit geschlechtsspezifischen Ungleichheits- und Gewaltverhältnissen auseinandersetzt. „Obwohl der regionale und kulturelle Schwerpunkt der Tagung auf Indien liegt, befassen sich auch einige Beiträge mit dem Verhältnis von Geschlecht und Gewalt im mitteleuropäischen Raum“, erläutert Dr. Fleßenkämper. „Das schafft einen Vergleichshintergrund für die Frage, in welchen Konstellationen geschlechtsbezogene Gewaltverhältnisse als kultur- und regionalspezifische Phänomene zu interpretieren sind oder auf übergeordnete Narrative und Strukturen zurückgehen, die auch in anderen kulturellen Zusammenhängen greifbar werden.“
Private und politische Gewalt
Der Workshop untersucht verschiedene Dimensionen von geschlechtsbezogener Gewalt sowie ihre Akteure, Opfer, Räume, Praktiken und Funktionen. Folgende Aspekte sollen im Mittelpunkt stehen: die sexuelle Gewalt, die der Herstellung von Gruppenidentitäten dient, der Einfluss physischer Gewaltakte auf die Stabilisierung oder Destabilisierung traditioneller Geschlechterverhältnisse, vor allem im privaten Raum der Ehe und Familie, sowie die Bedeutung diskursiver Gewaltformen bei der Implementierung „europäischer“ Geschlechternormen und christlicher Familienmodelle in Indien, zum Beispiel im Rahmen missionarischer Arbeiten während der Kolonialzeit. Fast alle Beiträge der Tagung fragen zudem nach Formen und Wirkmechanismen politischer oder staatlicher Gewalt bei der Legitimierung oder Delegitimierung traditioneller Geschlechtervorstellungen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Praktiken der Diskriminierung gegen sexuelle Minderheiten wie Homosexuelle und Transgender.
Der Vortrag von Dr. Iris Fleßenkämper befasst sich mit weiblicher Gewalt in frühneuzeitlichen Ehen in der Grafschaft Lippe. Sie leitet am Exzellenzcluster das Projekt A2-5 „Ehekonflikte zwischen Verbrechen und Sünde: Zum Verhältnis von weltlicher und geistlicher Strafgewalt in der Grafschaft Lippe im Kontext der reformierten Konfessionsbildung“. Historikerin Dr. Felicity Jensz vom Forschungsverbund spricht in Neu-Delhi zum Thema Geschlecht, Gewalt und missionarische Repräsentation. Sie leitet in Münster das Projekt B2-11 „Educating the ‘Natives’: Schools, missions, and governments in the British colonial world“. Dr. Jyoti Atwal von der Jawaharlal Nehru University hält einen Vortrag zum Thema „Politics of Writing History of Gender and Violence“. (exc/vvm/han)