„Unser Religionsrecht ist veraltet“

Grünen-Politiker Volker Beck plädiert am Exzellenzcluster für Modernisierung der Religionspolitik – „Kirche, Synagoge und Moschee im Dorf lassen“ – „Über religiöse Identitäten ohne schrille Zwischentöne diskutieren“

Pressemitteilung des Exzellenzclusters vom 19. Juni 2014

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Volker Beck

Der Grünen-Politiker Volker Beck hat sich für grundlegende Veränderungen in der Religionspolitik ausgesprochen. „Wir brauchen eine Modernisierung des Religionsverfassungsrechts und eine neue Verständigung über dessen Begründung“, sagte der religionspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag am Mittwochabend in Münster. Dabei gehe es vor allem um eine neue Interpretation der Verfassung, nicht unbedingt um eine Korrektur des Rechtstextes. Fast 40 Prozent der Menschen in Deutschland seien konfessionslos. Sie forderten immer lauter Mitbestimmung und Gleichstellung. „Aus ihrer Perspektive werden Religionsgemeinschaften rechtlich privilegiert und Nichtgläubige diskriminiert“, unterstrich Beck. Er warnte zugleich vor einem zu scharfen Tonfall in Diskussionen über Religion und Weltanschauung. „Die Heftigkeit mancher Auseinandersetzungen und schrille Zwischentöne zeigen, dass die Debatten auch Identitätsfragen berühren.“

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Film-Mitschnitt des Vortrags

Der religionspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion sprach am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster. Er unterstrich, das Staatskirchenrecht stamme teils aus vergangenen Jahrhunderten und spiegle nicht den gesellschaftlichen Wandel wider. „Angesichts einer wachsenden Pluralisierung und Säkularisierung sind Korrekturen nötig, damit die Freiheitsrechte der unterschiedlichen Gläubigen und der Religionsfreien gewahrt bleiben. Grundsätzlich aber ist das korporative Verhältnis von Staat und Religion zukunftstauglich.“ Die Modernisierung des Religionsrechts sei wichtig für den gesellschaftlichen Frieden. „Ob Minarettverbot, Kruzifixstreit oder Tanzverbote an Feiertagen – die Rolle der Religionen in der Gesellschaft, die Rechte von Atheisten und Gläubigen unterschiedlicher Provenienz stehen immer öfter zur Debatte.“

Religionsfreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz und die Weimarer Reichsverfassungsartikel im Artikel 140 des Grundgesetzes sollten nach Meinung von Beck als „organisches Ganzes“ verstanden werden. Deshalb komme es in erster Linie auf eine grundrechtsfreundliche Lesart des verfassungsrechtlichen Staatskirchenrechtes an.

Dabei deute der Begriffswandel vom „Staatskirchenrecht“ zum zunehmend gebräuchlichen „Religionsverfassungsrecht“ an, dass stärker auch über nicht-christliche Gemeinschaften nachgedacht werden müsse, so Beck. „Gerechte Lösungen sollten möglichst breite Akzeptanz finden.“ Auch deshalb sei die Tonlage der Diskussion entscheidend. „Respekt vor den Weltanschauungen und dem Glauben anderer gehört zum demokratischen Miteinander.“

Der öffentliche Vortrag trug den Titel „Kirche, Synagoge und Moschee im Dorf lassen“. Das solle zeigen, dass alle Religionsgemeinschaften auch in der Zivilgesellschaft ihren Platz hätten, sagte Beck. Eine demokratische Religionspolitik müsse diesen Platz in einer pluralistischen Gesellschaft bestimmen. Der Untertitel der Veranstaltung lautete „Für eine Religionspolitik des Respekts und der Freiheit“.

Religionsfreiheit und Neutralität des Staates

Als Maßstab für eine Modernisierung des Religionsrechts nannte Volker Beck „Respekt, Glaubensfreiheit und weltanschauliche Neutralität des Staates“. Die historisch gewachsene Verbindung von Staat und christlichen Kirchen wirke im Recht immer noch nach, andererseits sollten Staat und Politik „sehr sensibel“ sein, wenn es um die Rechte von Glaubensgemeinschaften gehe.

„Ausgangspunkt einer demokratischen Religionspolitik ist die Religionsfreiheit“, erklärte Beck. Sie beinhalte das positive Recht, das Verhalten am eigenen Glauben auszurichten, zweitens bedeute sie negativ, keinen Glauben und keine Weltanschauung besitzen zu müssen und nicht vom Glauben anderer beeinträchtigt zu werden. Drittens heiße Religionsfreiheit, dass Menschen sich kollektiv zu einer religiösen oder weltanschaulichen Vereinigung zusammenschließen und gemeinsam nach außen treten dürften.

Der Vortrag fand auf Einladung von Sozialethikerin Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins vom Exzellenzcluster und Kirchenrechtler Prof. Dr. Thomas Schüller von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster statt. Beck sprach als erster religionspolitischer Sprecher einer Bundestagsfraktion am Exzellenzcluster. (vvm)