„Moderne Technik bringt Ethik in die Zwickmühle“

Philosoph Michael Quante fordert nach Samenspende-Urteil die Umkehr der Beweislast

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Prof. Dr. Michael Quante

© Julia Holtkötter

Nach dem Urteil zum Verbot anonymer Samenspenden haben Experten einen Graubereich beklagt und eine neue Gesetzgebung gefordert. Philosoph Prof. Dr. Michael Quante von der Universität Münster betont, wie wichtig die jetzt vom Oberlandesgericht im westfälischen Hamm etablierte Beweislast ist.

Die Richter in Hamm hatten das im Grundgesetz festgelegte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit höher als das Recht eines Spenders auf Anonymität gewertet. Eine gesetzliche Regelung für die anonyme Samenspende gibt es bisher nicht. „Für die Ethiker war schon vor dem Urteil unstrittig, dass das Recht der freien Persönlichkeitsentwicklung über dem Recht der Spender steht, anonym zu bleiben“, sagte Quante am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. „Deshalb muss bei einem neuen Gesetz klar sein, dass nicht die Kinder beweisen müssen, warum sie den Spender kennenlernen wollen, sondern das Gesetz müsste schlüssige Gründe für eine anonyme Spende aufzeigen.“

Moderne Technik – wie bei der künstlichen Befruchtung – bringe die Ethik immer wieder in die gleiche Zwickmühle, so Quante, Mitglied im Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Wer sich den neuen Möglichkeiten verweigere, gelte als technikfeindlich und ihn umwehe ein „Mief des Gestrigen“. Ethische, anthropologische und damit sehr tiefsitzende Dinge sind aber nach Quantes Meinung ein schützenswertes Gut und damit höher gestellt.

„Würde ein Gesetz das Informationsrecht der Kinder einschränken und den Schutz der Anonymität der Spender höher hängen, würde ich sehr genau gucken wollen, welche Argumente dafür ins Feld geführt werden. Es mag sinnvolle Einzelfälle geben, aber die möchte ich mir zuerst anschauen“, sagte Quante. (Carsten Linnhoff, dpa)

Mit freundlicher Genehmigung der dpa