„Kranke Ehre?“

Neues Buch zu Selbsttötungen Adeliger im Übergang von Frühneuzeit zur Moderne

Buchcover „Kranke Ehre? Adlige Selbsttötung im Übergang zur Moderne“

Buchcover

Mit Selbsttötungen Adeliger im Übergang von Frühneuzeit zur Moderne befasst sich ein neues Buch aus dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“. Bei der Arbeit, die im Oldenbourg Verlag erschienen ist, handelt es sich um die Dissertation von Historiker Dr. Florian Kühnel. Er hat die Studie mit dem Titel „Kranke Ehre? Adlige Selbsttötung im Übergang zur Moderne“ an der Graduiertenschule des Exzellenzclusters erarbeitet und dazu Suizide im Adel des 18. und frühen 19. Jahrhunderts erforscht, insbesondere in Abschiedsbriefen von Verstorbenen. Die Untersuchung zeigt, dass es die Selbsttötung zur Wiederherstellung der verlorenen Ehre unter Adligen des 18. Jahrhunderts entgegen gängiger Vorstellung nicht gab. „Aristokraten konnten ihre verlorene Ehre entgegen verbreiteter Auffassung nicht durch Suizid zurückgewinnen. Die Selbsttötung galt auch unter ihnen als Sünde“, erläutert der Historiker.

Die Geschichtswissenschaft habe lange ein heldenhaftes Bild von Selbsttötungen im Namen der Ehre gezeichnet, so der Autor. Das beruht nach seinen Worten auf einem Missverständnis: „Die Idee des heroischen Suizids geht zurück auf ein antikes Ethos. Adlige griffen im 18. Jahrhundert gern rhetorisch darauf zurück, um ihre edle Geisteshaltung zu beweisen. Dabei handelte es sich aber um reine Selbstinszenierung.“ Dass solche Inszenierungen von tatsächlichen Motiven zu unterscheiden seien, habe die Forschung bislang nicht berücksichtigt, erläutert der Historiker. „Der Suizid stellte nicht die Ehre wieder her, er vergrößerte vielmehr die Schande.“

Selbst Friedrich der Große habe zwar regelmäßig von Suizid gesprochen. Der König schloss damit laut Kühnel an eine stoische Gesinnung antiker Vorbilder an und stellte sich mit den Helden auf eine Stufe. „Mit der Berufung auf seine adlige Ehre setzte er sein Selbstverständnis als Herrscher nach antikem Ideal in Szene. Ein Suizid kam für ihn aber wohl nie in Frage.“

Dr. Florian Kühnel war bis 2011 Doktorand der Graduiertenschule des Exzellenzclusters. Seitdem ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Er forscht im DFG-Projekt „Die diplomatische persona im politischen Ritual: Westeuropäische Gesandtschaftsberichte aus dem Osmanischen Reich“. (han/vvm)


Hinweis: Florian Kühnel, Kranke Ehre? Adlige Selbsttötung im Übergang zur Moderne, München: Oldenbourg Verlag, 2013, ISBN: 978-3-486-72341-0, 376 Seiten, 44,80 Euro.

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