„Kirchen sollten Privilegien abgeben“

Katholischer Theologe empfiehlt Überprüfung von Kirchensteuern und Dotationen

Daniel-bogner

Dr. habil. Daniel Bogner

Die christlichen Großkirchen sollten nach Auffassung des katholischen Theologen Dr. habil. Daniel Bogner vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster dringend darüber nachdenken, Privilegien abzugeben. „Das Recht auf Kirchensteuern, Körperschaftsstatus und Dotationen, die öffentlichen Zuwendungen an die Kirchen, sind zwar komfortable Rahmenbedingungen“, sagte der Sozialethiker am Freitag in Münster. „Theologisch notwendig ist ein solcher staatskirchlicher Ballast aber nicht.“ Vielmehr mache er die Kirchen zu einem schwerfälligen Apparat und hindere sie zuweilen daran, ihren Auftrag zu erfüllen, in der Gesellschaft „Zeugnis für Gottes Gerechtigkeit“ zu geben.

Das gewachsene System angestammter Vorrechte solle zwar nicht „Hals über Kopf“ verlassen werden, es sei aber an der Zeit, es mit Umsicht zu überdenken und alternative Finanzierungskonzepte zu entwickeln, so der Forscher. Es gehe um erste Schritte auf einem Weg in ein mittelfristig verändertes Staat-Kirche-Verhältnis. Wenn das gelinge, würden die Kirchen auch in einer zunehmend säkularen Gesellschaft weniger als „Lobbyisten in eigener Sache“ wahrgenommen, die von „historischem Platzvorteil“ profitierten. „Es wäre eine Chance auf mehr Akzeptanz der Religionsgemeinschaften, auch jenseits des eigenen Milieus.“

News-buchcover-freiheit-gleichheit-religion

Buchcover „Freiheit – Gleichheit – Religion. Orientierungen moderner Religionspolitik“

Bogner legte damit Einschätzungen aus seinem Beitrag in dem Buch „Freiheit – Gleichheit – Religion“ dar, das er mit Sozialethikerin Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins vom Exzellenzcluster im Ergon-Verlag Würzburg herausgegeben hat. Theologen, Rechts- und Politikwissenschaftler des Exzellenzclusters und anderer Einrichtungen analysieren darin aktuelle Fragen der Religionspolitik und des Religionsverfassungsrechts.

Dotationen seit der Säkularisation

Bei den Kirchensteuern und den Dotationen, die der Staat seit der Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts an die Kirchen zahlt, handele es sich zwar um rechtliche Ansprüche, und insofern könne nur im übertragenen Sinne von „Privilegien“ gesprochen werden, sagte der Sozialethiker. „Dennoch ist zu prüfen, ob das christliche Zeugnis dadurch nicht beeinträchtigt wird und ob nicht theologisch davon abzuraten ist, auf den angestammten Rechten zu beharren.“ Die Argumentation vieler Kirchenvertreter, dass auch andere Religionsgemeinschaften von solchen Instrumenten profitieren könnten, sei zu kurz gegriffen. Damit werde nicht die Frage beantwortet, ob diese Mittel auch für den selbst zu vertretenden Glauben notwendig und hilfreich seien.

Das gesellschaftliche Engagement der Kirchen sei weiterhin dringend notwendig, hob der Forscher hervor. So sollten sie angesichts der Wirtschafts-und Finanzlage für eine menschliche Steuerung des Kapitalismus eintreten. Der Einsatz für das Gemeinwohl könne aber nicht „aus den bisherigen rechtlich garantierten ‚Logenplätzen‘ der Kirchen“ abgeleitet werden. Vielmehr solle er sich aus der Überzeugungskraft ihres inhaltlichen Programms ergeben, ob der Staat die Gemeinwohl-Aktivitäten ermögliche.

„In der Debatte um Kirchensteuer und Körperschaftsstatus täte es gut, offen zuzugestehen, dass beide Güter keine unmittelbare Folgerung aus dem Respekt vor der Religionsfreiheit sind“, schreibt Bogner in seinem Beitrag. Vielmehr hätten sie ihre Wurzeln in historisch gewachsenen kulturellen Übereinkünften zwischen Staat und Kirchen. „Ein vitales korporatives Gerüst können sich Religionsgemeinschaften auch ohne staatliche Steuereinzugspraxis und Dienstherrenfähigkeit erhalten.“

In dem Sammelband befasst sich Verfassungsrechtler Prof. Dr. Fabian Wittreck mit der Frage, ob das Religionsverfassungsrecht des Staates als Kompass für eine angemessene Religionspolitik dienen könne. Die Politologen Prof. Dr. Ulrich Willems vom Exzellenzcluster und Prof. Dr. Antonius Liedhegener aus Luzern setzen sich mit der Notwendigkeit einer „Neuen Religionspolitik“ auseinander. Die Kirchenreferentin beim SPD-Parteivorstand, Dagmar Mensink, beleuchtet Herausforderungen aufgrund der religiösen Vielfalt der Gesellschaft. Der Erfurter Theologe Tobias Kläden sondiert Konsequenzen, die sich aus der staatskirchenrechtlichen Situation aus Sicht der christlichen Kirchen und deren neuer Diaspora-Situation in Deutschland ergeben. (vvm)

Hinweis: Daniel Bogner, Marianne Heimbach-Steins (Hg.), „Freiheit – Gleichheit – Religion. Orientierungen moderner Religionspolitik“, Würzburg: Ergon-Verlag 2012. ISBN 978-3-89913-935-8. 284 Seiten, 44 Euro.