„Papstbesuch bringt der katholischen Kirche Nutzen“

Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack erwartet keine Massenproteste in Deutschland

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Prof. Dr. Detlef Pollack

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Der Besuch von Papst Benedikt XVI. in Deutschland wird nach Einschätzung des Münsteraner Religionssoziologen Prof. Dr. Detlef Pollack keine Massenproteste wie beim Weltjugendtag in Madrid hervorrufen. „Die Gruppe der Papst-Gegner in Deutschland ist klein und ungleichartig zusammengesetzt. Die Kritiker verfolgen unterschiedliche Interessen und werden keine breiten Bevölkerungskreise mobilisieren können“, sagte der Experte des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Uni Münster am Donnerstag. „Es wird allenfalls kleinere moderate Proteste geben.“

Die Ankündigung von Bundestagsabgeordneten, der Papstrede im Parlament fernzubleiben, hat den Experten nicht überrascht: „Politiker, die für eine Trennung von Kirche und Staat eintreten, gibt es in der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren, vor allem in der SPD und FDP.“ Die laizistische Richtung sei aber schwach. Auch aus katholischen Reihen werde Kritik nur vorsichtig formuliert, obwohl viele Kirchenmitglieder die Haltung des Papstes zu Pflichtzölibat, Sexualmoral, Homo-Ehe, Gleichberechtigung von Frauen, Ökumene und Staat-Kirche-Verhältnis ablehnten. „Katholiken wissen schon jetzt, dass alles beim Alten bleiben wird – auch bei der Ablehnung des gemeinsamen Abendmahls von Katholiken und Protestanten“, so der Forscher. „Die Haltung des Papstes ist vollkommen klar.“

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Der Papstbesuch wird der katholischen Kirche in Deutschland laut Prof. Pollack insgesamt Nutzen bringen. „Das Bild von Benedikt XVI. ist hier zu Lande inzwischen so schlecht, dass er mit seinem Besuch nur gewinnen und sein Image aufbessern kann. Die Menschen werden ihm einen freundlichen, aber eher zurückhaltenden Empfang bereiten.“ Die anfängliche Papst-Begeisterung nach der Amtseinführung im Jahr 2005 sei verflogen, sagte Prof. Pollack. „Die deutsche Bevölkerung hat generell wenig Interesse an der Institution Kirche und nur wenig Vertrauen in sie. Damit bleibt auch das Interesse gering, sie zu kritisieren.“

Größere Sichtbarkeit der Kirche in Medien und Öffentlichkeit

Dass vor dem diesjährigen Papstbesuch – im Unterschied zum Weltjugendtag 2005 in Köln – überhaupt Kritik aus Politik und Bevölkerung zu hören sei, habe mit einer größeren Sichtbarkeit der Kirche in Medien und Öffentlichkeit zu tun. „Diese Tendenz lässt sich seit zehn Jahren feststellen und hat sich durch den Missbrauchsskandal 2010 verstärkt.“ So gebe es seit einigen Jahren einen schwachen, aber merklichen Anstieg kirchenkritischer Gruppen. „Wenn die Kirche sich stärker der Welt öffnen und die Verkündigung dialogischer anlegen würde, könnte sie viele kritische Katholiken stärker an sich binden.“

Der Religionssoziologe hält es für unwahrscheinlich, dass der Papstbesuch viele Menschen zum katholischen Glauben zurückbringen wird. „Nach derlei Großveranstaltungen tritt erfahrungsgemäß kaum jemand wieder in die Kirche ein. Solche Events dienen vor allem denjenigen Katholiken als Bestätigung, die bereits eng mit ihrer Kirche verbunden sind.“ Nach Angaben des Soziologen sind etwa 30 Prozent der deutschen Bevölkerung katholisch, je 30 Prozent evangelisch und konfessionslos, zehn Prozent verteilen sich auf die übrigen Religionsgemeinschaft wie Islam und Judentum. Die Mitgliederzahlen der großen christlichen Kirchen gehen seit Jahren kontinuierlich zurück. (han/vvm)