Von der Keilschrift zum Internet

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt über den Einfluss von neuen Medien

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„Jedes neue Medium verändert den individuellen Lebensentwurf seines Nutzers.“ Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt sprach in Münster über Konstanten der Medienevolution.

Die Medien haben das Weltbild der Menschen nach den Worten von Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt seit der Antike bis heute immer stark geprägt. Wenn eine neue Technologie Erfolg gehabt habe, sei ihr Einfluss stets enorm gewesen. „Filme prägten mitunter ganze Weltbilder, das Radio strukturierte die Zeit“, sagte der Wissenschaftler in einer Veranstaltung am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster. Noch kein Medium habe das vorherige vollständig ersetzt. „Aber jedes verändert den individuellen Lebensentwurf seines Nutzers, dessen Arbeit, Freizeit und Konsum.“

Befürworter von neuen Medien hätten sich von diesen seit jeher eine größere Teilhabe der Menschen an Wissen und gesellschaftlichen Entscheidungen erhofft, so Schmidt. „Kritiker sahen dagegen stets eine Gefahr für die Gesellschaft, das Individuum oder die bisherigen Medien.“ Der Wissenschaftler stellte in seinem Vortrag wiederkehrende Phänomene der Mediengeschichte vor.

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Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt mit Tim Karis, Kathrin Nieder und Felix Krämer vom Organisationsteam der Tagung (v.r.)

Demokratieversprechen und Kommerz

Jede neue Technologie zur Informationsverbreitung fordert dem Experten zufolge eine Disziplinierung der Leser, Zuschauer oder Zuhörer. Ob Buchdruck, Fotografie, Hörfunk, Telefon oder Fernsehen: Alle Medien hätten die Wahrnehmung ihrer Nutzer diszipliniert, also zum Erlernen neuer Nutzungsweisen geführt. Als weitere Konstanten der Mediengeschichte nannte Schmidt das Versprechen von Demokratie, eine Entkopplung von Kommunikation und Lebenswelt sowie die Kommerzialisierung. „Angeboten wird, was sich rechnet“, fasste der Wissenschaftler zusammen.

Als Beispiel für die Veränderung der Mediennutzung nannte der Kommunikationswissenschaftler die Verschriftlichung von Sprache, die sich im Buchdruck fortsetzte. „An die Stelle der mündlichen Überlieferung, etwa des Vorlesens in Gemeinschaft, trat nun die Introspektion, das stille Lesen für sich alleine.“ Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt ist seit den 1990er Jahren ein wichtiger Vertreter des Radikalen Konstruktivismus. Sein Vortrag „Medien und die Disziplinierung der Wahrnehmung“ war Teil einer Fachtagung am Exzellenzcluster, die Medienphänomene von der Antike bis zur Gegenwart untersucht hat. (bhe/vvm)