„Nachfrage nach Islamic Finance steigt seit der Krise“

Experten mahnen Klärung rechtlicher Fragen für wachsenden Finanzsektor an

Pm Tagung Islamic Banking 1

Prof. Dr. Matthias Casper (2.v.r.) diskutierte mit Branchenkennern den Wachstumsmarkt des „Islamic Banking“

Experten erwarten eine stark wachsende Nachfrage nach islamischen Finanzprodukten in Deutschland. Seit der Finanzkrise könne man auch hierzulande vom „Islamic Banking“ lernen, das wegen des koranischen Zinsverbots viele der für die Krise ursächlichen Finanztechniken nicht erlaube, erklärten Fachleute aus Wissenschaft und Wirtschaft auf einer Tagung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) am Bankenstandort Frankfurt. Zur Gründung einer islamischen Vollbank, die ihre Produkte Scharia-konform gestaltet und daher vor allem für die vier Millionen Muslime in Deutschland attraktiv sei, müsse noch der rechtliche Rahmen geschaffen werden, hieß es. In England etwa sei dies bereits gelungen.

Aus Sicht der deutschen Bankenaufsicht BaFin ist es trotz offener aufsichtsrechtlicher Fragen grundsätzlich möglich, islamische Finanzprodukte in Deutschland anzubieten, wie BaFin-Referatsleiter Jürgen Dreymann erläuterte. Aufgrund ihrer weltanschaulichen Neutralität werde die BaFin zwar keine Prüfung der Islamkonformität vornehmen. Wie bei konventionellen Banken werde man aber auf einen tragfähigen Geschäftsplan, Governancestruktur und ein angemessenes Risikomanagement achten. Branchenkenner aus England, Frankreich und Luxemburg betonten, die Diskussion über islamische Anleihen (Sukuk) oder Investmentfonds sei dort schon weiter fortgeschritten als in Deutschland.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) wünscht sich eine stärkere Begleitung islamischer Finanzprodukte durch die deutsche Bankenaufsicht, wie der ZMD-Zertifizierungsbeauftrage Michael Gassner sagte. Auch andere Tagungsteilnehmer mahnten eine zentrale Entscheidungsinstanz bei der Prüfung der Islamkonformität im „Islamic Finance“ an. Bislang werden die Produkte von Sharia-Beiräten in islamischen Banken eingestuft. Dabei mangele es an Transparenz, beklagte Zaid el-Mogaddedi vom Frankfurter „Institute for Islamic Banking and Finance“. Die verschiedenen islamischen Rechtsschulen bewerten nach den Worten der Fachleute einige Finanzprodukte kontrovers. Hintergrund sind die verschiedenen Strömungen im Islam, der eine zentrale Autorität wie den Vatikan in der katholischen Kirche nicht kennt.
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Zuhörer der Tagung in Frankfurt

An der Konferenz im Literaturhaus in Frankfurt nahmen rund 70 Vertreter aus Banken, Wirtschaftsanwälte sowie Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler teil. Veranstalter war Prof. Dr. Matthias Casper vom Institut für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht der Uni Münster, der im Exzellenzcluster das Projekt „Religiös motivierte Geldanlange: Vom Zinsverbot zum Islamic Finance“ verantwortet. Er betonte zum Abschluss, die Wissenschaft müsse die noch vielfältigen Rechtsfragen dieses Finanzsektors im Dialog mit der Praxis analysieren. Der Exzellenzcluster in Münster werde dazu einen Beitrag leisten.


Hintergrund der Tagung ist das islamische Zinsverbot, das so genannte Riba-Verbot. Im Koran steht „Gott hat den Kauf erlaubt und den riba (Wucher) verboten“. Während das kanonische Zinsverbot in den westlichen Volkswirtschaften seit Jahrhunderten nicht mehr berücksichtigt wird, spielt das koranische Zinsverbot weltweit eine wachsende Rolle. Scharia-konforme Finanzprodukte zielen darauf ab, dass kein Zins gezahlt wird, die Bank aber dennoch Gegenleistungen erhält. In den vergangenen 40 Jahren hat sich der Sektor „Islamic Finance“ gebildet, der inzwischen weit über die arabische Welt hinausgeht. (vvm)