Gestaltungsprinzipien für gemeinsame Lernsituationen im inklusiven Mathematikunterricht der Grundschule

Inklusiver Mathematikunterricht stellt aktuelle und zukünftige Lehrkräfte vor vielfältige Aufgaben. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen fachlichen Lernvoraussetzungen und Lernstände der Schüler*innen stellt das für den fachlichen Lernerfolg besonders bedeutsame von- und miteinander Lernen eine große Herausforderung dar (vgl. Häsel-Weide & Nührenbörger, 2017). Daraus resultiert die Frage, wie die stark heterogenen Lernvoraussetzungen der Schüler*innen für einen fachbezogenen Austausch zusammengebracht werden können, „von dem möglichst alle beteiligten Kinder – anknüpfend an ihren jeweiligen individuellen Entwicklungsstand – profitieren und lernen können“ (Korten, 2018, S. 1051).
Im Fachprojekt „Mathematik“ liegt der thematische Schwerpunkt daher auf dem Umgang mit lernbezogener Heterogenität in gemeinsamen mathematischen Lernsituationen. Ziel ist es, mittels des Einsatzes und der Analyse von Unterrichtsvideos die Wahrnehmung der Studierenden hinsichtlich möglicher Lernchancen und Hürden beim gemeinsamen Lernen im inklusiven Mathematikunterricht der Grundschule zu sensibilisieren und die Entwicklung zielführender Handlungsoptionen zu fördern.
Dabei orientieren wir uns am Kompetenzmodell zum professionellen Wahrnehmen und Handeln im Unterricht nach Barth (2017), welches die Facetten Wissensaneignung, Erkennen und Beurteilen der relevanten Merkmale sowie die Entwicklung und Reflexion von und über Handlungsalternativen umfasst. Als Analysegrundlage, um in gemeinsamen Lernsituationen Lernchancen und Hürden zu identifizieren und Handlungsmöglichkeiten abzuleiten, dienen im Projekt verschiedene Kriterien: u. a. Gemeinsame Aufgabe, Darstellungswechsel, kooperatives Lernen. Diese bilden die Grundlage für erfolgreiches gemeinsames Lernen im inklusiven Mathematikunterricht und lassen sich in konkrete Design-Elemente für die Gestaltung gemeinsamer Lernumgebungen ausdifferenzieren.
Als erster Arbeitsschritt des Fachprojekts wurde basierend auf den zentralen Gestaltungsprinzipien ein ausdifferenziertes theorie- und forschungsbasiertes Kategoriensystem zu lernförderlichen Gestaltungs- und Design-Prinzipien für den gemeinsamen inklusiven Mathematikunterricht entwickelt. Im zweiten Teil sind Videoaufzeichnungen zu gemeinsamen Lernsituationen im inklusiven Mathematikunterricht erstellt und solche Szenen ausgewählt worden, die sich zur Sensibilisierung der Studierenden eignen und Diskussionen über Handlungsmöglichkeiten bieten. Der dritte und zentrale Teil des Fachprojekts beschäftigt sich mit der Weiterentwicklung, Durchführung und Evaluation des Seminars „Spezielle Fragen des inklusiven Mathematikunterrichts: Inklusiver Mathematikunterricht in der Grundschule“ für das Masterstudium. In diesem Seminar soll durch den Einsatz der erstellten Videovignetten die professionelle Wahrnehmung der Studierenden hinsichtlich spezieller Lernchancen und Hürden in gemeinsamen Lernsituationen im Mathematikunterricht geschult werden. Aufbauend darauf werden gemeinsam mit den Studierenden Handlungsoptionen für die jeweiligen Unterrichtssituationen entwickelt.
Die Evaluation des Einzelprojekts wird in einem Prä-Post-Vergleichsgruppendesign durchgeführt: Zu Beginn und am Ende des Seminars wird die professionelle Wahrnehmung der Studierenden mit offenen Analyseaufgaben zu Videovignetten gemessen.

© DwD-Uni MS

Mitarbeiterinnen des Einzelprojekts „Mathematik“ sind von links nach rechts:

Franziska Tilke (wissenschaftliche Mitarbeiterin, promoviert zu Design-Prinzipien für den inklusiven Mathematikunterricht mit dem Fokus auf die Heterogenität im Lernen);
Prof. Dr. Karina Höveler (Professorin für Mathematikdidaktik mit dem Schwerpunkt Primarstufe und einem besonderen Forschungsfokus im Bereich des inklusiven Mathematikunterrichts);
Heike Buddenberg und Myriam Hermanns (Sonderpädagoginnen mit mehrjähriger Unterrichtserfahrung im inklusiven Mathematikunterricht; Heike Buddenberg promoviert im Rahmen des QLB-Projektes zur Entwicklung der professionellen Wahrnehmung von Studierenden zur Gestaltung gemeinsamer Lernsituationen im Mathematikunterricht, Myriam Hermanns promoviert zu Design-Prinzipien für den inklusiven Mathematikunterricht mit einem Fokus auf die emotionale und soziale Entwicklung).

Literatur
Barth, V. L. (2017). Professionelle Wahrnehmung von Störungen im Unterricht. Wiesbaden: Springer.
Häsel-Weide, U. & Nührenbörger, M. (2017). Grundzüge des inklusiven Mathematikunterrichts. Mit allen Kindern rechnen. In U. Häsel-Weide & M. Nührenbörger (Hrsg.), Gemeinsam Mathematik lernen – mit allen Kindern rechnen (S. 8-21). Frankfurt am Main: Grundschulverband e.V.
Korten, L. (2018). Gemeinsam individuell Lernen: Zieldifferente Förderung flexibler Rechenkompetenzen im inklusiven Mathematikunterricht – Herausforderung und Chance. In Fachgruppe Didaktik der Mathematik der Universität Paderborn (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht 2018 (S. 1051–1054). Abgerufen von https://eldorado.tu-dortmund.de/handle/2003/37479