Realistische Ideologien. Wirklichkeitsdarstellung in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur

Das Projekt untersucht die ideologischen Dimensionen des Realismus in der neuesten deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit ca. 2010. Realistische Schreibverfahren, so der Ausgangspunkt, bilden nicht neutral Wirklichkeit ab, sondern transportieren spezifische naturalisierte Realitätskonzeptionen und Wirklichkeitsannahmen – „realistische Ideologien“. Auf strukturlinguistischer Basis verknüpft die Arbeit semiotische, psychoanalytische und kulturtheoretische Ansätze, um einen analytischen Ideologiebegriff an einen strukturell präzisen Realismusbegriff anzuschließen. In expliziter Auseinandersetzung mit den systemischen Krisen der Gegenwart, etwa ökonomischer Ungleichheit oder der ökologischen Katastrophe, fragt sie nach den emanzipatorischen bzw. konsolidierenden Effekten der einzelnen Texte und ordnet diese stabilisierenden, destabilisierenden und ambivalenten Formen des Realismus zu. Durch die Verbindung von semiotischer Verfahrensanalyse und Close-Reading-Verfahren sollen in exemplarischen Mikroanalysen die latenten Sinnstrukturen realistischer Texte und das Potenzial realistischer Darstellung für gesellschaftliche Krisenbearbeitung offengelegt werden. Die Untersuchung leistet einen Beitrag zum Verständnis der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und zur Theorie des literarischen Realismus. Sie erweitert die Literaturtheorie um eine kritisch-hermeneutische Perspektive auf das Verhältnis von literarischen Darstellungsverfahren und gesellschaftlichen Krisenphänomenen.
Betreuer: Prof. Dr. Moritz Baßler
Kontakt