Allgemeines Physikalisches Kolloquium im Wintersemester 2010/2011
Ort:    48149 Münster, Wilhelm-Klemm-Str. 10, IG I, HS 2,
Zeit:    Donnerstag, 19.05.2011 16:00 Uhr c.t.
Kolloquiums-Kaffee ab 15:45 Uhr vor dem Hörsaal

Phasenwechselmaterialien:
Auf dem Weg zum universellen Datenspeicher?

M. Wuttig, I. Physikalisches Insitut (IA), RWTH Aachen, 52056 Aachen, Germany

Phasenwechselmedien gehören zu den vielversprechendsten Materialien in der Informationstechnologie. Sie werden bereits in der wiederbeschreibbaren optischen Datenspeicherung eingesetzt, in der die ausgeprägte Änderung der optischen Eigenschaften zwischen der amorphen und kristallinen Phase ausgenutzt wird.  Diese ungewöhnliche Materialklasse ist zudem Grundlage eines Speicherkonzeptes, um Flashspeicher, die in Handys und Digitalkameras eingesetzt werden, zu ersetzen.

Bisher wurden die Materialien für die unterschiedlichen Anwendungen jeweils mit empirischen Konzepten optimiert. Wir haben uns daher das Ziel gesetzt, eine alternative Strategie zu entwickeln, die auf einem grundlegenden Materialverständnis basiert. Diese Untersuchungen zeigen, dass die amorphe Phase die Koordination und die Eigenschaften eines ‚gewöhnlichen’ kovalenten Systems aufweist, während die kristalline Phase durch eine besondere Version der kovalenten Bindung, durch eine Resonanzbindung, charakterisiert ist [1]. Dieses Bindungskonzept liefert ein intuitives Verständnis der beobachteten Materialeigenschaften, wie die oktaedrische Nahordnung oder die Zunahme der elektronischen Polarisation bei Kristallisation. Um den Beitrag der Resonanzbindung zu quantifizieren und Stöchiometrietrends vorherzusagen, wurden die Proben sowohl mit spektroskopischen Methoden als auch mit Dichtefunktionaltheorie untersucht [2]. Diese Studien erlauben die Entwicklung einer ersten Karte für Phasenwechselmaterialien, die zeigt, dass geeignete Materialien eine wohldefinierte Struktur und ungewöhnliche Eigenschaften aufweisen. Damit ist es uns gelungen, ein Speichermaterial zu identifizieren, das die besten Eigenschaften der heute eingesetzten elektronischen Datenspeicher kombiniert.

Phasenwechselmaterialien bieten nicht nur attraktive Möglichkeiten neuartige Speicher zu realisieren. Sie stellen auch einen ungewöhnlichen Quantenzustand dar, der eine für kristalline Festkörper bemerkenswert hohe Unordnung aufweist. Dies führt zu besonderen Transporteigen-schaften und ausgeprägten Lokalisierungsphänomenen [3].

[1] K. Shportko et al., Nature Materials 7, 653 (2008)
[2] D. Lencer et al., Nature Materials 7, 972 (2008)
[3] T. Siegrist et al., Nature Materials 10, 202 (2011)

Einladender: Prof. Dr. G. Schmitz

Im Auftrag der Hochschullehrer des Fachbereichs Physik

Prof. Dr. C. Weinheimer