Forschung in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. C. Weinheimer

Die AG Weinheimer interessiert sich für fundamentale astroteilchen- und teilchenphysikalische Fragen, wie z.B. wie schwer sind die neben Photonen häufigsten Teilchen des Universum, die Neutrinos. Gibt es sterile Neutrinos oder sind Neutrinos identisch zu ihren Antiteilchen? Oder was ist die Natur der Dunklen Materie, die im Universum eine 5-mal höhere Massendichte ausweist als die normale uns bekannte Materie? Dazu sind wir maßgeblich bei den beiden führenden Forschungsprojekten der Teilchen- und Astroteilchenphysik KATRIN und XENON beteiligt. Weiterhin wenden wir unsere experimentellen Techniken in zwei Bereichen der Atom- und Medizinphysik an.

Zu allen Themen werden Bachelor- Master- und Doktorarbeiten im Bereich Datenanalyse und Simulationen sowie zu Messungen am Experiment und zu Hardwareentwicklungen vergeben.

Die Forschung der Gruppe wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und durch die Universität Münster finanziert. Weitere Unterstützung kommt durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) sowie durch das Interfaculty Centre Cells in Motion CiM.

Bestimmung der Neutrinomasse mit KATRIN

KATRIN-Hauptspektrometer mit dem Münsteraner Drahtelektrodensystem
© M. Zacher

Die internationale KATRIN-Kollaboration aus 20 Instituten betreibt am Karlruher Institut für Technologie (KIT) das KATRIN-Experiment, das weltweit führende Experiment zur direkten Bestimmung der Neutrinomasse. Unsere Münsteraner Gruppe ist einer der beiden größten Gruppe außerhalb Karlsruhes. Wir tragen dabei die Verantwortung für mehrere Experimentkomponenten (z.B. das Präzisionshochspannungssystem, das 690 m2 große Elektrodensystem im Hauptspektrometer, zwei spezielle Elektronenkalibrationsquellen). Weiterhin verantworten wir wichtige Teile der Datenanalyse. Zur Zeit sind die Hauptprojekte der Münsteraner Arbeitsgruppe die Reduktion einiger wichtiger systematischer Unsicherheiten durch Messungen und Datenanalysen sowie die Reduktion des Untergrunds durch die Methode der „Shifted Analysis Plane“ und in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. W. Pernice aus der Nanophysik die Entwicklung eines neuartigen Detektors („aTEF“), der auf die Transversalenergie der Elektronen empfindlich ist.

Direkte Suche nach Dunkler Materie mit XENONnT und DARWIN/XLZD

XENONnT-Experiment im italienischen Untergrundlabor LNGS
© H. Schulze Eißing

Wie schon das weltführende Vorgängerexperiment XENONT1T befindet sich das gerade angelaufene Experiment zur direkten Suche nach Dunkle Materie XENONnT im italienischen Untergrundlabor LNGS in den Abruzzen. In der internationale XENON-Kollaboration hat unsere Münsteraner Gruppe die Verantwortung für die kryogene Destillation des Edelgases Xenon übernommen, welches das aktive Dunkle Materie-Target der Zweiphasen-Xenon-TPC bildet. Wir haben dazu zwei einzigartige Anlagen entwickelt, die geringste Verunreinigungen durch die radioaktiven Edelgase Kr-85 und Rn-222 aus den 8,5 Tonnen Xenon des Experiments entfernen. In unserem großen Xenon-Labor betreiben wir eine kleine Kopie des XENONnT-Detektors und entwickeln verschiedene Technologien und Komponenten für das Zukunftsprojekt DARWIN/XLZD im Rahmen des ERC Advanced Grant Projekts LowRad. Der nochmals um eine Größenordnung empfindlichere Detektor DARWIN/XLZD wird nicht nur die Dunkle Materie-Suche hinunter bis zum sogenannten Neutrino Fog ermöglichen, sondern ein Observatorium für viele Suchen nach Physik jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik sein. Unser zweites Standbein bei XENONnT ist die Datenanalyse, bei der wir neben der Suche nach Dunkler Materie auch besonders an Wechselwirkungen von solaren Neutrinos mit Xenonatomen sowie doppelten schwachen Zerfällen der Xenon-Isotope Xe-124 und Xe-136 auch im Hinblick auf die Neutrinomasse interessiert sind.

Photondetektoren und Präzisionshochspannung für Experimente an gespeicherten hochgeladenen Ionen bei GSI/FAIR

Verschiedene Detektoren für den Photonennachweis sehr unterschiedlicher Wellenlänge und Präzisionshochspannungsteiler
© AG Weinheimer

Hochgeladene schwere Ionen bieten sich aufgrund ihrer extrem hohen elektrischen und magnetischen Felder in der Nähe des Atomkerns als einzigartige Experimentierobjekte für die Untersuchungen fundamentaler Wechselwirkungen an. Die SPARC (Stored Particles Atomic Physics Research Collaboration) Kollaboration führt an den Speicherringen des GSI/FAIR Forschungszentrum in Darmstadt unter anderem Laserspektroskopie- und Stoß-Experimente mit solchen hochgeladenen (schweren) Ionen durch. Dafür entwickeln und betreiben wir Photonendetektoren vom weichen Röntgen- bis in den Infrarotbereich an den Speicherringen ESR und CRYRING und zukünftig an SIS100, sowie am Fallenexperiment SPECTRAP. Hierbei kommen Technologien von Halbleiterdetektoren über Photomultiplier bis zu ortsaufgelösten Multi-Channel-Plates (MCP) zum Einsatz. Die für das KATRIN-Experiment entwickelten Präzisionshochspannungsmethoden wenden wir auch bei der Bestimmung der Hochspannung von Elektronenkühlern in Speicherringen zur Definition der Ionenenergie bei Laserspektroskopie- oder zur kurzzeitigen Energieverschiebung von Ionen bei Stoßexperimenten an.

Bold-PET, Entwicklung eines neuartigen, ortsauflösenden Detektors für medizinische Anwendungen (PET)

Reinigungs- und Testanlage für das BOLD-PET-Projekt
© S. Peters

Das neuartige Detektorkonzept „CALIPSO“ für die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), basierend auf der organo-metallischen Verbindung Trimethyl-Bismuth (TMBi) als Detektionsmaterial, wurde von einer Arbeitsgruppe des französischen Forschungszentrum CEA/Saclay vorgeschlagen. Die transparente Flüssigkeit mit dem Metall Bismuth als zentralem Element erlaubt eine effiziente Umwandlung von den in PET Scannern erzeugten 511 keV Annihilationsphotonen in Photoelektronen. Diese erzeugen einerseits Cherenkov-Photonen, die in schnellen Multi-Anode-Photomultiplier ein präzises Zeitsignal erlauben. Andererseits werden in der Wechselwirkung der Elektronen mit dem Material freie Ladungsträger erzeugt, welche über ein angelegtes elektrisches Feld getrennt und mit Hilfe einer pixelierten Anode ortsaufgelöst nachgewiesen werden sollen. Zusammen mit der Arbeitsgruppe von Prof. K. Schäfers aus dem European Institute for Molecular Imaging (EIMI) der Universität Münster und den französischen Kolleg*innen aus CEA/Saclay entwickeln wir einen ortsauflösenden Driftdetektor für solche organo-metallische Verbindungen und untersuchen verschiedene Reinigungsverfahren, um das TMBi so stark von elektronegativen Verunreinigungen zu reinigen, dass im Detektormedium entstehenden Elektronen und Ionen hinreichend verlustfrei gedriftet und nachgewiesen werden können.