Maaike de Haardt

 

In Memoriam Catharina Halkes

Ansprache anlässlich der Beisetzung von Catharina Halkes in Nimwegen am 27. April 2011

 

Catharina Halkes, Tine Halkes oder einfach nur Tine. Für viele ein Name, eine Frau, ein Leben. Und was für eine Frau und was für ein Leben. Jahrelang unermüdliche Vorreiterin auf dem Gebiet von Frauen und Kirche und der feministischen Theologie. In ihrer Funktion – unter anderem als Vorsitzende der „Bredase Katholiek Vrouwengilde“, des „Katholiek Vrouwendispuut“ und der dringend notwendigen Arbeitsgruppen „Vrouw en Kerk“ – brachte sie, auch und gerade im ökumenischen und internationalen Kontext, ihre Erkenntnisse zu den notwendigen und überfälligen Veränderungen in den Kirchen zur Sprache; dies war einerseits erwünscht, andererseits vermutlich vor allem ebenso unerwünscht. Bereits 1964 erschien hierzu ihr Buch „Storm na de stilte“ (Sturm nach der Stille), das die Position der Frau in der Kirche thematisiert. Zunehmend wurde ihr bewusst, dass sich nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Theologie etwas Grundlegendes ändern musste. 1974 machte Tine, als sie selbst bereits schon über fünfzig war, die feministische Theologie in der akademischen Welt der Niederlande hoffähig. Die Etablierung dieses Fachgebietes sowohl an der Nimwegener Fakultät als auch auf nationaler und internationaler Ebene machte sie zu ihrem weiteren Lebenswerk. Dieser Einsatz wurde mit einer Ehrendoktorwürde in Yale und schließlich auch mit der Berufung auf den Lehrstuhl „Feminisme en Christendom“ im Jahre 1983 belohnt und gekrönt. Gemeinsam mit Fokkelien van Dijk hat sie die Anfänge des niederländischen Theologinnennetzwerks IWFT begleitet; sie war Mitbegründerin des „Oecumenisch Forum van Europese Christen Vrouwen“ und an der Gründung der „European Society for Women in Theological Research“ (ESWTR) beteiligt. Sie war in der Hochschullehre aktiv, hat unzählige Vorträge im In- und Ausland gehalten, Artikel und Bücher geschrieben und war, lange bevor es dieses Wort gab, eine Netzwerkerin pur sang. Und dies alles in Tines ganz eigenem Stil, mit der ihr ganz eigenen Würde.

Ihre Emeritierung im Jahre 1986 kam, dermaßen auf dem Höhepunkt ihrer feministisch-theologischen Karriere, eigentlich zu früh. Aber auch nach ihrer Emeritierung nahm Tine Anteil und blieb aktiv. Sie hielt weiterhin Vorträge, publizierte und pflegte ihr umfangreiches Netzwerk intensiv.

Ihr Antrieb war Emanzipation, das Ziel Gerechtigkeit, und das Fundament bildete ein sich mit den Jahren wandelnder, aber nichtsdestoweniger unerschütterlicher Glaube an Gott. Grenzenlose Tatkraft, Humor, herzliche Anteilnahme, Wärme und Verbundenheit, intelligent, kreativ, entschlossen und durchgreifend – so haben wir sie gekannt. Tine Halkes war für viele jahrelang das Gesicht der feministisch-theologischen Niederlande – dieses abseitigen, vielen zufolge engen und gefährlichen Fachgebiets, denn Emanzipation und Glaube ließen sich angeblich nicht miteinander vereinbaren. Diese Ungereimtheit führte bei Tine zu einem kreativen und grundlegenden Neu-Denken, zu einer neuen Darstellung und zu einem neuen Feiern der selbstverständlich gewordenen, erstarrten und patriarchalen christlichen Tradition. Sie provozierte hiermit Hohn, Wut und Ärger. Für die einen zu kirchlich und angepasst, für die anderen zu radikal und heterodox, für Unzählige jedoch war sie jemand, der ihnen die Augen geöffnet hat; für sie war sie in Wort, Tat und Person Anker, Leitfigur und Quelle der Inspiration. Auch die Reaktionen der ersten Tage nach Tines Tod am Karfreitag haben mir wieder vor Augen geführt, dass Tine viele Frauen und Männer in Bewegung gebracht und Lebensläufe im positiven Sinne verändert hat, und zwar sowohl in intellektueller als auch in spiritueller Hinsicht. In unserer Zeit ist ein derartiger Einfluss oft nur noch schwer vorstellbar. Möglicherweise war auch gerade dies ein Charakteristikum jener gesellschaftlich, kirchlich und auch theologisch turbulenten Epoche voller Neuerungen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Tines Werk und Person haben viele dieser erneuernden Impulse auf einzigartige Weise auf sich vereinigt. Denn sie gefielen ihr, diese Entwicklungen; sie gaben ihr einen Rahmen und forderten sie heraus, ihr Engagement, ihre Erkenntnisse und ihre Kreativität zu entfalten: prominent, als Pionierin, Grenzen überschreitend.

Tines Theologie erreichte viele im Kopf und im Herzen, und zwar wegen ihres kritischen Potentials und zugleich wegen ihrer nicht nachlassenden Verbundenheit mit der Kirche, die ihr trotz allem am Herzen lag. Ihre zentralen Themen  – Gott und Mensch, Schöpfung und Natur, Maria und nicht zu vergessen der Heilige Geist – waren in Schrift und Tradition verwurzelt, und sie erkundete in diesen Bereichen andere Wege. Ich denke, dass Tines größte Stärke und Verdienst darin lagen, auf diese Weise eine neue Perspektive zu eröffnen. Sie wies nicht nur ihrer Generation, sondern auch denjenigen, die nach ihr kamen, in intellektueller und spiritueller Hinsicht einen Weg, der den Freiraum bot, wiederum eigene theologische und religiöse Wege zu gehen. Dass wir diesen Freiraum als Selbstverständlichkeit ansahen, war für sie nicht immer einfach, aber ihre Freundschaft, Anteilnahme und Weisheit haben darunter nicht gelitten.

Tine hat einmal gesagt: „Gott ist tatsächlich die Liebe, ein Netzwerk von Beziehungen, in dem wir uns bewegen, in dem wir leben und sind.“ Es handelt sich hier um eine Abwandlung von Kapitel 17 der Apostelgeschichte, und dort von der ersten Vershälfte in Apg 17,28. Vielleicht ist dies der einzige Bibeltext, auf den nahezu jeder auf dem äußerst vielseitigen Gebiet der Feministischen Theologie irgendwann einmal Bezug nimmt. Lassen Sie mich im Vertrauen auf diesen Gott mit einer Ergänzung zu Tines Text schließen: „Gott ist die Liebe, ein Netzwerk von Beziehungen, in dem wir uns bewegen, in dem wir leben und sind, in dem wir sterben und auferstehen dürfen.“

 

Übersetzung aus dem Niederländischen: Andrea Spans

 

Prof. Dr. Maaike de Haardt ist Inhaberin des Lehrstuhl „Feminisme en Christendom“ in Nimwegen und damit Nachfolgerin von Catharina Halkes.

Quelle: schlangenbrut. zeitschrift für feministisch und religiös interessierte frauen, Nr. 113/114 (Juni 2011). Informationen zur Zeitschrift unter:www.schlangenbrut.de