Ein Radiosender für Ernesto junior

Prof. Heimbach-Steins besucht mit Caritas international Inklusionsprojekt in Peru
Ernesto sen. in seiner Radiostation
Ernesto sen. in seiner Radiostation
© Julia Gaschik

Münster/Arequipa – In einem Vorort von Arequipa betreibt Ernesto einen winzigen Radiosender. Die Reichweite ist nicht groß, die Wirkung für seinen 14 Jahre alten, geistig beeinträchtigten Sohn Ernesto junior schon. „Am Mikrophon motiviert er seinen Sohn zu einer deutlichen Aussprache“, berichtete Marianne Heimbach-Steins, Professorin am Institut für christliche Sozialwissenschaften in Münster. Sie hat die Familie gerade im Rahmen einer Dialogreise mit Caritas international nach Peru getroffen.

Dass Ernesto und seine Frau Maximiliana die Bedürfnisse ihres Sohnes so im Blick haben, ist auch einem Inklusionsprojekt der Caritas im Großraum Arequipa zu verdanken. Zwei hauptberuflich Mitarbeitende und viele Freiwillige betreuen rund 140 Familien mit behinderten Kindern. Auch Ernesto junior wird einmal wöchentlich besucht. Eine freiwillige Helferin stellt mit ihm einen Tagesplan zusammen, überlegt, welche Aufgaben er selbst übernehmen kann und übt mit ihm den Schulweg. Zugleich unterstützt sie aber auch seine sieben Jahre alte Schwester und seine Eltern. Letztere können kaum, beziehungsweise gar nicht lesen und schreiben.

Zu dem von Caritas international und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützten Projekt gehört es auch, Fortbildungen für Eltern von Kindern mit Behinderung anzubieten und sie in Austausch zu bringen. Er freue sich, dabei selbst etwas zu lernen, sagte Ernesto senior. Er habe die Schule nach zwei Jahren abbrechen müssen, um eigenes Geld zu verdienen. „Dieser Bildungshunger des Vaters und sein Bewustsein für die Wichtigkeit von Bildung haben mich tief beeindruckt“, sagte Heimbach-Steins nach dem Besuch.

Ernesto sen. im Gespräch mit Dr. Oliver Müller (Leiter von Caritas International) und Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins
Ernesto sen. im Gespräch mit Dr. Oliver Müller (Leiter von Caritas International) und Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins
© Julia Gaschik

Sie erfuhr in Peru auch, wie die Caritas in den Regionen Arequipa und Tacna 54 Regelschulen auf ihrem Weg zur Inklusion unterstützt, zum Beispiel durch Schulungen des Lehrpersonals. Dass Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen, ist in Peru alles andere als selbstverständlich. Landesweit sind nur 13 Prozent der beeinträchtigten Kinder in Bildungseinrichtungen angemeldet. Vor allem auf dem Land müssen sie oft ohne jegliche Bildung zuhause bleiben. „Es hat sich viel bewegt, doch es bleibt eine große Aufgabe, Eltern, Mitschüler, Lehrer und Behörden für die Bedürfnisse von beeinträchtigten Kindern zu sensibilisieren“, erfuhr Heimbach-Steins.

Im Rahmen der Dialogreise lernten insgesamt elf Entscheidungsträger aus Kirche und Caritas die Arbeit der Caritas in Peru kennen. „Wir sind im Sinne von ‚Caritas für Caritas‘ mit den Menschen, Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen ins Gespräch gekommen und haben voneinander gelernt“, sagte der Leiter von Caritas international, Dr. Oliver Müller. Er begleitete die Dialogreise mit Länderreferent Kilian Linder.
Im Großraum Lima besuchten die Reisenden Projekte für die Opfer der Überschwemmungskatastrophe von 2017 sowie für suchtkranke Menschen und ehemalige Heimkinder. In Madre de Dios, im Amazonasgebiet, erfuhren sie, wie der Regenwald bewahrt und zugleich den Menschen Wege aus der Armut aufgezeigt werden. Auch ein Treffen mit der peruanischen Sozialministerin Liliana La Rosa Huertas stand auf dem Programm.

„Peru ist ein Land der Kontraste“, lautet das Fazit von Marianne Heimbach-Steins. Da ist zunächst die landschaftliche Vielfalt, die von tropischen Regenwäldern im Amazonasgebiet bis zu schneebedeckten Anden reicht. Es gibt im drittgrößten Staat Südamerikas eine familiäre, kleinbäuerliche Landwirtschaft einerseits und die 10-Millionen-Metropole Lima andererseits sowie eine reiche Kultur, in der sich zahlreiche indigene Traditionen, Einflüsse der Kolonialzeit und der globalisierten Moderne mischen. Es gibt aber auch große soziale Unterschiede und Konflikte. Sieben Millionen Peruaner und Peruanerinnen leben unter der nationalen Armutsgrenze. Rund eine Million lebt dauerhaft in Ernährungsunsicherheit. Die Ausbeutung und Zerstörung der Natur, vor allem durch Bergbau und Goldgräberei, sorgen für große Probleme. Staatliche Gesetze, die dem Raubbau Grenzen setzen sollen, werden bisher kaum durchgesetzt, und auch der Sozialstaat erscheint schwach.

„Peru scheint in vielerlei Hinsicht auf einem guten Weg. Aber viele Menschen brauchen unsere Unterstützung“, sagte Heimbach-Steins. Sie hat nach eigenen Worten „neue Erkenntnisse und Inspiration für ihre Arbeit“ mit nach Deutschland genommen.

Weitere Informationen zur Hilfe von Caritas international in Peru hier.

Caritas international, Freiburg,
IBAN: DE88 6602 0500 0202 0202 02,
Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, BIC: BFSWDE33KRL oder  online 

Caritas international ist das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes. Dieser gehört zum weltweiten Netzwerk der Caritas mit 162 nationalen Mitgliedsverbänden.

Ernesto und Maximiliana, Angela (Freiwillige von Caritas Arequipa) und Mitglieder der Dialog-Reise-Gruppe von Caritas International
Ernesto und Maximiliana, Angela (Freiwillige von Caritas Arequipa) und Mitglieder der Dialog-Reise-Gruppe von Caritas International
© Julia Gaschik