Wie modern ist der Katholizismus?

Festakademie aus Anlass des 75. Geburtstags von Prof. Dr. Dr. h.c. Karl Gabriel
Prof. Dr. Dr. h.c. Karl Gabriel
© KFT/Urselmann

Am Dienstag, dem 30. Oktober 2018, wurde Prof. Dr. Dr. h.c. Karl Gabriel, der am 18. September diesen Jahres sein 75. Lebensjahr vollendet hatte, mit einer Festakademie in der Katholisch-Theologischen Fakultät geehrt. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung durch das Institut für Christliche Sozialwissenschaften (ICS) in Kooperation mit dem Centrum für Religion und Moderne (CRM) und dem Exzellenzcluster Religion und Politik der WWU sowie mit Prof. Dr. Christian Spieß, Professor für Christliche Sozialethik an der Privatuniversität Linz (Österreich) als Vertreter der Schülerinnen und Schüler des Jubilars.
In seinem Grußwort dankte Dekan Prof. Dr. Clemens Leonhard dem Jubilar für sein unermüdliches und inspirierendes wissenschaftliches Schaffen und für vielfältige Kooperationen in Lehre und Forschung der Katholisch-Theologischen Fakultät. Mit den Glückwünschen verband er die Hoffnung, Karl Gabriel möge noch lange aktiv am Leben der Fakultät teilnehmen.
Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins, die Nachfolgerin von Karl Gabriel als Direktorin des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften, hob in ihrer Begrüßungsansprache hervor, der Geehrte habe als konsequenter Brückenbauer gewirkt: Brücken habe er zwischen den Ufern von Sozialwissenschaften und Theologie in und für die Katholisch-Theologische Fakultät, aber ebenso zwischen dieser Fakultät und den Nachbarfakultäten ebenso wie zum Exzellenzcluster Religion und Politik und zum Centrum für Religion und Moderne gebaut. Eigens würdigte sie Gabriels Arbeit an der „Übersetzung“ christlich-sozialwissenschaftlicher und -ethischer Forschung in den Raum der katholischen Kirche. Deren aktuelle tiefe Krise belege einmal mehr, wie notwendig eine solche kritische Begleitung der Institution Kirche durch eine kritische christliche Sozialwissenschaft – i.S. von Sozialanalyse und Sozialethik – sei und was eine Kirche versäume, wenn sie versuche, sich deren Instrumente vom Leib zu halten.
Das Thema der Festakademie – „Wie modern ist der Katholizismus?“ – knüpft an die Forschungen zur Christentumssoziologie an, die Karl Gabriel über Jahrzehnte entwickelt hat. Der Festredner des Abends, Prof. Dr. Roman Siebenrock, Leiter des Instituts für Systematische Theologie an der Universität Innsbruck, nahm diese Spur in seinem Vortrag „‘Multiple Moderneʼ als Ort und Auftrag zur Neuentdeckung des Evangeliums. Karl Gabriels Inspirationen für eine ‘Theologie in den Zeichen der Zeitʼ“ auf. In einem ebenso spannenden wie anspruchsvollen Vortrag legte er dar, was er als Dogmatiker aus den Forschungen des Jubilars gelernt und wie dies seine Deutung der Schlüsseltexte des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Religionsfreiheit und zu den nicht-christlichen Religionen und sein Verständnis einer Theologie inspiriert habe, die fähig zum Gespräch mit der modernen Gesellschaft ist.
Im Anschluss an den Vortrag erweiterten drei Kommentare das Spektrum der Antworten auf die Frage nach der Modernität des Katholizismus:
Prof. Dr. Judith Könemann, Inhaberin der Professur für Religionspädagogik, Bildungs- und Genderforschung sowie Sprecherin des Centrums für Religion und Moderne, ging von den aktuellen Erfahrungen der Infragestellung der Wissenschaftsfreiheit der Theologie durch vatikanische Interventionen aus und zeigte vor diesem Hintergrund praktisch-theologische Perspektiven für eine „Verflüssigung des Kirchenkörpers“ und einer neuen Pastoralität auf.
Prof. Dr. Detlef Pollack, Religionssoziologe und Sprecher des Exzellenzclusters Religion und Politik, würdigte das Werk von Karl Gabriel und die langjährige Kooperation mit ihm. Gemäß der Devise, Kritik sei die schönste und ehrlichste Form der Würdigung, entwarf er eine Kritik des Moderne-Begriffs, der Gabriels Forschungen leitet, und versprach, ein säkularisierungstheoretisch verschärftes Verständnis werde das innovative Potential des Konzils noch profilierter würdigen können.
Prof. Dr. Hermann-Josef Große Kracht, Sozialethiker an der Universität Darmstadt und Schüler von Karl Gabriel, skizzierte in historischer Perspektive drei Typen kirchlicher Reaktionen auf die Provokationen der Moderne und warnte mit Blick auf konkrete Erfahrungen gemeindlicher Praxis vor einer vermeintlich modernen Verharmlosung der Botschaft des Christentums.
Nach einer Pause antwortete der Jubilar auf das Gehörte, indem er aus seiner eigenen Biographie heraus konkrete Erfahrungen der Modernisierung – zum Beispiel im kirchlichen Schulwesen – einspielte. Vor allem erläuterte er, dass es der Zustand der Theologie (und vor allem der damaligen „Katholischen Soziallehre“) selbst gewesen sei, der ihn als Student zur Soziologie geführt habe: Erst durch den Weg in die säkulare Gesellschaftswissenschaft sei es ihm möglich gewesen, Verstehensansätze für die Herausforderungen des Christentums und der Kirche in der modernen Gesellschaft zu finden und selbst weiterzuentwickeln. Die lebensgeschichtliche Rückbindung des wissenschaftlichen Werkes von Karl Gabriel öffnete schließlich den Raum für die Fragen des zahlreich erschienenen Publikums.
Nach dem intensiven und facettenreichen Vortragsprogramm mündete die Festakademie in einen Empfang, bei dem persönlicher wie wissenschaftlicher Austausch in zwangloser Begegnung fortgesetzt werden konnte. Langjährige Weggefährten des Jubilars, Kolleginnen und Kollegen, Schülerinnen und Schüler blieben mit Karl Gabriel und untereinander noch lange im Gespräch. Für das leibliche Wohl der Gäste war dank der tatkräftigen Mitwirkung der Teams des ICS und des CRM bestens gesorgt.

Fotos

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