Hansesteine in der Salzstraße
Geht man die Salzstraße entlang, kann man in unregelmäßigen Abständen vierzig in den Boden eingelassene Steine aus ehemaligen Hansestädten entdecken. Eingefasst sind sie jeweils mit einem Bronzering, auf dem vermerkt ist, aus welcher Stadt der Stein stammt. Mit diesen ‚Hansesteinen‘ wird seit 1993 an die Zugehörigkeit Münsters zur Hanse in Mittelalter und Früher Neuzeit erinnert und daran, dass Münster einst – wenn auch vergleichsweise spät – das Westfälische Haupt der Hanse war. Die Steine dokumentieren das weit gespannte Netz der Hanse: Neben Orten in der Münsteraner Nachbarschaft wie Neuss, Soest oder Telgte, finden sich mit Riga und Nowgorod, Visby, Bergen und Venedig auch fernere Zentren des Handels.
Die Mitgliedschaft Münsters zur Hanse ist gerade in den frühen Jahrhunderten nicht immer klar erkennbar. Explizit als Hansestadt bezeichnet wurde das v.a. durch den Handel mit Leinwand reich gewordene Münster erstmals im Jahr 1368 in einem Privileg Herzog Albrechts III. zu Mecklenburg, König von Schweden (um 1338–1412). Zunächst stand es klar hinter anderen westfälischen Städten wie Dortmund oder auch Soest zurück. Dies änderte sich erst ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts; ab 1494 war Münster dann Vorort der Hanse in Westfalen und erlangte damit eine regionale Führungsrolle.
Die Hanse war ohne Frage einer der mächtigsten Städtebünde des Mittelalters und der beginnenden Frühen Neuzeit, aber sie stand nicht allein. Überall in Europa schlossen sich seit dem 12. Jahrhundert die durch den Handel immer mächtiger gewordenen Städte zusammen. Ziel der Bünde war es, angesichts fehlender übergeordneter politischer und damit auch gerichtlicher Instanzen möglichst sichere Rahmenbedingungen für den Fernhandel zu schaffen.
Mit den Bündnissen nahmen sich die Städte also einerseits gegenseitig in die Pflicht, da man den Kaufleuten aus den vereinigten Orten wechselseitig bestimmte Rechte zusicherte, v.a. den privilegierten Zugang zu den eigenen Märkten und den nötigen Rechtsbeistand vor Ort. Andererseits gelang es so besser, für die eigenen Kaufmannschaften günstige Verträge mit regionalen und überregionalen Herrschern abzuschließen – etwa mit Blick auf die Gewährleistung sicherer Handelswege (Geleit). Wenn nötig, scheute das Bündnis dabei nicht davor zurück, die eigenen Interessen auch militärisch durchzusetzen. Aber schlagkräftig war die Hanse v.a. als wirtschaftliche Macht, an der neben den Städten auch die Landesherren über Steuern und Abgaben partizipieren konnten.
Die „Verhansung“ einer Stadt war dementsprechend ein besonders wirksames Zwangsmittel der Hanse, bedeutete es doch neben der Verweigerung der Teilnahme an Hansetagen den (zeitweiligen) Verlust aller Vorrechte und Privilegien der Kaufleute einer Stadt im Handelsgebiet der Hanse. Dies führte zu erheblichen finanziellen Einbußen für die Kaufleute selbst, mittelbar aber auch für den Stadtherrn. Eingesetzt wurde die Verhansung daher nicht nur, um Alleingänge einzelner Städte oder Kaufmannsgruppen zu unterbinden, sondern auch um Stadtherren zu zwingen, Einschränkungen städtischer Privilegien oder die Vertreibung von Fernhandelskaufleuten aus der Stadt zurückzunehmen.
Was dies bedeutete, bekam Münster im Zuge der sogenannten Stiftsfehde (1450–1458) zu spüren, bei der es auch zu innerstädtischen Friktionen zwischen der alten Ratselite, zu der zahlreiche Fernhandelskaufleute gehörten, und der in der Gesamtgilde organisierten Handwerkerschaft kam. Als sich die Handwerker durchsetzten und gerade im Handel einflussreiche Bürger ausgewiesen wurden oder angesichts der unsicheren Zeiten flüchteten, machte die Hanse Münster den Prozess. 1454 lud man die neuen politischen Vertreter der Stadt zum Hansetag vor. Beschlossen wurde dort nach einer Anhörung der Parteien, dass eine Kommission die Sache untersuchen sollte. Als die Vertreter des neuen Rats zum angesetzten Sitzungstermin der Kommission am 17. Oktober nicht erschienen, wurde die Verhansung Münsters beschlossen. Diese endete erst 1458, nach der Rückkehr der geflohenen Kaufleute in die Stadt.
Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ging die wirtschaftliche Bedeutung der Hanse allmählich zurück. Zudem waren inzwischen viele der Probleme, die einst zu ihrer Entstehung geführt hatten, weniger drückend. Mitbedingt war dies ganz wesentlich durch den Aufstieg der Territorialstaaten und deren Versuche, die Städte stärker in ihr Territorium einzugliedern. Spätestens nach dem Westfälischen Frieden neigte sich im Kräftemessen zwischen Landesherrschaften und Städten die Waagschale zugunsten der Landesherren. Auch hierfür ist Münster ein typisches Beispiel: Von einer teilautonomen Hansestadt mit verfasster Bürgerschaft war es zu einer mediatisierten Residenzstadt in einem geistlichen Territorium geworden, das zumeist nur noch als Nebenresidenz diente.
Ulrike Ludwig
Zum Weiterlesen
Rolf Hammel-Kiesow: Die Hanse, München 2014.
Westfälischer Hansebund (Hg.): Hansische Stadtgeschichten des Westfälischen Hansebundes, Herford 21997.