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Wo Rechtsgeschichte sichtbar wird

Eindrücke von der Stadtführung durch Münster

von Lennart Pieper

Am 24. November 2021 führte Kolleg-Direktor Peter Oestmann die neuen Fellows auf eine ebenso lehrreiche wie unterhaltsame Stadttour durch Münster. Neben Informationen zu den obligatorischen Sehenswürdigkeiten wie dem Rathaus, in dem der Westfälische Friede geschlossen wurde, oder der Lambertikirche mit ihren drei Käfigen für die Wiedertäufer wusste Oestmann auch eine Menge zur Rechtsgeschichte der Stadt zu berichten.

So lässt sich in Münster besonders gut die räumliche Trennung zwischen der Domfreiheit als Geltungsbereich der geistlichen Gerichtsbarkeit und der umliegenden Bürgerstadt nachvollziehen. War der Bezirk im Mittelalter durch eine Mauer abgetrennt, von der noch Reste zu entdecken sind, wird der Übergang heute zusätzlich durch ein auffälliges Tor markiert, das im Zuge der Skulptur Projekte-Ausstellung 1987 entstand. Im 12. Jahrhundert ließ es sich der Rat der Stadt zudem nicht nehmen, den Beginn seiner Machtsphäre mit dem Bau eines im Laufe der Jahrhunderte immer prächtiger gestalteten Rathauses in Sichtweite des Doms zu demonstrieren. In diesem Zusammenhang berichtete Oestmann von einem der frühesten Stadtpläne Münsters, der als Beweismittel in einem Strafprozess zur Anwendung kam. Ein Zeuge musste darin den genauen Tatort einzeichnen, damit nachvollzogen werden konnte, ob das Verbrechen innerhalb oder außerhalb der Domimmunität geschehen war, was Konsequenzen für die gerichtliche Zuständigkeit hatte.

Die Exkursionsgruppe am Übergang zwischen Domfreiheit und Bürgerstadt
© khk

Um Konkurrenz zwischen verschiedenen Gerichten ging es auch im „Paradies“, also dem reich geschmückten Vorbau am Hauptportal des Domes. Hier tagten in Mittelalter und früher Neuzeit unter den überlebensgroßen Steinskulpturen der Apostel und Christi als Weltenherrscher die Schöffen des geistlichen Hofgerichts, des sogenannten Offizialats. In den 1570er Jahren gründete Bischof Johann von Hoya, der in jungen Jahren Assessor am Reichskammergericht gewesen war, dann zusätzlich ein weltliches Hofgericht. Dahinter stand der Wunsch, stärkere Unabhängigkeit vom Erzbistum Köln zu erlangen, wohin entsprechende Fälle bis dahin zu leiten waren. Da das Gericht von seinen wittelsbachischen Nachfolgern, die in Personalunion auch Kölner Erzbischöfe waren, wieder abgeschafft wurde, unternahm Bischof Christoph Bernhard von Galen rund einhundert Jahre später einen erneuten Versuch mit der Einrichtung eines Revisionsgerichts. Dazu Oestmann: „Die territoriale Eigenständigkeit Münsters wurde durch Gerichtsvielfalt behauptet.“

Hier wurde zu Messezeiten das Sendschwert am Rathaus aufgehängt.
© khk

Nach einer kurzen Besichtigung des Rathauses mit seinem berühmten Friedenssaal und dem Sendschwert als Symbol der stadtrechtlichen Freiheiten berichtete Oestmann schließlich unter den Augen des Standbilds von Freiherr Franz von Fürstenberg über die schwierigen Anfänge der Universität Münster: Bereits 1631 hatte die Stadt von Papst und Kaiser das Privileg zur Gründung einer eigenen Universität erhalten. Damals war die Sache jedoch am Geld gescheitert, sodass die Gründung erst 1780 unter Fürstenberg gelang. Doch bereits 38 Jahre später wurde die neue Universität unter König Friedrich Wilhelm III. auf den Rang einer akademischen Lehranstalt zurückgestuft und erst 1902 reaktiviert. „Preußen war dem katholischen Münster oft nicht sonderlich gewogen“, so Oestmann. Wichtige Institutionen wie das Oberlandesgericht und nicht zuletzt der Knotenpunktbahnhof seien der Stadt damals entzogen und verlegt worden.

Trotz dieser Rückschläge, die Münster im Laufe der Zeit zu verkraften hatte, zeigten sich die Fellows fasziniert von der Vielfalt der münsterschen Stadtgeschichte. Besonders wurde bei der fachkundigen Führung augenfällig, wie viele rechtshistorische Besonderheiten ihre Spuren im Stadtbild hinterlassen haben – man muss sie nur suchen.

Die Gruppe an der Lambertikirche
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Vor dem Rathaus
© khk