Kontaktstelle Zellmembran
Rezeptoren in der Zellmembran werden aktiv

Zellen, die über bestimmte Proteine, die Rezeptoren (grün), in ihrer Zellmembran auf Signalmoleküle (violett) reagieren. Die Signalmoleküle haben wir in einem Muster aus winzigen Punkten auf einer Glasplatte aufgetragen. / Konfokale Fluoreszenzmikroskopie
Eine elastische Hülle umgibt jede Körperzelle: die Zellmembran. Sie ist die Kontaktstelle, über die Zellen mit ihrer Umgebung kommunizieren. Über bestimmte Proteine in der Zellmembran, die Rezeptoren, nehmen die Zellen vielfältige Informationen in ihrer Umgebung wahr. Signalmoleküle übertragen Informationen auf die Zelle, indem sie an einen bestimmten Rezeptor binden. Die Rezeptoren können die Signale verstärken, indem sie sich in Gruppen anhäufen, und leiten die Signale innerhalb der Zelle weiter. Wir wollen genauer verstehen, welche Reaktionen diese Clusterbildung der Rezeptoren in Zellen auslöst.
Um die Mechanismen zu triggern, haben wir hier ein Signalprotein in einem Muster aus winzigen Punkten auf einer Glasplatte aufgetragen. Jeder Punkt hat einen Durchmesser von nur drei Mikrometern (0,003 Millimeter). Um dieses Muster zu erschaffen, haben wir mit einem speziellen Druckverfahren (microcontact printing) ein biologisches Material aufgetragen. Dabei ließen wir punktförmige Bereiche frei, die wir anschließend mit den Signalmolekülen füllten. Darauf platzierten wir dann die Zellen. Das Experiment hat funktioniert: Dort, wo die Punkte im Bild weiß oder in hellerem Violett leuchten, überlagert das Grün des Rezeptors das Violett des Signalmoleküls – das heißt, hier haben sich Rezeptoren zu Clustern angeordnet. Viele unterschiedliche Signale wirken an der Zellmembran zusammen. Wir untersuchen diese im ersten Schritt sofort nach der Clusterbildung der Rezeptoren. Nach mehreren Stunden sehen wir, welche Auswirkungen sie auf das Verhalten der Zellen haben. Die Zellen fangen beispielsweise an zu wandern, produzieren bestimmte Moleküle oder sterben. Solche Vorgänge spielen bei der Gewebeentwicklung, der Immunabwehr oder der Metastasenbildung bei Krebs eine Rolle.
Maria Florencia Sánchez
European Institute for Molecular Imaging, Uni Münster
Das Studie stammt aus meiner Zeit an der Goethe-Universität Frankfurt.
Blutgefäßzellen verschließen ihre Wunden

Blick in die Aorta einer Maus – das große Blutgefäß, das dem Herzen entspringt. Schwarz dargestellt ist der Hohlraum des Blutgefäßes. Durch den Blutfluss können in den Membranen der Gefäßwandzellen kleine Wunden entstehen, die die Zellen schnell wieder verschließen (grüne Stellen um den Hohlraum herum). / Konfokale Fluoreszenzmikroskopie
Zellen sind im Körper ständig mechanischen Belastungen ausgesetzt. Zum Beispiel ziehen sich Muskelzellen laufend zusammen, wenn wir uns bewegen, und die Zellen in den Blutgefäßen stehen immer in Kontakt mit dem fließenden Blut, dessen Kräfte auf sie einwirken. Dadurch entstehen Risse in der Zellmembran, die die Zellen sofort reparieren. Das ist überlebenswichtig für die Zellen, weil die Zellmembran das Zellinnere schützt und den Stoffaustausch mit der Umgebung reguliert. Wir haben herausgefunden, dass kleine Bläschen im Inneren der Zelle, die frühen Endosomen (blau), an dieser Reparatur beteiligt sind. Wird eine Zelle verwundet, verschmelzen die Endosomen mit der Zellmembran. Sie geben ihre eigene Membran, also das sie umgebende Material, ab und helfen dadurch, die Wunde zu verschließen. Das dafür nötige Notfallsignal wird über Calciumionen ausgelöst, die durch die Wunde aus dem Blut in die Zelle gelangen.
Diesen Mechanismus hat unser Team in Zellkulturen mit menschlichen Blutgefäßzellen entschlüsselt. Dazu erzeugten wir mit einem Laser künstlich Wunden in ihren Membranen und untersuchten deren Reparatur mit hochauflösenden bildgebenden Verfahren. Bei Mäusen hat sich dann unser Verdacht bestätigt, dass Wunden bei Blutgefäßzellen immer vor allem dort entstehen, wo sich der Blutfluss und damit die Kräfte, die auf die Blutgefäßzellen wirken, plötzlich ändert – sprich an Abzweigungen der Gefäße. Eine solche Stelle zeigt das Bild. Ein Farbstoff (grün) ist mit dem Blut in verwundete Zellen eingedrungen. Die Zellen haben die Löcher sofort repariert – daher ist der Farbstoff dort eingeschlossen und macht die reparierten Stellen unter dem Mikroskop sichtbar. Wir wissen, dass sich bei der Atherosklerose, einer Erkrankung der Blutgefäße, Ablagerungen in den Gefäßwänden häufig an genau den Stellen bilden, an denen sich der Blutfluss in den Gefäßen plötzlich verändert – das hängt vermutlich auch mit der Verwundung der Zellen zusammen. Wenn wir die Mechanismen dahinter genauer verstehen, könnten sich daraus möglicherweise Ansatzpunkte ergeben, um frühe Stadien der Erkrankung besser zu erkennen.
Nikita Raj und Volker Gerke
Institut für Medizinische Biochemie, Uni Münster
Die Untersuchungen bei Mäusen entstanden in Zusammenarbeit mit Oliver Söhnlein, Uni Münster, Institut für Experimentelle Pathologie.
Pforten für den Stofftransport

Eine Schicht aus Zellen, die ein sich entwickelndes Ei einer Taufliege umhüllen. Dort, wo drei Zellen mit ihren Membranen (pink) aneinanderstoßen, lösen die Zellen kontrolliert ihre Verbindungen und öffnen die Zellzwischenräume (grün). / Konfokale Fluoreszenzmikroskopie
Video: Zeitrafferaufnahme der sich öffnenden und schließenden Zellzwischenräume. In diesem Fall haben wir den Vorgang in Gewebekultur künstlich ausgelöst – statt mehrere Stunden dauert er dann nur wenige Minuten.
Zellen verbinden sich in mehrzelligen Organismen zu Zellschichten, den Epithelien, die die Oberflächen von Organen bedecken und sie von anderen Geweben abgrenzen. Spezielle Verbindungen zwischen diesen Zellen stellen sicher, dass eine Zellschicht einerseits stabil ist und den Körper und Organe vor dem Eindringen infektiöser Erreger schützt, und dass sie andererseits für bestimmte Stoffe oder wandernde Zellen durchlässig ist. So können gelöste Nährstoffe in Organe transportiert werden oder Zellen des Immunsystems aus dem Blut zu einem Entzündungsherd ins Gewebe wandern. Einen solchen Prozess untersuchen wir bei heranreifenden Eizellen der Taufliege.
Die Eizellen werden von einer Schicht aus Epithelzellen umhüllt und nehmen über diese Zellschicht Dotterproteine auf. Adhäsionsproteine, die auf der Oberfläche der Zellen vorkommen, halten den Zellverband zusammen und dichten die Zwischenräume zwischen den Zellen ab. Unser Team hat herausgefunden, dass die Zellen verschiedene Adhäsionsproteine an ihren Membranen schrittweise um- und abbauen. Dieser Prozess dauert mehrere Stunden und geschieht insbesondere dort, wo drei Zellen aneinanderstoßen – die Kontaktstellen zwischen zwei Zellen bleiben erhalten. Dann erfolgt über etwa 16 Stunden eine Aufnahme von Dotterproteinen in die Eizellen. Anschließend läuft der Prozess rückwärts ab, und die Zellzwischenräume schließen sich wieder. Dass der Prozess so kontrolliert abläuft, ist wahrscheinlich wichtig, damit das Gewebe insgesamt stabil bleibt und die Dotteraufnahme in das Ei schnell und effizient stattfindet – und weil mit der Öffnung der Pforten eines Gewebes auch die Gefahr einhergeht, dass Krankheitserreger eindringen.
Thea Jacobs und Stefan Luschnig
Institut für Integrative Zellbiologie und Physiologie, Uni Münster
Ein feines Sieb aus Proteinen

Zwei Proteine (bunt und grau) in der Zellmembran eines Nephrozyten – einer Zellart der Taufliege, die Stoffe filtert. Mit einem ultrahochauflösenden Mikroskopieverfahren haben wir bei einem der beiden Proteine einzelne Moleküle (bunt) auf fünf Nanometer genau lokalisiert (0,000005 Millimeter). / TIRF-Mikroskopie und DNA-PAINT
Video: Für diese Mikroskopietechnik markieren wir die Moleküle so, dass sie unter dem Mikroskop aufblinken. Wie im Video zu sehen, nehmen wir viele Einzelbilder auf und rekonstruieren daraus ein Gesamtbild. Dann analysieren wir, welche der detektierten Signale so nah beieinanderliegen, dass sie wahrscheinlich von jeweils einem Molekül stammen.
Forschungsgruppen weltweit haben die Lichtmikroskopie in den vergangenen Jahrzehnten rapide weiterentwickelt. Sie bringt Moleküle, die zuvor fluoreszierend markiert werden, mit Laserlicht zum Leuchten. Mit besonders hochauflösenden Verfahren lassen sich sogar einzelne Moleküle in Zellen unterscheiden. Wir haben hier untersucht, wie Proteine in der Membran von Nephrozyten der Taufliege verteilt sind. Nephrozyten filtern – ähnlich wie Zellen der menschlichen Niere – Abfallstoffe aus der Hämolymphe, dem „Blut“ der Fliegen. Ihre Zellmembran besteht aus vielen kleinen Einstülpungen, über die sich eine Schlitzmembran aus verschiedenen Proteinen stülpt, die wie ein feines Sieb wirkt. Die Filtermechanismen bei der Taufliege zu untersuchen, kann helfen, auch die Funktion der menschlichen Niere und Nierenerkrankungen besser zu verstehen.
Der Trick bei vielen ultrahochauflösenden Mikroskopieverfahren ist, dass die zu untersuchenden Moleküle unter dem Mikroskop nicht alle gleichzeitig fluoreszieren, sondern nacheinander kurz aufblinken. Nur dadurch können wir nah aneinander liegende Moleküle in den Aufnahmen unterscheiden. Bei der hier genutzten Mikroskopietechnik (DNA-PAINT) werden die zu untersuchenden Proteine mit DNA-Strängen markiert. Diese kommen normalerweise als Doppelstränge vor, in diesem Fall nutzen wir aber Einzelstränge. Die dazu passenden Gegenstücke schwimmen in einer Flüssigkeit, in der die Gewebeprobe liegt. Sie sind fluoreszenzmarkiert und docken wiederholt an die Zielstränge an- und wieder ab. Weil sie kurz am gleichen Ort bleiben, wenn sie gebunden sind, strahlen sie in dem Moment genügend Lichtsignale aus, so dass sie unter dem Mikroskop kurz aufblinken. Solche Markierungs- und Aufnahmetechniken der Lichtmikroskopie sind enorm vielfältig und erfordern spezifische Kenntnisse. Damit wir unser Wissen teilen und Mikroskope gemeinsam nutzen können, vernetzen wir uns an unserer Uni im „Münster Imaging Network – Microscopy“. Es wird vom Multiscale Imaging Centre aus koordiniert – und hier stehen auch einige Mikroskope, die Forschungsgruppen uniweit nutzen können.
Sarah Weischer
Münster Imaging Network – Microscopy, Uni Münster
Das Bild entstand in einem Forschungsprojekt von Sonja Bauer und Michael Krahn, Medizinische Klinik D – Innere Medizin, Universitätsklinikum Münster. Die Expertise zur Mikroskopietechnik DNA-PAINT hat die Forschungsgruppe von Carsten Grashoff, Institut für Integrative Zellbiologie und Physiologie der Uni Münster, in unser Imaging Network eingebracht.
- Gass MM, Borkowsky S, Lotz ML, Siwek R, Schröter R, Nedvetsky P, Luschnig S, Rohlmann A, Missler M, Krahn MP. PI(4,5)P2 controls slit diaphragm formation and endocytosis in Drosophila nephrocytes. Cell Mol Life Sci. 2022; 79: 248. DOI: 10.1007/s00018-022-04273-7
- Fischer LS, Klingner C, Schlichthaerle T, Strauss MT, Böttcher R, Fässler R, Jungmann R, Grashoff C. Quantitative single-protein imaging reveals molecular complex formation of integrin, talin, and kindlin during cell adhesion. Nat Commun. 2021; 12: 919. DOI: 10.1038/s41467-021-21142-2