„Unsere Story ist noch lange nicht zu Ende geschrieben“

FlexFleet Solutions entwickelt mit dem FrachtPiloten eine digitale Komplettlösung für den landwirtschaftlichen Direktvertrieb – und weitere Märkte

Der Trend ist offensichtlich: Immer mehr landwirtschaftliche Betriebe setzen auf die Direktvermarktung. Sie gehen dem Preisdruck im Lebensmittelhandel aus dem Weg und vermarkten ihre Produkte in der Region selbst. Was mit Hofläden angefangen hat, ist längst bei einem komplexen Geschäftsprozess mit eigenen Lieferfahrzeugen und Online-Shop angekommen. Welches Produkt wird aber in welcher Reihenfolge zu welchem Kunden gebracht? Das ist eine der zentralen Fragen im Direktvertrieb. Für Dr. Sebastian Terlunen war es Thema in seiner Zeit als Postdoc an der WWU.

Aus der Idee, für den landwirtschaftlichen Direktvertrieb eine Lösung zur Routenoptimierung zu entwickeln, wurde schnell mehr. Denn: „Die am Markt befindlichen Softwarelösungen sind veraltet und unterstützen nur vereinzelte Prozesse der Direktvermarktung. Als Folge arbeitet ein Großteil der Landwirte bisher ohne Softwareunterstützung. Aktuell werden viele Prozesse immer noch händisch und mit viel Papier erledigt. Die dringend benötigte Digitalisierung des landwirtschaftlichen Direktvertriebs fehlt“, weiß der promovierte Wirtschaftsinformatiker. Gemeinsam mit den Co-Gründern Jan-Hendrik Fischer und Dr. Stefan Fleischer sowie im Praxisaustausch mit Pilotkunden wurde schnell klar: „Die Routenoptimierung kann nur ein Teilaspekt einer Softwarelösung sein. Ziel muss die vollständige Digitalisierung der komplexen Geschäftsprozesse sein, um den landwirtschaftlichen Direktvertrieb effizient bewerkstelligen und somit Zeit und Kosten sparen zu können.“

Der FrachtPilot, das erste Produkt des Start-ups FlexFleet Solutions, bietet eine digitale Komplettlösung von der Bestellung bis zur Abrechnung. Die Kunden können aus unterschiedlichen Modulen wählen: Stammdatenverwaltung und Warenwirtschaft, Auswertungen, digitale Lösungen für Tourenplanungen, Bestellungen, Lieferscheine und Abrechnung. Somit können sich auch kleine und mittelständische Betriebe das alles leisten. Zudem ist der FrachtPilot als cloudbasierte Softwarelösung im Abonnement zu beziehen: Die Kunden müssen weder Hard- noch Software kaufen.

Im Oktober 2018 konnte das Team von FlexFleet Solutions mit einer Förderung des EXIST-Gründerstipendiums durchstarten. Nach dem ersten halben Jahr war der Prototyp einsatzbereit, sukzessive wurde mit der Einführung und Vermarktung begonnen. „Unser Vorteil ist auf jeden Fall der wissenschaftliche Hintergrund“, sagt Sebastian Terlunen. „Wir wurden noch nie gefragt, ob wir das überhaupt können.“ Dass er zudem persönlich einen engen Bezug zur Landwirtschaft hat, hilft in der Kommunikation und beim gegenseitigen Verständnis.

„Ich mache jeden Tag genau das, was ich immer wollte“, sagt Sebastian Terlunen nach den ersten Monaten in der Selbstständigkeit. „Selbstständig zu arbeiten, das bedeutet, komplett kreativ sein zu können, im Team schnell und flexibel zu entscheiden, Pionier zu sein.“ Die Perspektiven für FlexFleet Solutions sind gut: Das Potenzial auch in anderen Segmenten wie dem Lebensmittelhandel ist noch lange nicht ausgeschöpft. „Bis 2025 wird sich allein der Direktvermarkter-Markt verdoppeln“, sagt Sebastian Terlunen. „Unsere Story ist noch lange nicht zu Ende geschrieben.“

Mit dem FrachtPiloten ist es dem Team von FlexFleet Solutions gelungen, eine marktreife Lösung zur Digitalisierung des landwirtschaftlichen Direktvertriebes zu entwickeln. Der FrachtPilot kombiniert quantitative Methoden der Logistik mit modernster Softwaretechnik und mit landwirtschaftlichem Domänenwissen. Damit ist das Produkt ein herausragendes Beispiel für die praktische Anwendung der an der WWU gelehrten Wirtschaftsinformatik.
Prof. Dr. Stephan Meisel, Institut für Wirtschaftsinformatik

Drei Fragen an FlexFleet Solutions

Was hilft beim Gründen bzw. was hat euch bei der Gründung am meisten geholfen?

Die Förderung des EXIST-Gründerstipendiums hilft extrem. Sie nimmt den finanziellen Druck und gibt uns die Möglichkeit, bei Null zu starten und uns zu dritt ein Jahr lang um nur ein Produkt zu kümmern. Wir ergänzen uns als Team mit unterschiedlichen Kompetenzen perfekt. Und unser wissenschaftlicher Betreuer unterstützt uns, wo er kann. Was natürlich wichtig ist: methodisch gut sein und die Idee auf die Straße bringen.

Wie nutzt ihr die Nähe zur WWU?

Wir profitieren von der Sichtbarkeit als Start-up in der Uni. Das ist vor allem bei der Akquise von Werkstudenten hilfreich. Schließlich sind Informatiker auf dem Arbeitsmarkt begehrt. Wir können die Leute schneller und auf kurzem Weg motivieren, bei uns mitzuarbeiten. Sie haben einen direkten Kundenbezug, ein innovatives und methodisch gutes Umfeld. Wir wiederum können ihnen bei Programmieraufgaben helfen – das ist ein echtes Win-Win.

Was ist beim Rollenwechsel in die Selbstständigkeit neu?

Ich bin gern mit Leuten über Problemlösungen im Gespräch, aber Kaltakquise lernt man an der Uni wirklich nicht. Das Geschäft ist härter und schnelllebiger als jede Theorie.