| Archäologie am Limit
Archäologie am Limit

Barbarische Zerstörung als Chance für die Archäologen

Vortrag zu Grabungen im irakischen Mossul
Peter Miglus in einem Raubtunnel unter der vom so genannten IS zerstörten Jonasmoschee
© A. Al-Magasees

Die Spuren barbarischer Zerstörung finden Archäologen in allen Epochen - dass in allerjüngster Zeit architektonische Schätze und unbezahlbare Kunstgegenstände aus religiösem Fanatismus vernichtet wurden, ist allerdings die Ausnahme. Als der so genannte Islamische Staat (IS) 2014 im irakischen Mossul einmarschierte, demolierten die Terroristen die alten Stadtmauern der ehemaligen Stadt Ninive, zerschmetterten die weltbekannten Flügelstiere und Reliefs im Stadtmuseum und sprengten die meisten Moscheen der Stadt. Darunter war auch die Nebi-Yunus-Moschee, die dem Propheten Jona gewidmet war. Nach Vertreibung des IS erhielt der Heidelberger Archäologe Prof. Peter Miglus zusammen mit seinem Kollegen Prof. Stefan Maul unter anderem den Auftrag, die Zerstörungen durch Raubtunnel an dem darunter liegenden assyrischen Militärpalast zu dokumentieren. Über ihre Ergebnisse berichtet Miglus am 15. Januar um 18 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses im Rahmen der Vorlesungsreihe "Archäologie am Limit". Die Vorlesung kann auch über Zoom, ID: 624 7015 9662 Kenncode: 438993, verfolgt werden.

In Ninive stand die so genannte "Wiege der Menschheit", vor über 3.000 Jahren entwickelte sich in Mesopotamien eine der ältesten Zivilationen der Geschichte. Die Militärmacht expandierte, indem sie andere Länder von Anatolien bis zur Arabischen Halbinsel, von Ägypten bis an den Persischen Golf überfiel und okkupierte. Im Jahr 612 vor unserer Zeitrechung überfielen die konkurrierenden Babylonier die Stadt und brannten sie bis auf die Grundmauern nieder. Der Militärpalast, in dem ein Großteil der Kriegsbeute gelagert worden war, blieb weit gehend unversehrt, verschwand aber unter dem Grab des Propheten Jonah, der gleichmaßen von Juden, Christen und Muslimen verehrt wird.

Durch die Zerstörung der Nebi-Yunus-Moschee, die bislang den Zugang zu den assyrischen Überresten verwehrte, ergab sich nach der Befreiung der Stadt 2017 die Gelegenheit, das wenig erforschte Areal genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Fritz-Thyssen-Stiftung finanzierte GPS-photogrammetrische Arbeiten, mit denen die IS-Tunnel in 3D-Modellen abgebildet werden können. Der gesamte Nebi-Yunus-Hügel ist durchlöchert von diesen Gängen, denn die Kämpfer des IS wollten nicht nur alles zerstören, was nicht ihrer Ideologie entsprach. Sie suchten auch nach Kunstschätzen, die auf dem Schwarzmarkt verkauft wurden, um das Terrorregime zu finanzieren.

Die Tunnel legten Steinmauern mit Inschriften in Keilschrift frei, die bis dahin nicht zugänglich waren. Die Assyrologen konnten darüber hinaus das etwa fünf mal fünf Meter große Thronpodest lokalisieren und fanden zahlreiche bisher unbekannte Artefakte, darunter assyrische kopflose Lamassu, Torwächterfiguren mit Stierkörper und goldene Beutestücke aus Ägypten und dem östlichen Mittelmeer. Besonders interessant für Miglus waren die zahlreichen Reliefplatten, die neue Einblocke in die assyrische Kultur erlaubten.

Angesichts der zahlreichen Kriege und Konflikte, die sich seit Zerschlagung des IS auf der Welt entwickelt haben, ist Mossul weit gehend aus den Schlagzeilen verschwunden. Um so lohnender dürfte der Besuch des Vortrags von Peter Miglus sein, dessen Eintritt frei ist.