Carina Schmid (r.) und Janusz Hamerski auf der Suche nach Interviewpartnern in den Straßen Berlins.
Carina Schmid (r.) und Janusz Hamerski auf der Suche nach Interviewpartnern in den Straßen Berlins.
© Mari Nino

Deutsch lernen wie mit Freunden

Carina Schmid ist Gastgeberin des Sprachlern-Kanals „Easy German“ bei YouTube

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Dieser Text stammt aus dem alumni|förderer-Magazin der Universitätszeitung "wissen|leben", Ausgabe Sommersemester 2022.

Autorin: Nora Kluck

Weitere Informationen zu Easy German gibt es unter www.easygerman.org. Der Podcast ist unter www.easygerman.fm und auf allen gängigen Podcast-Plattformen zu finden.

Ihr Gesicht ist vielen so vertraut wie das einer Freundin: Wer Deutsch lernt oder sich als Muttersprachler für die Fallstricke der deutschen Sprache interessiert, kennt sehr wahrscheinlich Carina Schmid. Die sprachbegeisterte WWU-Alumna ist Chief Executive Officer (CEO), also Hauptgeschäftsführerin, von „Easy Languages“ und Gastgeberin des Video-Kanals „Easy German“, der auf YouTube 1,26 Millionen Abonnenten hat. Immer mittwochs und sonntags erscheint ein neues Video, in dem „Cari“ und ihr Mann Janusz Hamerski in Interviews den Passanten Alltagsdeutsch entlocken. „Learn German from the streets“ ist das Motto, unter dem Videos im Themenspektrum von „Wollen vs. Mögen vs. Möchten“, „Apartment Search in Germany“ bis „Your biggest wish“ erscheinen. Hunderte Episoden sind bereits online. Und wer eine andere Sprache lernen möchte, ist bei „Easy Italian“, „Easy French“ oder „Easy Catalan“ gut aufgehoben – oder bei einer der neun anderen Sprachen, die im Easy-Languages-Netzwerk vertreten sind. Doch von der ersten Easy-German-Folge bis zu einem internationalen Netzwerk mit 13 Festangestellten, etlichen Freelancern und einer Reihe Franchise-Nehmern war es ein weiter Weg.

Im Nachhinein scheint er nur folgerichtig, denn sowohl Medien als auch interkulturelle Begegnungen spielen schon lange eine große Rolle in Carina Schmids Leben. Bereits mit 15 Jahren hielt die gebürtige Münsteranerin Kamera und Mikrofon in der Hand. Sie präsentierte ihre eigene Musiksendung „Audio Complete“ im Bürgerfernsehen der Medienwerkstatt des Bürgerhauses Bennohaus in Münster.

Vier Jahre später reiste sie zum ersten Mal ins nicht-europäische Ausland, nach Namibia – eine Reise, die ihr Leben für immer verändert hat, wie sie heute sagt. Anschließend initiierte sie mit Gleichgesinnten an ihrer Schule, dem Schillergymnasium in Münster, ein interkulturelles Netzwerk. Der Verein „The Global Experience e. V.“ besteht bis heute und organisiert Austauschprogramme und interkulturelle Medienprojekte für Jugendliche. Nach ihrem Examen 2009 trat Carina Schmid dort ihre erste Stelle an und wurde Projektmanagerin. Heute engagiert sie sich ehrenamtlich im Vorstand.

Von der Medien-AG zum Hauptberuf

Im Jahr 2003 begann Carina Schmid ihr Magisterstudium an der WWU in Mittlerer Geschichte, Neuerer und Neuester Geschichte und in Niederlande-Studien. Neben ihrer Tätigkeit für Medienprojekte im Bennohaus arbeitete sie als freie Mitarbeiterin bei der Münsterschen Zeitung, um ihrem Berufsziel Journalistin näherzukommen. In ihre Studienzeit fällt auch die Geburtsstunde von Easy German. Geburtsort: die Medien-AG des Schillergymnasiums.

Mit Medientrainer Janusz Hamerski begleitete Carina Schmid die Arbeitsgemeinschaft. Für zwei befreundete Mädchen aus Vietnam drehten die Schülerinnen und Schüler das zweieinhalbminütige Video „Saying hello in Germany“ und sprachen dafür Passanten in der Innenstadt von Münster an. Für eine große Öffentlichkeit war der Film nie gedacht. Doch kurz darauf startete eine neue Online-Plattform, auf der man Videos direkt im Web-Browser abspielen konnte, ohne sie herunterzuladen – damals eine Revolution. Der Name der Plattform: YouTube. Janusz Hamerski lud das Video zum Test hoch und erhielt große Resonanz. Die Schülerinnen und Schüler drehten weitere Videos zum Deutschlernen. 2008 stand Carina Schmid das erste Mal in einem Easy-German-Video vor der Kamera. „Das Thema war ‚Einkaufen‘. Wir haben die Leute vor einem Supermarkt gefragt, was sie gerade gekauft hatten. Wir wurden allerdings des Parkplatzes verwiesen“, erzählt sie.

Im Jahr 2009 machte Carina Schmid ihren Magisterabschluss. An Easy German arbeiteten sie und Janusz Hamerski nebenberuflich.
Den entscheidenden Anstoß für die weitere Entwicklung gab YouTube im Jahr 2014 selbst. „Die Plattform hat damals Bildungsangebote gefördert und ihnen bei der Professionalisierung geholfen“, berichtet Carina Schmid. „YouTube hat uns angeschrieben, und im Rahmen des Partnerschaftsprogramms habe ich einige Trainingsstunden erhalten.“ Mit dem zunehmenden Erfolg von Easy German wurde das Projekt schließlich zum Hauptberuf. 2014 zogen sie und Janusz Hamerski von Münster nach Berlin um. Ende 2018 erhielten sie zum ersten Mal personelle Verstärkung, seitdem ist das Team weiter gewachsen. Unter anderem arbeiten heute Videoproduzenten, Lehrer und Übersetzer für Easy German.

"In Berlin werden wir auf der Straße angesprochen"

Easy Languages finanziert sich hauptsächlich über Mitgliedsbeiträge. Für Mitglieder gibt es zu jedem Video Vokabellisten und Übungen, sodass die Zuschauerinnen und Zuschauer noch intensiver in das Sprachenlernen einsteigen können. Hinzu kommen Sponsoring- und Werbeeinnahmen. Die Betreiber der Kanäle anderer Sprachen zahlen Franchise-Gebühren. Das Team von Easy Languages bildet die neuen Teams aus, zeigt ihnen, wie man Straßeninterviews führt und Videos editiert.
Besonders gerne erinnert sich Carina Schmid an die Entstehung des Kanals „Easy French“: „Wir haben zehn Tage in Paris mit mehreren Leuten zur Probe Videos gedreht. Am Ende haben wir drei junge Frauen ausgewählt, die sich vorher nicht kannten. Jetzt sind sie beste Freundinnen und produzieren gemeinsam ‚Easy French‘.“

Und genau das liebt Carina Schmid an ihrem Beruf: die große Gemeinschaft von Menschen, die Sprachen lehren und lernen. „In Berlin werden Janusz und ich manchmal auf der Straße angesprochen“, berichtet die WWU-Alumna. „Wir erhalten viele tolle Rückmeldungen von Menschen, die mit Easy German Deutsch gelernt haben und die uns ihre Geschichten erzählen.“ Vor der Corona-Pandemie ist das Easy-German-Team regelmäßig gereist und wurde in vielen Teilen der Welt begeistert von echten Fans empfangen, zum Beispiel in Vietnam, Mexiko oder den USA. Dort besuchte das Team Schulklassen und Universitäten und nahmen wichtige Impulse für die Arbeit mit. „Auf unseren Reisen konnten wir erleben, dass Menschen aus unterschiedlichen Gründen Deutsch lernen, und je nach Muttersprache an verschiedenen Stellen Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben“, erzählt Carina Schmid. „Das hilft uns bei der Themenfindung für die Videos.“

Deutsche Eigenheiten humorvoll dargestellt

Je nach Land haben die Lernenden unterschiedliche Vorstellungen von Deutschland – meist positive. „Das hat mich am meisten überrascht“, berichtet Carina Schmid. „Als jemand, der sich mit Geschichte befasst, hatte ich früher nicht das Gefühl, dass Deutschland ein so gutes Image in der Welt hat. Aber viele Menschen freuen sich, nach Deutschland zu kommen, und wissen die stabile Demokratie, die Freiheit und den Rechtsstaat zu schätzen.“

Für Aufenthalte in Deutschland hilft Easy German nicht nur beim Erlernen der Sprache, sondern gibt zusätzlich Tipps zum Leben in Deutschland. So war „8 things not to do in Germany“ eines der erfolgreichsten Videos. Mit Humor nimmt es deutsche Eigenheiten aufs Korn – zum Beispiel, dass man beim Einpacken der Einkäufe an der Kasse nicht trödeln und niemandem vorzeitig zum Geburtstag gratulieren soll. Das Video erhielt so viel Resonanz, auch von Deutschen, dass direkt eine weitere Folge dazu produziert wurde.

Um den Zuschauerinnen und Zuschauern noch mehr Lernmöglichkeiten zu bieten, erweitert Easy Languages sein Angebot stetig. Seit 2017 arbeitet das Team an der Sprachlern-App „Seedlang“ mit, und seit 2019 gibt es den Easy-German-Podcast, der mit 50.000 Hörerinnen und Hörern pro Folge zu den erfolgreichsten Sprachlern-Podcasts in Deutschland gehört. Sobald die Pandemie es erlaubt, wird das Team wieder mehr reisen, um die sogenannten „MeetUps“ mit den Zuschauerinnen und Zuschauern weltweit wieder aufzunehmen und deutsche Städte in den Videos vorzustellen.

Zu Münster gibt es übrigens schon mehrere Folgen von Easy German. An ihre Heimatstadt hat Carina Schmid gute Erinnerungen, auch in Bezug auf die Videodrehs. „In Münster war es oft einfacher, die Menschen für unsere Straßeninterviews anzusprechen. Dafür erhalten wir in Berlin unterschiedlichere Antworten.“

"Studierende sollten sich nicht zu viele Sorgen machen"

An ihr Studium an der WWU denkt sie gerne zurück. „Das Geschichtsstudium war für mich vor allem in Bezug zur Gegenwart interessant, weil viele Dinge immer wieder passieren“, betont sie. „Geschichte hilft mir auch, zu verstehen, warum Menschen Deutsch lernen und nach Deutschland kommen möchten.“ Eingeprägt haben sich bei ihr kuriose Ereignisse wie der Kommilitone, der im Winter barfuß und im mittelalterlichen Gewand in die Mittelalter-Vorlesung kam. Einschneidend waren zudem die letzten Tage ihrer Magisterarbeit: „Drei Tage vor der Abgabe habe ich gemerkt, dass ich alle lateinischen Zitate in der Fußnote im Original wiedergeben musste. Um das zu machen, habe ich mehrere Nächte nicht geschlafen.“

Von schlaflosen Nächten wegen der beruflichen Zukunft rät sie heutigen Studierenden jedoch ab: „Man sollte sich nicht so viele Sorgen machen über den perfekten Karriereplan, sondern einfach seiner Neugier und seinen Interessen folgen. Ich hätte sicher nie von alleine den Berufswunsch entwickelt, einen YouTube-Kanal zum Sprachenlernen zu gründen und daraus ein Unternehmen aufzubauen. Viele Sachen entdeckt und lernt man erst dadurch, dass man sie ausprobiert. Mein Rat wäre, mit gutem Gewissen viel Zeit in die persönlichen Interessen und die eigene Neugier zu stecken und einfach Dinge auszuprobieren.“