Jörg Homering-Elsner (l.) und Ralf Heimann präsentieren Ihre Bücher vor dem münsterschen Schloss.
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„Lokaljournalismus ist wichtig für die Demokratie“

Die Journalisten und WWU-Alumni Ralf Heimann und Jörg Homering-Elsner sammeln „Perlen des Lokaljournalismus“

Das Interview führte Nora Kluck.

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Dieser Text stammt aus dem alumni|förderer-Magazin in der Universitätszeitung "wissen|leben", Ausgabe November 2018.

Sie halten ihrer eigenen Profession den Spiegel vor und bringen damit viele Menschen zum Lachen und zum Nachdenken: Die Journalisten und WWU-Alumni Ralf Heimann (41) und Jörg Homering-Elsner (51) veröffentlichen und kommentieren seit 2015 Kuriositäten aus der regionalen Presse. Online geschieht dies auf ihrer Homepage und einer Facebook-Seite, die in Berlin zum „Besten Medienblog 2015“ gewählt wurde. Die besten Fundstücke erscheinen in der Buchreihe „Perlen des Lokaljournalismus“ unter Titeln wie „Lepra-Gruppe hat sich aufgelöst“ oder „Bauchchirurg schneidet hervorragend ab“. Absurde Meldungen sind in den Büchern ebenso zu finden wie misslungene Überschriften, unpassende Bildzeilen, versehentlich abgedruckte Lückenfüller und Formulierungen mit absichtlicher oder unfreiwilliger Komik.

Ralf Heimann studierte an der WWU Volkswirtschaftslehre und zeitweise auch Betriebswirtschaftslehre, Philosophie, Politik und Wirtschaftspolitik. Bis 2004 war er bei der Münsterschen Zeitung als Wirtschaftsredakteur tätig, seitdem ist er freier Journalist und Autor. Jörg Homering-Elsner studierte Neue und Mittelalterliche Geschichte sowie Politik. Er ist Lokalredakteur bei der Münsterländischen Volkszeitung in Rheine.



Seit 2015 veröffentlichen Sie gemeinsam die Bücher mit den „Perlen des Lokaljournalismus“. Wie kamen Sie auf die Idee?

Jörg Homering-Elsner: Im Lokaljournalismus sammelt jede Redaktion Missgeschicke, zum Beispiel verunglückte Überschriften wie „Bewaffneter Banküberfall auf Tankstelle“. Wir hatten in der Redaktion eine ganze Wand mit solchen Beispielen. Ich habe einige davon für meine Facebook-Freunde gepostet und später eine eigene Seite dafür erstellt, die in wenigen Tagen ein paar Tausend „Likes“ bekam. Außerdem gibt es eine Homepage und einen Twitter-Account.

Ralf Heimann: Ich hatte auch immer so eine Sammlung. Irgendwann sah ich Jörgs Seite und habe mich erst geärgert. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich am besten zusammentut. Weil ich auf Facebook nicht in Konkurrenz treten wollte, habe ich einen Blog auf der Seite „Tumblr“ erstellt. Den hat die Redaktion von Stefan Raab entdeckt, der uns daraufhin in seine Sendung eingeladen hat.

Jörg Homering-Elsner: Es war eine perfekte Synergie: Ich hatte die Idee mit der Facebook-Seite und er die Idee, ein Buch daraus zu machen.


Und es gibt offenbar immer noch genug Material – im Dezember erscheint das dritte Buch.

Jörg Homering-Elsner: Es ist im Grunde ein Selbstläufer über die Facebook-Seite. Es wird tatsächlich noch viel Zeitung gelesen, wir erhalten im Durchschnitt 20 Einsendungen pro Tag.
Die „Perlen des Lokaljournalismus“-Bücher haben zwei Aspekte. Zum einen natürlich die humoristische Note, aber es hat auch etwas Medienkritisches. Fehler macht jeder in seinem Beruf – bei Journalisten stehen sie nur direkt in der Zeitung. Wir wissen von Kollegen, dass die „Perlen“ inzwischen sogar in der Journalistenausbildung genutzt werden.


Wie kommt es, dass unabsichtlich komische oder unangemessene Überschriften und Texte immer wieder zu finden sind?

Ralf Heimann: Bei den eigenen Texten sieht man viele Dinge nicht. Manchmal fällt einem mitten in der Nacht ein Fehler ein, aber dann ist es ja meistens schon zu spät.

Jörg Homering-Elsner: Für die eigenen Texte ist man betriebsblind. Darum ist es so wichtig, dass gegengelesen wird. Das wird in der Regel in den Redaktionen gemacht, war früher aber ausgeprägter, als es noch Korrektorate gab. Im Onlinejournalismus muss man zudem sehr schnell sein – immerhin kann man dort noch korrigieren.

Ralf Heimann: Das geschieht aber interessanterweise oft nicht. Ich habe mich neulich auf die Suche nach Meldungen aus unserem Buch gemacht. Viele der Kuriositäten stehen tatsächlich noch genauso im Netz. In einer Redaktion hat mir mal jemand gesagt: „Wenn keiner anruft, korrigieren wir nicht.“ Manche Fehler entstehen auch durch Autokorrektur. Oder wenn man ein Wort austauscht und es noch Bezüge im Satz gibt, die man nicht ändert – zum Beispiel „junge Menschen und Frauen“ oder „Drei Tote sterben bei Schießerei“.


Gibt es Besonderheiten im Lokaljournalismus, die zur Komik einladen?

Jörg Homering-Elsner: Die Ursprungsidee der „Perlen“ war es, den typischen Lokaljournalismus zu zeigen. Zum Beispiel: „Unbekannter reißt Zweige von Strauch ab“ oder „Klebehaken aus Imbiss gestohlen“. Wenn wir so etwas in Münster in einer bayerischen Zeitung lesen, wirkt das natürlich komisch. Aber das sind Themen, die in die Lokalzeitung gehören, weil es die Leute interessiert, was vor ihrer Haustür passiert. Und das finde ich auch das Wichtige am Lokaljournalismus.

Ralf Heimann: Das Lustige ist die Fallhöhe, die dadurch entsteht. Die Zeitung wirkt wie etwas ganz Offizielles, sodass solche Kleinigkeiten in diesem Rahmen lächerlich wirken.


Haben Sie eine Lieblings-„Perle“?

Ralf Heimann: Meine Lieblingsperle im Moment ist eine, die erst kürzlich erschienen ist: Über einen Bottroper Fußballspieler, der zu Gast im ZDF-Sportstudio war. Sein Name wird in der Kurzmeldung viermal erwähnt und jedes Mal anders geschrieben: Timpanaro, Timpanero, Timparano und Timperano. Da ist offenbar alles schiefgelaufen, was theoretisch schieflaufen kann.

Jörg Homering-Elsner: Meine Lieblingsperle stammt aus der Zeitung Die Glocke aus Oelde und ist irgendwann während der Weimarer Republik in den 1920-er Jahren erschienen. Dort heißt es: „Unter den Festgästen bemerkte man den kommandierenden General Freiherrn von Watter, den Oberpräsidenten Dr. Würmeling, Regierungspräsident a. D. von Bescher, Oberbürgermeister Dieckmann, Bürgermeister Sperlich, Oberpräsidialrat Kirchner, Oberregierungsrat von Reese, Major Schulz u. a., sowie die Vertreter der Lehrer- und Turnerschaft und andere Arschlöcher.“

Wie stehen Ihre Journalistenkollegen zu Ihren Büchern?

Jörg Homering-Elsner: Die meisten nehmen es sehr humorvoll auf. Aber manche sehen uns auch als „Nestbeschmutzer“. Wir möchten aber niemanden vorführen. Wir schwärzen Namen und versuchen zu vermeiden, dass man die Zeitung erkennt.


… und wie haben Ihre Chefredakteure das aufgenommen?

Jörg Homering-Elsner: Bei mir stehen die Redaktionsleitung und die Verlegerin dahinter und nehmen es mit Humor.

Ralf Heimann: Bei mir fand die Verlagsleitung das nicht so gut. Der Chefredakteur sagte mir damals am Telefon, er könne den Leuten in der Druckerei schwer vermitteln, dass Redakteure aus dem eigenen Haus sich öffentlich über die Branche lustig machen. Das kann ich verstehen, sehe es aber anders. Ein großes Problem des Lokaljournalismus‘ ist sein sagenhaft schlechtes Image. Lokalredakteure stehen im Verdacht, ständig Fehler zu machen. Viele Redaktionen ignorieren das und tun so, als gäbe es keine Fehler. Ich halte Korrekturen und einen humorvollen Umgang damit für eine bessere Reaktion.

Jörg Homering-Elsner: Lokaljournalisten haben in unserer Demokratie eine wichtige Aufgabe. Sie vermitteln demokratische Mechanismen auf der lokalen Ebene, zum Beispiel im Verein oder in der Ratssitzung. Alle demokratischen Prozesse finden auch im Kleinen statt.

Ralf Heimann: Auf dieser Ebene würde auch sonst niemand berichten. Aus dem Bundestag berichten viel mehr Leute, nicht nur Journalisten, sondern zum Beispiel auch Blogger. Aber niemand geht einfach mal zur Ratssitzung und schreibt darüber – außer den Lokaljournalisten.


Hatten Sie beide schon im Studium das Ziel, Journalist zu werden?

Jörg Homering-Elsner: Ich war schon mit 17 Jahren freier Mitarbeiter bei der Glocke in Warendorf und später bei den Westfälischen Nachrichten. Nach dem Abitur wollte ich mir aber ein zweites Standbein aufbauen und habe mit dem Lehramtsstudium angefangen. Nach dem ersten Semester habe ich ein Volontariat angetreten – das war ohne Studium damals schon selten – und habe nach diesen zwei Jahren das nächste Studium begonnen. Ich habe nebenher noch Verschiedenes ausprobiert, war bei der Tageszeitung, aber auch bei Fernsehproduktionen. Für mich war danach klar: Es sollte der Lokaljournalismus sein.

Ralf Heimann: Ich habe im Studium noch gar nichts gemacht, was mit Journalismus zu tun hatte. Ich habe aber immer gerne geschrieben. Nach dem Studium wollte ich gerne freiberuflich arbeiten, weil mein Sohn gerade zur Welt gekommen war und ich nicht von morgens bis abends weg sein wollte. Zwei Jahre später habe ich angefangen, fest bei der Zeitung zu arbeiten. Erst habe ich ein Volontariat bei den Ruhr-Nachrichten in Dortmund und der Münsterschen Zeitung in Steinfurt gemacht und dann in der Redaktion in Münster gearbeitet.


Was ist Ihre prägendste Erinnerung an die Studienzeit in Münster?

Ralf Heimann: Mir fällt als erstes ein, dass ich auf dem Weg zu meiner Immatrikulation noch gar nicht wusste, was ich studieren will. Ich habe mit Betriebswirtschaftslehre angefangen und bin nach zwei Semestern zu Volkswirtschaftslehre gewechselt.

Jörg Homering-Elsner: Ich erinnere mich noch gut an das Fürstenberghaus. Da war ich praktisch zu Hause, weil ich für Professor Manfred Botzenhart studentische Hilfskraft war. Das Haus kannte ich wie meine Westentasche.


Planen Sie zurzeit weitere gemeinsame Projekte?

Jörg Homering-Elsner: Die Leser schicken uns alle möglichen Sachen, die lustig sind, aber nicht immer etwas mit Journalismus zu tun haben. Darum haben wir seit Februar angefangen, Fotos von Schildern zu sammeln, wie zum Beispiel „Zug verendet hier“ oder „Gebäckermittlung“. Die Facebook-Seite heißt „Hinweisheiten“. Im Frühjahr erscheint das Buch dazu.

Ralf Heimann: So etwas hätte man im Studium schon gebraucht: Jemand, der einem immer die nützlichen Dinge zuschickt …