Dr. Sandra Müller-Steinhauer (l.), Polizeipräsidentin in Bielefeld, und Alexandra Dorndorf, Polizeipräsidentin in Münster
Dr. Sandra Müller-Steinhauer (l.), Polizeipräsidentin in Bielefeld, und Alexandra Dorndorf, Polizeipräsidentin in Münster
© Uni Münster - Peter Leßmann

„Wir haben gelernt, strukturiert zu denken“

Die beiden Polizeipräsidentinnen Alexandra Dorndorf und Sandra Müller-Steinhauer erinnern sich an ihre Zeit an der Universität Münster

Von Sophie Pieper und Kathrin Kottke

Seit etwa einem Jahr sind Alexandra Dorndorf und Dr. Sandra Müller-Steinhauer als Polizeipräsidentin in Münster beziehungsweise Bielefeld in ihrem Amt. Beide haben an der Universität Münster Rechtswissenschaft studiert. Im Interview mit Sophie Pieper und Kathrin Kottke blicken sie auf ihr Studium zurück, erinnern sich an die Zeit in Münster und schildern ihre beruflichen Herausforderungen.

 

Sie haben beide etwa zeitgleich studiert – sind Sie sich mal über den Weg gelaufen?

Alexandra Dorndorf: Rechnerisch haben sich unsere Studienzeiten zwar überschnitten, und vermutlich sind wir uns während dieser Zeit auch mal in einer Veranstaltung oder in der Bibliothek begegnet – allerdings nicht wissentlich.

Sandra Müller-Steinhauer: Du hast ja zwei Jahre nach mir angefangen. Ich war zu dieser Zeit sehr aktiv in der Fachschaft und habe die Orientierungswoche für die Erstsemester organisiert. Da müsstest du auch dabei gewesen sein.

Auch wenn Sie sich nicht kannten, teilen Sie vermutlich viele Erinnerungen an das Studium. Woran denken Sie besonders gerne zurück?

Dorndorf: Ich mochte das Jura-Studium von Beginn an. Damals hatte ich eine Reihe von Professoren, die mich sehr beeindruckt und gleichzeitig für ihr Fachgebiet begeistert haben. Zum Beispiel Hans Brox – die ,Größe‘ im Erbrecht – oder Wilfried Schlüter, der ein Experte für Familien- und Schuldrecht ist. Auf meine Zeit an der Uni Münster blicke ich wirklich gerne zurück. Obwohl die Klausurenphase anstrengend war.

Müller-Steinhauer: Das stimmt! In der Rückschau verklärt sich sicherlich einiges. Mir hat besonders gefallen, dass ich plötzlich unter so vielen Leuten war. Ich komme gebürtig aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Warstein, und mich hat dieser Trubel fasziniert. Vor allem die großen Vorlesungen fand ich toll. Trotz der Größe hatte ich aber immer ein familiäres Gefühl im Studiengang. Ich bin jedes Mal etwas früher zur Vorlesung gegangen, um mit einigen Kommilitonen vor Beginn zu quatschen. Aber ich stimme dir zu, die Abschlussphase des Studiums war kräftezehrend.

Wie haben Sie beide denn die Zeit abseits von Vorlesungen und Klausuren in Münster verbracht?

Dorndorf: In den Pausen war ich meistens auf dem Platz rund um die Petrikirche. Das war einer meiner liebsten Orte in Münster. Einige Jahre später haben mein Mann und ich übrigens in dieser Kirche geheiratet. Er ist auch Jurist – da passte die Kirche wirklich gut.

Müller-Steinhauer: Bei mir sind es zum einen die Rieselfelder, in denen wir endlos spazieren gegangen sind, zum anderen die Frauenstraße, in der wir stundenlang in einem Restaurant gesessen, gegessen und auch sogar fürs Studium gearbeitet haben. Diese Vorliebe habe ich an meine Tochter vererbt – sie hat auch in Münster studiert und lebt dort. Die Frauenstraße mochte sie von Beginn an genauso wie ich zu meinen Studienzeiten. Ein weiteres Highlight war natürlich immer auch das JuWi-Fest.

Hatten Sie damals schon eine Ahnung, welche berufliche Richtung Sie einschlagen wollen?

Dorndorf: Nein, zu Beginn des Studiums kannte ich nur die üblichen juristischen Berufsbilder wie Anwältin oder Richterin, der Weg in die öffentliche Verwaltung hat sich erst nach dem Studium im Referendariat aufgetan – und er passte gut zu meinem Interesse für öffentliches Recht.

Müller-Steinhauer: Ich habe mich für das Jura-Studium entschieden, gerade weil man sich zunächst nicht festlegen muss und einem alle Wege offenstehen. Im Studium habe ich aber schnell gemerkt, dass mich Strafrecht interessiert und mir Gerechtigkeit wichtig ist. Deswegen lag es nahe, dass ich Staatsanwältin werden wollte. Dass ich schlussendlich bei der Polizei lande, das hätte ich bis vor einem Jahr nicht gedacht.

Ein gutes Stichwort – Sie beide sind seit etwa einem Jahr im Amt. Ist der Job so, wie Sie ihn sich vorgestellt haben?

Dorndorf: Ich war vorher fünf Jahre bei der Polizei in Dortmund, deswegen hatte ich eine relativ genaue Vorstellung von dem, was auf mich wartet. Gleichzeitig hatte ich dadurch ein Netzwerk innerhalb der Polizei, auf das ich zurückgreifen konnte. Trotzdem gibt es in Münster andere polizeiliche Herausforderungen als in Dortmund. Ich musste daher in meine neue Rolle erst hineinwachsen. Als Polizei haben wir eine verantwortungsvolle Rolle für die Sicherheit in unserer Stadt. Dazu leiste ich gerne einen Beitrag. Nach einem Dienstjahr kann ich sagen, dass es eine spannende Aufgabe ist, die viel Spaß macht, die eine riesige Verantwortung mit sich bringt und viel Raum für Gestaltung ermöglicht.

Müller-Steinhauer: Dem kann ich mich anschließen. Ich genieße jeden Arbeitstag. Übrigens hätte auch ich nicht gedacht, dass die Rolle nach außen ein so wichtiger Bestandteil des Jobs ist und ich so stark wahrgenommen werde. Mir zeigt das, wie wichtig die polizeiliche Arbeit ist. Anders als du kannte ich die Polizei ‚von innen‘ vorher nicht, sondern nur ‚von außen‘ aus der Perspektive der Staatsanwältin. Jetzt habe ich viel mehr gestalterische Möglichkeiten: Die Polizei arbeitet präventiv, die Strafjuristen kommen erst zum Einsatz, wenn es schon zu spät ist.

Welche Fähigkeiten aus Ihrem Jura-Studium sind in Ihrem Amt denn besonders wichtig?

Müller-Steinhauer: Wir haben vor allem gelernt, strukturiert zu denken. Im Studium geht es weniger um das Auswendiglernen von Gesetzestexten, sondern darum, etwas von Anfang bis Ende konsequent durchzuarbeiten und gleichzeitig die Dinge kritisch zu betrachten.

Dorndorf: Exakt. Durch unser Studium können wir komplexe Themen in einzelne Teile zerlegen und betrachten, um sie zum Schluss wieder zu einem großen Ganzen zusammenzusetzen. Genau das macht mir viel Spaß.

Was würden Sie aus Ihrer jetzigen Sicht heutigen Jura-Studierenden mit den auf den Weg geben?

Müller-Steinhauer: Studierende sollten sich nicht entmutigen lassen, auch nicht von vermeintlichen Misserfolgen. Es ist nicht so wichtig, welche Note am Ende steht, denn es gibt viele Wege, die einem das Studium bietet.

Dorndorf: Genau richtig. Und die Studierenden sollten nicht vergessen, warum sie sich für die Rechtswissenschaft entschieden haben. Im Jura-Studium landet man, wenn man für Demokratie steht und den Rechtsstaat schätzt und verteidigen möchte. Gerade im Angesicht der aktuellen Krisen ist das wichtiger denn je.

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 5, 12. Juli 2023.