Jana Tepe
Jana Tepe.
© Robert Speidel

Anders arbeiten

Jana Tepe, Gründerin von Tandemploy, setzt sich für Flexibilisierung ein

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Dieser Text stammt aus dem alumni|förderer-Magazin der Universitätszeitung "wissen|leben", Ausgabe Sommersemester 2021.

Autorin: Nora Kluck

Jana Tepe (34), ist Gründerin und Geschäftsführerin des Digital-Start-Ups Tandemploy. Sie studierte von 2006 bis 2009 in Münster Kommunikationswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre und schloss mit dem Bachelor of Arts (B. A.) ab. In Enschede absolvierte sie anschließend den Masterstudiengang Communication Studies. Mit Anna Kaiser gründete sie 2013 in Berlin die Tandemploy GmbH und brachte damit eine Jobsharing-Plattform auf den Markt. Im Jobsharing sollte vor allem hochqualifizierten Stellensuchenden die Möglichkeit zur Arbeit in Teilzeit und zur Flexibilisierung gegeben werden. Mittlerweile bietet Tandemploy eine Software an, die Angestellte in Unternehmen für Jobsharing, Projekte, Kurzeinsätze und anderes verbindet und die dem Management einen Überblick über die Expertise und die Potentiale im Unternehmen gibt.

Eine Bewerbung und in Folge dessen ein neuer Job kann ein Leben verändern – das kommt häufig vor. Eher selten dürfte es aber das Leben der Personalvermittlerin sein, das nach einem Bewerbungsgespräch eine entscheidende Wendung nimmt. Genauso war es jedoch bei WWU-Alumna Jana Tepe. Bei ihrer ersten Stelle nach dem Studium betreute sie Digital-Start-Ups in einer Berliner Personalberatung. Als sie 2013 für einen Kunden eine Führungsposition in Vollzeit ausschrieb, landete eine ungewöhnliche Bewerbung auf ihrem Tisch: Zwei Teilzeitkräfte bewarben sich als Tandem auf die Stelle, um sie im sogenannten Jobsharing gemeinsam zu besetzen.
„Das Interview mit den beiden war ein Schlüsselmoment für mich“, erinnert sich Jana Tepe. „Ich habe mich gefragt, warum Führungspositionen immer nur mit einer Person in Vollzeit besetzt werden müssen.“ Begeistert berichtete sie nach dem Gespräch ihrer Kollegin Anna Kaiser von der Jobsharing-Idee. Der Funke zündete. Aus ihrer Berufserfahrung wussten beide, dass Bewerberinnen und Bewerber oft frustriert sind über die mangelnde Flexibilität bei der Arbeitszeit, vor allem bei Stellen für hochqualifiziertes Personal. Dabei bringt die Besetzung einer Vollzeitstelle mit zwei Teilzeitkräften auch Vorteile für das Unternehmen. Das Tandem kann sich fachlich und in seinen Stärken ergänzen, für Krankheits- und Urlaubsvertretung ist gesorgt. „Mich hat gewundert, dass Unternehmen dieses Modell nicht strategisch einsetzen“, erklärt die 34-Jährige.

Zwei Tage Recherche, dann kündigten sie

Zwei Tage lang recherchierten sie und Anna Kaiser zum Thema Jobsharing und stellten fest, dass das Thema vor allem in Deutschland kaum präsent war. „In der deutschen Google-Suche gab es nur einen veralteten Wikipedia-Eintrag zu dem Stichwort.“ Nach diesen zwei Tagen kündigten die beiden ihre Jobs bei der Personalberatung und begannen mit dem Aufbau von „Tandemploy“, einer Job-Plattform für Stellen, die im Jobsharing besetzt werden sollen. Für die Programmierung stellten sie einen IT-Experten ein. Finanziert wurden sie in der Anfangszeit von einem EXIST-Gründerstipendium der Bundesregierung und durch eine Crowdfunding-Kampagne. Zusätzlich stiegen zwei sogenannte Business Angels in das Start-Up ein. Business Angels sind Personen, meist Unternehmer, die Gründerinnen und Gründer nicht nur finanziell, sondern auch mit ihrem Erfahrungsschatz und ihren Kontakten unterstützen, um den Neugründungen zum Erfolg zu verhelfen. Inzwischen findet sich eine Reihe von ihnen im Gesellschafterkreis von Tandemploy.
Im Jahr 2014 ging die Job-Plattform online und traf offenbar einen Nerv. Für Bewerber war sie kostenlos, Unternehmen zahlten für die Vermittlung. Hochqualifizierte Bewerberinnen und Bewerber registrierten sich, unter anderem aus den Bereichen Marketing, Vertrieb und Controlling. 40 % davon waren Männer – das zeigte den Gründerinnen, dass nicht nur Frauen flexibler arbeiten möchten. Jana Tepe und Anna Kaiser sind seitdem gefragte Expertinnen für das Thema Jobsharing und werden nicht müde, Unternehmen von den Vorteilen dieses Modells zu überzeugen.

Von der Plattform zur Unternehmenssoftware

2015 wurde Tandemploy in den „Microsoft Accelerator“ aufgenommen, ein Förderprogramm des Softwareunternehmens für Digital-Start-Ups. In dieser Zeit wuchs das Team auf zehn Personen an. Auch der Fokus änderte sich. Großunternehmen fragten an, ob Tandemploy zusätzlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bereits im Unternehmen arbeiteten, miteinander vernetzen könne. „Uns wurde klar, dass das der größere Hebel ist, um gesellschaftlich etwas zu bewirken“, erläutert Jana Tepe. „Denn die meisten Arbeitnehmer suchen keine Stelle auf dem freien Jobmarkt, sondern sind schon in den Unternehmen tätig.“ Also entwickelten sie ein neues Produkt. Seitdem verbindet die Tandemploy-Software mehr als nur Jobsharing-Partner. Über das sogenannte „Matching“ finden die Unternehmen in ihren eigenen Reihen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für interne Kurzeinsätze, Projekte, Mentorenprogramme, Generationenaustausch, Coffee- und Lunch-Dates – und natürlich immer noch für das Jobsharing. Große Unternehmen ermöglichen damit die Kommunikation zwischen Beschäftigten, die einander in weitläufigen Konzernstrukturen vielleicht nie begegnet wären. Zugleich erhalten sie einen Überblick über die Potentiale und die Expertise der Angestellten. Zu den Kunden gehören DAX-Unternehmen wie SAP, Evonik und die Lufthansa. Vermehrt kommen inzwischen Mittelständler hinzu, wie kleinere Sparkassen, Krankenkassen oder Versicherungen.

Verbindungen im Homeoffice noch wichtiger

Gerade in der Corona-Pandemie hat sich dieses Instrument bewährt. Eine Bank benötigte zum Beispiel kurzfristig mehr Personal als sonst zur Bearbeitung von Kreditanträgen, und wusste dank Tandemploy, wo im Unternehmen das Wissen zusätzlich abrufbar war. Manche Firmen, wie die Lufthansa, sind erst in der Krise Tandemploy-Kunden geworden, um die richtigen Teams für Innovationsprojekte zusammenzustellen. Und auch die Angestellten profitieren. „Wir bekommen gerade in der Krise tolle Rückmeldungen von den Nutzern, weil die Verbindung zwischen den Mitarbeitern jetzt im Homeoffice noch wichtiger ist als vorher“, erzählt Jana Tepe.
Die Jobsharing-Plattform für den freien Stellenmarkt haben die Gründerinnen Ende 2020 abgeschaltet, weil sie die Kräfte ihres heute 30-köpfigen Teams für die Software bündeln möchten. „Als wir unsere Nutzerinnen und Nutzer angeschrieben und die Schließung der Plattform angekündigt haben, haben wir viel Dank bekommen“, freut sich Jana Tepe. „Vor allem von vielen Jobsharing-Tandems, die sich über uns gefunden haben.“

Für ihre Idee und ihren Einsatz für eine flexiblere Arbeitswelt sind Jana Tepe und Anna Kaiser vielfach ausgezeichnet worden, auch international. Sie befanden sich beispielsweise unter den 30 Unternehmerinnen unter 30 Jahren, die die BBC zu den „100 inspirierenden Frauen“ zählte. Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck ehrte sie 2015 im Rahmen des Wettbewerbs „Deutschland – Land der Ideen“. Das „Personalmagazin“ wählte sie unter die „40 HR-Köpfe 2019“, eine wichtige Auszeichnung im Bereich Personalmanagement („Human Resources“).

Ein Unternehmen zu gründen, war Jana Tepe nicht in die Wiege gelegt. „Meine Eltern sind Lehrer“, berichtet sie. „Und auch im Studium war Gründung – anders als heute – kein Thema. Auch nicht in meinem Nebenfach BWL.“ Von ihrem Studium an der WWU Münster profitiert sie dennoch konkret. „Durch die Kommunikationswissenschaft habe ich ein Faible für Pressearbeit. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Tandemploy mache ich bis heute selbst – das Themenfeld liegt allein bei mir.“

In den vergangenen Jahren hat Tandemploy verschiedene Finanzierungsrunden durchlaufen und damit seinen Gesellschafterkreis erweitert. Die jüngste Runde machte Ende 2020 Schlagzeilen in der Wirtschaftspresse, denn die Gründerinnen ließen dieses Mal bewusst nur Investorinnen zu. Damit wollten sie im Bereich der Start-Ups ein Zeichen setzen: In Deutschland gibt es wenige Gründerinnen, und diese erhalten weniger Kapital als männliche Gründer, wie eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group von 2018 belegt. Ein Grund dafür ist, dass die Finanzierer überwiegend Männer sind, die ihresgleichen – bewusst oder unbewusst – oft bevorzugen. „Wir finden, dass bei Tandemploy diversere Perspektiven nötig sind“, betont Jana Tepe. „Denn wir treffen mit unseren Gesellschaftern strategische Entscheidungen.“ Mit dem „All female deal“ erhielt Tandemploy fünf neue Gesellschafterinnen, darunter die Vize-Europachefin von Facebook und viele Aufsichtsrätinnen. Die Gründerinnen halten jedoch weiterhin einen großen Teil der Anteile an der GmbH.

„Keep the distance. Stay connected.“

Kurz vor dem Ausbruch der Pandemie hat das Start-Up neue Räume in einer alten Remise in Berlin-Mitte bezogen. Seitdem hat Jana Tepe dort allerdings keinen vollen Tag gearbeitet. Auch der Besprechungsraum „Alte Lotte“ – benannt nach dem Pferd, das einst dort stand – ist verwaist. Seit März 2020 arbeitet das Team im Homeoffice und hält die Verbindung über Distanz aufrecht – gemäß dem seit 2020 aktualisierten Unternehmens-Motto „Keep the distance. Stay connected.“ Verbindungen schaffen und aufrechterhalten – was immer schon das Kerngeschäft von Tandemploy war, ist in der Pandemie so wichtig wie nie.