Teilprojekt B05

Politisches Entscheiden über Sicherheit im britischen Parlamentarismus (16.-19. Jahrhundert)

Das Teilprojekt B05 untersuchte die Ausbildung politischen Entscheidens im englisch-britischen Parlamentarismus (vom 16. bis zum 19 Jhd.). In englischen Parlamentsverfahren deuten sich mindestens vier Kennzeichen und Dilemmata politischen Entscheidens an, die sie für die Erforschung von Kulturen des Entscheidens besonders aufschlussreich machen: (1) Durch die Trennung von Beratung und Entscheidung konnte der Beratungsprozess nicht nur überaus differenziert und vielschichtig verlaufen, sondern vor allem auch konflikthaft, ohne dass der Mehrheitsbeschluss dadurch in Frage gestellt worden wäre. (2) Weil der Mehrheitsbeschluss eine eigenständige Sequenz darstellte, ereigneten sich im englischen Parlament identifizierbare und für die Miterlebenden offenkundige Entscheidungssituationen. (3) Der Mehrheitsbeschluss nötigte die Beteiligten zu klarer Positionierung und schied sichtbar zwischen jenen, die zustimmten, und denen, die dissentierten. Er kannte Gewinner und Verlierer. (4) Schließlich implizierte das Vorgehen einen Hiatus zwischen Beratung und Beschluss und zeigte damit dessen Unableitbarkeit aus den vorangegangenen Diskussionen, aus den vorgebrachten Gründen und Argumenten. Anhand dieses Verfahrens lässt sich ganz grundsätzlich die Frage zu stellen, was eigentlich politisches Entscheiden heißt und wie dieses institutionalisiert werden konnte.

Die Untersuchungen konzentrierten sich dabei auf das Thema „Sicherheit“, denn es war geradezu der Gegenstand, an dem sich parlamentarisches Entscheiden vor 1800 ausdifferenzierte. Aus diesem Grund eignet sich das Gegenstandsfeld „Sicherheit“ für eine diachrone, epochenübergreifende und vergleichende Analyse politisch-parlamentarischen Entscheidens ebenso wie dafür, dieses in seiner ganzen Komplexität zu erfassen, also auch in seiner Widersprüchlichkeit, Anfälligkeit und seinem Scheitern. In den beiden Unterprojekten wurden Prozesse des parlamentarischen Entscheidens über Sicherheit für das ‚lange 17. Jahrhundert‘ (Unterprojekt A; Bearbeiter Benedikt Nientied) und das 19. Jahrhundert (Unterprojekt B; Bearbeiter: Matthias Friedmann) untersucht. Die mikrohistorischen Analysen dienten der Klärung der Frage, inwiefern überhaupt in den untersuchten Fällen entschieden wurde oder ob man es nicht vielmehr mit Praktiken des Nicht-Entscheidens zu tun hat. Sie zeigten darüber hinaus auch, auf welchen institutionellen und kulturellen Ressourcen materieller und immaterieller Art parlamentarische Verfahren beruhten.

Teilprojektleitung

Prof. Dr. Rolf Ahmann
Historisches Seminar
Domplatz 20-22
Zimmer 124
D-48143 Münster
Tel.: +49 251 83-24325
Fax: +49 251 83-24357
ahmannr@uni-muenster.de

PD Dr. André Krischer
Historisches Seminar
Fürstenberghaus
Zimmer 316
Domplatz 20-22
D-48143 Münster
Tel.: +49-251-83-28320
Fax: +49-251-83-28324
krischer@uni-muenster.de
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Wissenschaftliche Mitarbeiter

Benedikt Nientied
SFB 1150 „Kulturen des Entscheidens“
Hittorfstraße 17
D-48143 Münster
Tel.: +49 251 83-28323
benedikt.nientied@uni-muenster.de

Matthias Friedmann
SFB 1150 „Kulturen des Entscheidens“
Hittorfstraße 17
D-48143 Münster
Tel.: +49 251 83-28323
matthias.friedmann@uni-muenster.de

Publikationen

André Krischer

  • (zusammen mit Philip HOFFMANN-REHNITZ und Matthias POHLIG) Entscheiden als Problem der Geschichtswissenschaft, in: Zeitschrift für Historische Forschung 45 (2018), S. 217-281.
  • Der Gerichtsprozess als Prozess des Entscheidens. Ein Betrugsfall vor dem englischen Kanzleigericht um 1750, Working Paper des SFB 1150 (2018), DOI: 10.13140/RG.2.2.21441.81762/1.
  • Die Co-Produzenten der Entscheidungen. Materielle Ressourcen in englischen Gerichtsprozessen des 18. Jahrhunderts, in: Kulturen des Entscheidens. Narrative – Praktiken – Ressourcen (Kulturen des Entscheidens, 1), hrsg. von Ulrich Pfister, Göttingen 2019a, S. 142-167.
  • Wie das Gericht entscheidet. Ein Beispiel aus der Praxis des englischen Court of Chancery in der Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Urteiler, Richter, Spruchkörper. Entscheidungsfindung und Entscheidungsmechanismen in der europäischen Rechtskultur, hrsg. von Anja Amend-Traut, Ignacio Czeguhn und Peter Oestmann, Köln u. a. 2019 (im Druck).

Matthias Friedmann

  • (zusammen mit Alexander DURBEN, Laura-Marie KRAMPE, Benedikt NIENTIED und André STAPPERT) Interaktion und Schriftlichkeit als Ressourcen des Entscheidens (ca. 1500-1850), in: Kulturen des Entscheidens. Narrative – Praktiken – Ressourcen (Kulturen des Entscheidens, 1), hrsg. von Ulrich Pfister, Göttingen 2019, S. 168-208.
  • Informationen über Verschwörungen? Entscheiden in Fragen der „Inneren Sicherheit“ im britischen Parlament (1811-1819), in: Höllische Ingenieure. Attentate und Verschwörungen als politische Kriminalität, ca. 1400-1900, hrsg. von André Krischer und Tilman Haug, Konstanz 2019 (im Druck).

Benedikt Nientied

  • (zusammen mit Alexander DURBEN, Matthias FRIEDMANN, Laura-Marie KRAMPE und André STAPPERT) Interaktion und Schriftlichkeit als Ressourcen des Entscheidens (ca. 1500-1850), in: Kulturen des Entscheidens. Narrative – Praktiken – Ressourcen (Kulturen des Entscheidens, 1), hrsg. von Ulrich Pfister, Göttingen 2019, S. 168-208.
  • Security of the Crown, Safety of the Nation. Die Sicherheit von Monarch, Staat und Religion als politisches Problem im englischen Parlament, ca. 1570-1680, in: Höllische Ingenieure. Attentate und Verschwörungen als politische Kriminalität, ca. 1400-1900, hrsg. von André Krischer und Tilman Haug, Konstanz 2019 (im Druck).