Teilprojekt A03

Grammatiken des Entscheidens: die philosophisch-handlungstheoretische Perspektive

Wie hängen die mentale und die soziale Dimension des Entscheidens miteinander zusammen? Wird die soziale Rahmung von Entscheidungsphänomenen durch innere, rationale Wahlakte präfiguriert? Oder ist umgekehrt unser Verständnis mentaler Entscheidungen durch das historisch wandelbare soziale Entscheiden bestimmt? Wie verhalten sich normative und deskriptive Konzeptionen mentalen und sozialen Entscheidens zueinander?

Dies sind philosophisch grundlegende Fragen, denen sich jede Entscheidungstheorie zu stellen hat. Ihre Aufhellung soll dazu beitragen, die Potentiale und Grenzen des dominanten Paradigmas der decision sciences zu explizieren, aber auch dazu, die kulturwissenschaftliche Alternative, die der SFB entwickelt hat, in seinen Grundannahmen zu reflektieren und wenn nötig zu korrigieren. Zu diesem Zweck wird eine philosophische Analyse des Begriffsfeldes Entscheiden vorgenommen. Sie soll zu einer Theorie führen, die sensibel gegenüber historisch sich wandelnden Gestalten entscheidungsförmigen Handelns und kontextsensitiv hinsichtlich spezifisch kulturwissenschaftlicher Erkenntnisinteressen am Entscheidungsphänomen ist.

Dabei stand eine Klärung des Verhältnisses insbesondere zweier in unsere alltägliche Sprache eingelassener ‚Grammatiken‘ des Entscheidens im Zentrum: (a) Dezision im Sinne des Sich-Entscheidens als inneren Handelns und (b) Entscheiden als sozial-institutionales Geschehen. Die Leithypothese unseres Projekts lautet, dass eine philosophische Explikation ihren Ausgang von unseren sozialen Zuschreibungspraxen nehmen muss und eine angemessene Theorie das Entscheidungsphänomen als sozial-externalistisches Geschehen fassen sollte. Die gegenteilige Annahme, dass die beiden Grammatiken (a) und (b) als distinkte und klar getrennte Bereiche aufzufassen sind, liegt vielen Handlungs- und Entscheidungstheorien implizit oder explizit zugrunde. Sie wird als unplausibel zurückgewiesen.

Dieses Ziel verfolgte das Projekt zum einen mit einem historisch-systematisch Zugang: der Rekonstruktion der Verhältnisbestimmungen von mentalem und sozial verfasstem Handeln und Entscheiden in der Philosophie Hegels. Zum anderen wurden die modernen Angebote der analytischen Handlungs- wie Autonomietheorie kritisch aufgearbeitet. Dabei wurden die Grundlagen einer kulturwissenschaftlich anschlussfähigen und wissenschaftstheoretisch reflektierten Theorie entscheidungsförmigen Handelns autonomer und über die Zeit hinweg ihr Leben organisierender Personen sichtbar.

Publikationen

Michael Quante:

Monographien:

  • Pragmatistic Anthropology. Münster 2018.
  • Philosophische Handlungstheorie. Paderborn u.a. 2020.

Herausgeberschaft:

  • Karl Marx: Das Kapital. Mit einer Einleitung und einem Kommentar hrsg. von Michael Quante. Hamburg 2019.

Aufsätze/Beiträge:

  • The Logic of Essence as Internal Reflection, in: The Oxford Handbook of Hegel, hrsg. von Dean Moyar, New York 2017, S. 242-268. Pragmatistic Anthropology, Münster 2018a.
  • Zeitlichkeit, personale Lebensform und Ethik, in: Zeit – eine normative Ressource, hrsg. von Reinold Schmücker, Frankfurt a. M. 2018b, S. 33-47.
  • ‚Handlung ist Wirklichkeit.‘ Hegels handlungstheoretische Fundierung des Wirklichkeitsbegriffs, in: Rechtsphilosophie 1 (2018c), S. 1-15.
  • Einleitung. In: Quante Michael (Hrsg.): Karl Marx: Das Kapital. Mit einer Einleitung und einem Kommentar herausgegeben von Michael Quante., Hamburg 2019a, S. XI-XLIX.
  • Anmerkungen. In: Quante Michael (Hrsg.): Karl Marx: Das Kapital. Mit einer Einleitung und einem Kommentar herausgegeben von Michael Quante. Hamburg 2019b, S. 829-882.
  • Auf dem Weg zur materialistischen Geschichtsauffassung? In: Bayertz Kurt, Hoesch Matthias (Hrsg.): Die Gestaltbarkeit der Geschichte. Hamburg 2019c, S. 117-136.
  • Prägungen durch Kultur - über den Zusammenhang von Personsein und Hass. In: Gethmann C. F., Graf F. W. (Hrsg.): Identität - Hass- Kultur. Göttingen 2019d, S. 144-171.
  • The ‚Self‘. In: Wagner-Egelhaaf, M. (Eds.): Handbook of Autobiography / Autofiction. Volume I: Theory and Concepts. Berlin 2019e, p. 390-397. (mit Michael Kühler)
  • Identity. In: Wagner-Egelhaaf M. (Ed.): Handbook of Autobiography / Autofiction. Volume I: Theory and Concepts. Berlin 2019f, p. 305-309. (mit Annette Dufner)
  • Authenticity. In: Wagner-Egelhaaf M. (Ed.): Handbook of Autobiography / Autofiction. Volume I: Theory and Concepts. Berlin 2019g, p. 216-221. (mit Michael Kühler)
  • Personality. In: Wagner-Egelhaaf M. (Ed.): Handbook of Autobiography / Autofiction. Volume I: Theory and Concepts. Berlin 2019h, p. 372-377. (mit Annette Dufner und Michael Kühler)

Tim Rojek

  • Überlegungen zur methodischen Rekonstruktion der Geschichtswissenschaft. Eine Skizze, in: Von der Quelle zur Theorie, hrsg. von Anne-Sophie Naujoks und Jendrik Stelling, Münster 2018a, S. 59-80.
  • Politikai döntések a gyorsuló idöben, in: Metzetek 7, 4 (2018b), S. 185-205. (mit Laszlo Balogh und Manon Westphal)
  • Die Einheit von Theorie und Praxis. Praxiskonzepte vom Linkshegelianismus bis zum historischen und dialektischen Materialismus, in: Handbuch Praxisphilosophie, hrsg. von Thomas Bedorf und Selin Gerlek, Tübingen 2019a, S. 73-104.
  • Die Rolle der Philosophie in interdisziplinären geisteswissenschaftlichen Arbeitszusammenhängen, in: Angewandte Philosophie. Eine internationale Zeitschrift. Heft 1, 2019b, S. 115-132.
  • „Moden, Trends und wissenschaftliche Relevanz in den Geisteswissenschaften. Wissenschaftsphilosophische und wissenschaftssoziologische Überlegungen,“ in: Hubertus Busche/Yvonne Förster (Hrsg.): Mode als Prinzip der Moderne? Ein interdisziplinärer Erkundungsgang. Tübingen 2019c, S. 175-196.
  • „Person und Persönlichkeit“, in: Hiroshi Goto/Shingo Segawa/Michael Quante/Tim Rojek (Hrsg.): Der Begriff der Person in systematischer wie historischer Perspektive: ein deutsch-japanischer Dialog. Paderborn 2020, S. 145-160. [erscheint im Februar 2020]
  • Redehandlungstheoretische Überlegungen zur Semantik und Performatorik von ‚Entscheiden‘, in: Narrative und Semantiken des Entscheidens, hrsg. von Philip Hoffmann-Rehnitz, Matthias Pohlig, Tim Rojek und Susanne Spreckelmeier, Göttingen 2020. [zum Druck angenommen]

Michael Quante / Tim Rojek

Beiträge:

  • Entscheidungen als Vollzug und im Bericht: Innen- und Außenansichten praktischer Vernunft, in: Kulturen des Entscheidens. Narrative – Praktiken – Ressourcen (Kulturen des Entscheidens, 1), hrsg. von Ulrich Pfister, Göttingen 2019a, S. 37-51.
  • Diesseits von methodologischem Individualismus und Mentalismus. Auf dem Wege zu einer geistes- und kulturwissenschaftlichen Theorie des Entscheidens. Reflexionen der Dialektik einer interdisziplinären Problemkonstitution, in: Angewandte Philosophie. Eine internationale Zeitschrift (2019b), Heft 1,: Interdisziplinarität in den Geistes- und Sozialwissenschaften, hrsg. von Michael Quante und Tim Rojek, S. 133-153. (mit Philip Hoffmann-Rehnitz und Ulrich Pfister)

Herausgeberschaften:

  • Interdisziplinarität in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Heft 1 von: Angewandte Philosophie. eine internationale Zeitschrift (2019), hrsg. von Michael Quante und Tim Rojek
  • Der Begriff der Person in systematischer wie historischer Perspektive: ein deutsch-japanischer Dialog. Paderborn 2020. (Hrsg. mit Hiroshi Goto, Shingo Segawa) [erscheint im Februar 2020]