(D2-9) Die Rezeption des Danielbuches bei Thomas Müntzer

Nebukadnezzars Traum von den vier Weltreichen in Daniel 2 mit seiner Lehre von der translatio imperii ist ein zentraler Text der europäischen Geschichte geworden und diente sowohl zur religiösen Legitimierung von Herrschaft, als auch zu deren Infragestellung.

Das Projekt untersucht im Anschluss an Vorarbeiten zur Thematik (Rüdiger Schmitt, Der „Heilige Krieg“ im Pentateuch und im deuteronomistischen Geschichtswerk: Studien zur Forschungs-, Rezeptions- und Religionsgeschichte von Krieg und Bann im Alten Testament, AOAT 381, Münster 2011) den Versuch, wie biblische Texte, hier insbesondere die Erzählung von den vier Reichen im Buche Daniel in Situationen politischer, sozialer und religiöser Konflikte benutzt worden sind, um Gewaltanwendung zu begründen und die bestehende soziale Ordnung zu delegitimieren und umzustürzen. Thomas Müntzer als Vertreter der radikalen Reformation bietet sich hierbei in besonderem Maße an, da seine theologische Entwicklung und seine Radikalisierung zum einen durch das Corpus seiner Schriften besonders gut dokumentiert sind und zum anderen da Müntzer in seinen Schriften immer wieder insbesondere auf alttestamentlichen Kriegstexte und das Danielbuch rekurriert. Im Zentrum des Projekts steht Müntzers Rezeption der Lehre von den vier Weltreichen und ihre herrschaftskritische Reinterpretation. Müntzers „Fürstenpredigt“ ist für sein Werk hierbei von besonderer Bedeutung, da dieser Text wie kein anderer das Selbstverständnis Müntzers als gottgesandter Prophet und „neuer Daniel“ reflektiert, dessen Aufgabe es ist, die Herrschenden zur „wahren Furcht Gottes“ zu ermahnen.  In der Überzeugung, die Endzeit sei angebrochen, sieht sich Müntzer nicht nur als Prophet, sondern auch als Katalysator des Endgerichts, das (im Gegensatz zu Luther) als unmittelbar präsentisches Geschehen aufgefasst wird, an dem die „Auserwählten“ tätig mitzuwirken haben. Untersucht werden sollen insbesondere die Kriterien legitimer und illegitimer Herrschaft und die Legitimierung von Gewalt gegen die herrschende kirchliche und weltliche Ordnung bei Müntzer, auch im Vergleich mit seinem Antipoden Luther. Die Studie fragt auch – ausgehend von einer exegetischen, insbesondere traditionsgeschichtlichen Analyse – nach den Auslegungstraditionen von Dan 2 von der Zeit der Makkabäer bis in die Epoche der frühen Neuzeit, die Müntzers spezifische Ausdeutung beeinflusst haben beziehungsweise von denen er sich absetzt, sowie nach der Rezeption von Müntzers „Fürstenpredigt“ selbst, ist Müntzer doch eine zentrale Referenzfigur für die sogenannte „Frühbürgerliche Revolution“ in der Geschichtsschreibung der DDR geworden.