(B8) Inszenierungen politischer Autorschaft in augusteischer Zeit

Gegenstand der Untersuchung sind die Transformationen der Konzepte von Autorschaft in spätrepublikanischer und augusteischer Literatur, in der die Auseinandersetzung mit der politischen und kultischen Neuordnung Roms eine entscheidende Rolle spielt.

Charakteristisch für die augusteische Literatur ist ihre Aufmerksamkeit für die Fragen des Verhältnisses zwischen Politik und Kult, das durch die umfassenden Neuordnungsbestrebungen des Prinzipats und die zentrale Stellung von Techniken der Inszenierung von Macht bedingt war. Andererseits erhoben die Dichter Anspruch auf eine eigenständige, mit kultischen und magistralen Institutionen konkurrierende Legitimation als Seher (vates), die Vergangenheit und Zukunft im Hinblick auf die Gegenwart zu bestimmen erlauben und ihnen die Anerkennung als öffentliche Instanz sichern sollte.

Mythenexegese in Übereinstimmung mit der oder in Differenz zur politisch motivierten Deutung sowie die Kommentierung der kultischen Verfasstheit der römischen Gegenwart sind in verschiedenen Gattungen auszumachen und auf ihre Bedeutung für das veränderte Selbstverständnis der Autoren hin zu untersuchen. Komplementär zueinander stehen die Untersuchung der Prosaautoren, die politische und kultische Gegenstände den hellenistischen Wissenschaftsvorstellungen unterwerfen (Geschichtsschreibung, gelehrtes Fachschriftstellertum) und die Analyse der Texte als Zeugnisse für einen spannungsreichen Wettkampf zwischen Literatur und Politik um Deutungshoheit. Vorrangige Fragen gelten den Modellen, die besonders die Dichter als Kommentatoren der augusteischen Religionspolitik von tatsächlichen oder idealen Relationen zwischen Politik, Kult und Literatur entwerfen, und der Bedeutung, die sie der Selbstinszenierung politischer Instanzen als Kulterneuerer in Rom zumessen (Beispiel: Horaz und die Liebeselegie).

Von besonderem Interesse für die Erforschung des literarischen Diskurses in einer Zeit kulturellen Umbruchs wird die Frage sein, in welcher Weise die neuen Konzepte von Autorschaft und Prinzipat Auswirkungen auf die Rolle des Rezipienten im literarischen Selbstverständigungsprozess hatten und welche Prozesse von zu- oder abnehmender Relevanz der Mitarbeit des Lesers in den Schriften zutage treten (etwa in der Entwicklung von Gattungen hin zu normativen Sprechweisen, in denen die rhetorische Trias der Kommunikation einseitig geschwächt werden kann).

Autorschaft und ihre Inszenierung in außerliterarischen Kontexten lässt sich so als paradigmatisches Konzept für die Relationsbestimmungen zwischen verschiedenen kulturellen Feldern (Literatur, Politik, Religion) von der spätrepublikanischen bis zur frühkaiserzeitlichen Epoche erweisen. Die Transformationen der römischen Kultur zeigen sich in der Veränderung der Selbstwahrnehmung und -konzeption von Autoren, deren Selbstermächtigung gleichermaßen das Modell der Machtkonzentration auf den Princeps nachahmt wie es jenes auf seine Berechtigung hin befragt.