(B2-16) Mediale Strategien von Städten und Herrschern in multireligiösen Gesellschaften der Antike: Präsenz und Absenz „fremder“ Kulte im Lichte materieller Zeugnisse

Das Projekt widmet sich einem spezifischen Aspekt antiker Religionspolitik, nämlich dem medialen Umgang multireligiöser Gesellschaften mit ‘fremden’ (z. B. ägyptischen oder sog. orientalischen) Kulten. Im Zentrum unserer Forschungen steht die Frage, inwieweit die öffentliche Präsenz oder die Absenz von Gottheiten bzw. Kulten Indikatoren für religionspolitische Interessen oder Desinteressen politischer Autoritäten sind.

Dem Münzbild als dem einzigen mobilen Massenmedium in Gesellschaften der griechisch-römischen Antike kommt hierbei eine zentrale Rolle zu. Dabei betrachten wir Münzen nicht isoliert, sondern im Kontext weiterer materieller Zeugnisse von Religiosität und Religionsgemeinschaften, wie Heiligtümern, Kultstatuen und Votiven. Ausgangspunkt für unsere Untersuchungen ist die von der Forschung anerkannte Prämisse, dass alle Prägeautoritäten über das Medium Münzbild religiöse Wertvorstellungen transportieren. Diese äußern sich in der Präsentation von Gottheiten des griechisch-römischen Pantheons und ihrer Symbole, denen eine zentrale Bedeutung zukommt – auf monarchischer (‘Herrscherkult’) oder lokaler Ebene (‘Polisreligion’) – und die sich ebenso in anderen archäologischen und/oder schriftlichen Quellengattungen nachweisen lassen. Dabei wird das religiöse Bild in der Regel einem politischen Zweck folgend instrumentalisiert.

Auf den antiken Münzen ist eine homogene griechische oder römische Bildsprache die Regel. Sie präsentieren deshalb zwar eine vielfältige Götterwelt, bleiben jedoch meist auf das jeweils eigene Pantheon beschränkt. In diesem Kontext lassen sich zwei von der Regel abweichende Phänomene beobachten, die wir hinsichtlich ihrer Bedeutung Regionen- und Epochen-übergreifend untersuchen wollen:

  1. Präsenz: In verschiedenen Perioden werden Münzen mit „fremden“ religiösen Bildern emittiert, die nicht dem kanonischen griechischrömischen Pantheon entstammen,
  2. Absenz: In den Umlaufgebieten der Münzen gibt es weitverbreitete „fremde“ Kulte, die im offiziellen Münzbild keinen Niederschlag gefunden haben, sich aber durch sonstige archäologische und epigraphische Zeugnisse (Ausstattung von Heiligtümern, Votive, Inschriften) vielfach nachweisen lassen.

Die methodische Herangehensweise sieht eine vergleichende Betrachtung der Funde und Befunde vor, indem wir zum einen anhand von Fallbeispielen das betreffende numismatische Material den epigraphischen, literarischen und archäologischen Testimonia gegenüberstellen, um die medialen Strategien in der Religionspolitik von Städten und Herrschern sichtbar zu machen und historisch einordnen zu können. Der komparatistische Ansatz einer Auswertung von Fallbeispielen aus verschiedenen Prägekategorien ermöglicht es uns zum anderen, die gesamte klassische Antike in den Blick zu nehmen, indem wir die unterschiedlichen medialen Reaktionen verschiedener antiker Perioden bzw. politischer Souveräne (Prägeherr = Souverän) in Beziehung zueinander zu setzen können.


Das Projekt ist Teil der Koordinierten Projektgruppen Umgang mit Multireligiosität und Mediale Figurationen des Politischen und des Religiösen.