Hugo Falcandus und der Königshof in Palermo

Festvortrag zum 75. Geburtstag des Mittelalter-Historikers Prof. Dr. Gerd Althoff

Plakat
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Zum 75. Geburtstag des Mittelalter-Historikers Prof. Dr. Gerd Althoff vom Exzellenzcluster hält der Münchner Historiker Prof. Dr. Knut Görich einen Festvortrag über die Darstellung des Königsreichs Sizilien (1130-1861) durch den mittelalterlichen Schreiber Hugo Falcandus. „Die Chronik ‚Liber de regno Sicilie‘ des sogenannten Hugo Falcandus ist die wichtigste Quelle für die Geschichte des normannischen Königtums in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts“, erläutert Prof. Görich. Wegen seines kritischen Blicks auf den Königshof in Palermo werde der Text gerne dem Genre der Hofkritik zugeordnet – was er aber nur vordergründig sei, „denn bei aller Missbilligung von Verleumdung und Intrige, Habgier und Ruhmsucht der Höflinge ist dem Autor die Sorge um die Gefährdung ihres Seelenheils doch kaum eine Bemerkung wert.“ Die Widersprüchlichkeit seiner moralischen Urteile habe seit jeher für Ratlosigkeit gesorgt, so der Historiker der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

Der öffentliche Festvortrag trägt den Titel „Kryptomuslime, Palast und Verschwörungen: Hugo Falcandus empört sich über den Königshof in Palermo“. Er ist am Mittwoch, 11. Juli 2018, um 18.00 Uhr im Hörsaalgebäude des Exzellenzclusters, Raum JO 1, Johannisstraße 4 in Münster zu hören. Zu der Veranstaltung laden der Exzellenzcluster, der Sonderforschungsbereich 1150 „Kulturen des Entscheidens“ der WWU sowie die Historikerinnen Prof. Dr. Claudia Garnier und Prof. Dr. Christiane Witthöft und der Historiker Prof. Dr. Hermann Kamp ein. Gerd Althoff ist Seniorprofessor für Mittelalterliche Geschichte an der WWU und Vorstandsmitglied des Exzellenzclusters „Religion und Politik“, dessen Sprecher er von 2007 bis 2011 war.

Multireligiöse Verhältnisse auf Sizilien

Zum Vortragsthema führt Knut Görich aus, die Identität des Schreibers Hugo Falcandus und die Frage nach der „causa scribendi“, der Darstellungsabsicht seines Werkes, beschäftige die Wissenschaft bis heute. Als sicher gelte, dass er kein Einheimischer war: „Der Blick auf die multiethnischen und multireligiösen Verhältnisse auf Sizilien ist der Blick eines Außenstehenden. Formen und Praktiken der Herrschaftsausübung und Herrschaftsrepräsentation, die Verwaltungsexperten aus dem byzantinischen und fatimidischen Herrschaftsbereich dem erst 1130 gegründeten Königreich vermittelt haben, sind ihm fremd.“ Dem Anspruch, mit dem konvertierte Eunuchen ihren elitären Status am Hof inszenieretn, gelte seine Kritik ebenso wie dem Rückzug der Könige aus der Öffentlichkeit. Das Konkurrieren verschiedener Eliten um Zugang zum Herrscher und Teilhabe an der Entscheidungsfindung beschreibt Falcandus nach Görich als hochparteiischer Beobachter – „und die Niederlage jener Personengruppe, der er selber zugehört, kann er nur mit besonderen narrativen Strategien bewältigen“. So führe die Frage nach der Wahrnehmungsperspektive des Hugo Falcandus letztlich zur Frage nach der causa scibendi seines Werkes. (exc/maz/vvm)

Historiker Gerd Althoff

Prof. Dr. Gerd Althoff
Prof. Dr. Gerd Althoff
© Julia Holtkötter

Der Mittelalter-Historiker Gerd Althoff, langjähriger Sprecher des WWU-Exzellenzclusters „Religion und Politik“, hat richtungweisende Arbeiten in der Mittelalterforschung vorgelegt, insbesondere zu den Funktionsweisen mittelalterlicher Staatlichkeit und zu den Formen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören auch die damaligen Gruppenbindungen sowie die Konfliktführung und -beilegung.

Der Forscher hat viel beachtete Monografien vorgelegt, darunter das Buch „Selig sind, die Verfolgung ausüben“ über Papsttum und Gewalt im Mittelalter sowie „Ironie im Mittelalter“, das er gemeinsam mit der Philologin Prof. Dr. Christel Meier-Staubach verfasst hat. Zuletzt erschien eine Monographie über die Formen und Regeln politischer Beratung im Mittelalter unter dem Titel ‚Kontrolle der Macht‘. Als Standardwerke gelten Gerd Althoffs Arbeiten über die Ottonen- und Salierzeit sowie Bücher wie „Verwandte, Freunde und Getreue“, „Spielregeln der Politik im Mittelalter“ und „Die Macht der Rituale“. 2004 erhielt der Historiker den mit 30.000 Euro dotierten Forschungspreis der Universität Münster. Gerd Althoff war federführend an Ausstellungen wie „FRIEDEN. Theorien, Bilder und Strategien von der Antike bis heute“ in fünf Museen in Münster, „Goldene Pracht. Mittelalterliche Schatzkunst in Westfalen“ in Münster und „Spektakel der Macht“ in Magdeburg beteiligt.

Der 1943 in Hamburg geborene Gerd Althoff wuchs in Ibbenbüren im Münsterland auf. Nach dem Studium in Heidelberg und Münster, wo er auch promoviert wurde, habilitierte er sich in Freiburg, wurde 1986 nach Münster berufen und wechselte 1990 nach Gießen. Nach einer Professur in Bonn kehrte er 1997 nach Münster als Lehrstuhlinhaber für mittelalterliche Geschichte zurück. Nach der Emeritierung 2011 forscht er als Seniorprofessor an der WWU. Gastprofessuren in Berkeley in Kalifornien, Paris und in Moskau belegen seine internationale Anerkennung. (exc/maz/vvm)