Für ein Jahr als DAAD-Sprachassistentin nach Indonesien

von Theresa Burholt

Ein Erfahrungsbericht von Theresa Burholt (Master of Education Deutsch/Latein an der WWU Münster), von September 2016 bis Juni 2017 Sprachassistentin an der Staatlichen Universität Yogyakarta, Indonesien

„Welcome to Indonesia, Miss!“ Der freundliche balinesische Grenzbeamte stempelt meinen Pass und strahlt mich an. Ich atme einmal tief durch – jetzt geht sie also los, meine Sprachassistenz. Für mich ist es nicht das erste Mal in Indonesien. Vor zwei Jahren habe ich bereits mit der Studentenorganisation AIESEC an einer weiterführenden Schule Ostjava ein Praktikum an einer weiterführenden Schule gemacht, allerdings nur zwei Monate lang. Genug Zeit, um mich bis über beide Ohren in das Land und seine Kultur zu verlieben. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland stand für mich fest: Ich wollte längere Zeit in Indonesien arbeiten. Und dann kam der DAAD ins Spiel.

Das Sprachassistentenprogramm des DAAD

Jedes Jahr schickt der DAAD um die 100 Sprachassistenten in mehr als 80 Länder weltweit; Voraussetzung ist ein Bachelorabschluss in Germanistik oder DaZ/DaF. In der Regel unterrichten Sprachassistenten 8-10 Stunden pro Woche. Lebenshaltungskosten sind dabei kein Thema; der DAAD zahlt neben einer Flugkostenpauschale eine monatliche Stipendienrate von 1350 €, die ausreicht, um den gesamten Aufenthalt problemlos zu finanzieren.

Nach einem Auswahlgespräch in Bonn erhielt ich schließlich die Zusage vom DAAD: Im August 2016, nach meinem dritten Mastersemester, sollte es für mich ein Jahr nach Indonesien gehen, und zwar an die Staatliche Universität Yogyakarta (UNY) in Zentraljava.

Hauptaufgabe: Unterrichten

Projektarbeit
Die Studenten des dritten Semesters präsentieren die Ergebnisse ihrer Projektarbeit „Kleiner Indonesien-Knigge“
© Theresa Burholt Uni MS

Als Sprachassistentin ist meine Hauptaufgabe der Deutschunterricht: Pro Woche unterrichte ich 5 Seminare à 100 Minuten, alle im vierten Semester. Die Seminare haben verschiedene Schwerpunkte. In diesem Semester unterrichte ich zum Beispiel die Bereiche „Leseverstehen“, „Schreibfertigkeit“ und „Strukturen und Wortschatz“. Das übergeordnete Ziel ist es, die Studenten auf die nationale Deutschprüfung am Ende des Semesters vorzubereiten, die in etwa dem B1-Zertifikat des Gothe-Instituts entspricht.

Der Lehrplan orientiert sich im Grunde am Deutschbuch Studio d. Da ich aber sowohl den Unterricht als auch die Zwischenprüfungen eigenverantwortlich planen kann, habe ich insgesamt sehr viel Freiheit bei der Unterrichtsgestaltung. Das Lehrmaterial erstelle ich häufig selbst, und in einem meiner Kurse führe ich in diesem Semester ein empirisches Experiment für meine Masterarbeit durch, sodass ich meine Erfahrung aus dem Studium direkt mit der Praxis verbinden kann.

Obwohl es sich bei der UNY um eine Hochschule handelt, erinnert die Unterrichtssituation insgesamt eher an die Schule. Es gibt feste Klassenverbände mit ca. 15 Studenten pro Klasse, die während des gesamten Studiums (in der Regel 4 Jahre bis zum Bachelorabschluss) bestehen bleiben. Auch die Stundenpläne werden zentral für alle Studenten festgelegt – neben Deutsch stehen dann zum Beispiel Sportangebote oder Pancasila, die indonesische Staatsphilosophie, auf dem Programm.

Extracurriculare Aktivitäten

Die festen Klassenverbände führen aber auch dazu, dass es in den einzelnen Kursen eine stark ausgeprägte Gruppendynamik gibt. Außercurriculare Aktivitäten haben an der UNY einen sehr hohen Stellenwert: Sei es die Teilnahme an der deutschsprachigen Band Hallo Käse! (ja, sie heißt wirklich so!), am Käse-Chor, an der deutschsprachigen Theater-AG oder an verschiedenen Fachschaftsaktivitäten und -exkursionen – in Indonesien ist es quasi unmöglich, sich nicht irgendwo zu engagieren. Für die Studenten aus meinen Kursen veranstalte ich neben dem Unterricht deshalb regelmäßig Spiele-Nachmittage an der Uni, bei denen die Studenten auch außerhalb des Unterrichts Deutsch sprechen können – ganz entspannt bei Kaffee und Keksen, ohne Notendruck. Auch bei kulturellen Veranstaltungen an der UNY stehe ich den Studenten natürlich gerne zur Seite und helfe bei der Planung, wo immer es geht.

interaktive Sprachspiele
Besonders beliebt bei den Studenten: Das Rollenspiel „Die Werwölfe von Düsterwald“
© Theresa Burholt Uni MS

Immer unterwegs: Zu Besuch an Schulen in und um Yogyakarta

Neben meiner Tätigkeit an der Uni bekomme ich auch immer wieder Einladungen von Deutschlehrern, die ihren Schülern einmal eine „echte Muttersprachlerin“ präsentieren wollen. Erstaunlicherweise gibt es in Indonesien gar nicht mal so wenige Schulen, die in der Oberstufe Deutsch als zweite Fremdsprache (nach Englisch) anbieten. Gerade für die Schulen in eher ländlichen Gegenden ist es für die Schüler ein ganz besonderes Erlebnis, wenn sie zum ersten Mal Besuch aus Deutschland bekommen. Aus einem dieser Besuche hat sich erfreulicherweise eine langfristige Kooperation zwischen dem Germanistischen Institut in Münster und einer Schule in Yogyakarta ergeben: Ab September 2017 können interessierte Germanistikstudierende aus Münster ihr Schulpraktikum dort absolvieren (mehr Informationen gibt es auf der Homepages des Germanistischen Instituts).

Deutschunterricht
Unterrichtsbesuch im Deutschunterricht an der SMA Boyolali, ca. 70 km von Yogyakarta entfernt
© Theresa Burholt Uni MS

„Schnuppern“ in den Strukturen des DAAD

Gleich zu Anfang meiner Sprachassistenz erwartete mich ein ganz besonderes Erlebnis: Das jährlich stattfindende Lektorentreffen in der DAAD-Außenstelle in der Hauptstadt Jakarta. In Indonesien gibt es insgesamt vier Lektorinnen und Lektoren, die an unterschiedlichen Universitätsstandorten in Indonesien stationiert sind (eine davon praktischerweise direkt an der UNY). Ähnlich wie die Sprachassistenten arbeiten die Lektoren in erster Linie als Lehrkräfte vor Ort, organisieren darüber hinaus aber noch größere Projekte und kooperieren mit anderen Deutschabteilungen in Indonesien, sodass sich dort ein nachhaltiges Netzwerk ausbilden kann. Anders als die Sprachassistenten sind ihre Verträge auch nicht auf ein Jahr, sondern auf maximal fünf Jahre begrenzt. Hier konnte ich einen Eindruck davon gewinnen, wo der DAAD in Indonesien und auch international aktiv ist. Den Höhepunkt unseres Treffens bildete der Botschaftsempfang anlässlich der Feierlichkeiten zum dritten Oktober.

Zusammen mit der Lektorin vor Ort helfe ich auf Messen und Informationsveranstaltungen auch, über den Studienstandort Deutschland zu informieren – das ist zwar nicht Teil meines Aufgabenbereichs, bietet aber einen interessanten Einblick in die Arbeit der DAAD-Lektoren. Überhaupt ist es sehr praktisch, eine Lektorin vor Ort zu haben; gerade in der Orientierungsphase ist es sehr hilfreich, sich mit jemandem austauschen zu können, der mit dem Umfeld bereits vertraut ist.

Lektorentreffen
Das ganze Team auf unserem zweiten Lektorentreffen im Mai. Von rechts nach links: Marlene Klässner (Lektorin in Bandung), Svenja Völkert (Lektorin in Yogyakarta), Dr. Marco Stahlhut (Lektor in Jakarta), Christian Rabl (Lektor in Jakarta), Theresa Burholt (Sprachassistentin in Yogyakarta).
© Theresa Burholt Uni MS

Leben in Yogyakarta

Wie sieht mein Alltag abseits der Uni aus? Neben dem Unterricht an der Uni gehe ich dreimal die Woche zum Indonesisch-Unterricht. Das Schöne daran: Der DAAD übernimmt die gesamten Kosten! Nach fast einem Jahr reicht es immerhin schon für alltägliche Dinge wie Zeitunglesen. Fairerweise muss man dazu sagen, dass Indonesisch wahrscheinlich die leichteste Sprache der Welt ist: Lateinische Schrift, man spricht alles aus, wie es geschrieben wird, keine Flexion, kein Tempussystem, keine Artikel – und wenn man unbedingt mal einen Plural bilden will, sagt man das Wort einfach doppelt (teman: Freund – teman-teman: Freunde).

Mit ca. 3 Millionen Einwohnern bietet Yogyakarta außerdem ein schier riesiges Freizeitangebot. Ähnlich wie Münster ist es in erster Linie eine Studentenstadt – manchmal hat man geradezu den Eindruck, die gesamte Bevölkerung dort besteht aus jungen Leuten zwischen 20 und 30. Da es nicht selten passiert, dass man als Europäer auf der Straße angesprochen oder sogar nach einem Foto gefragt wird, ist es überhaupt nicht schwer, neue Leute kennen zu lernen.

Obwohl die Stadt sehr dicht besiedelt ist, ist sie insgesamt sehr grün und bietet ein einzigartiges kulturelles Profil. Mit dem historischen Sultanspalast im Zentrum und den zwei berühmten Tempelanlagen Borobudur (buddhistisch) und Prambanan (hinduistisch) in unmittelbarer Nähe ist die Stadt nicht ohne Grund eines der beliebtesten Touristenziele Indonesiens. Die Wochenenden eigenen sich hervorragend für kleine Ausflüge in die Umgebung: Ob Strand, Reisfelder, Vulkane, Regenwald oder Berge – alles ist bequem mit dem Roller erreichbar. Fazit: Eine Stadt, die in puncto Lebensqualität mit Münster durchaus mithalten kann!

javanischen Hochzeitsfeier
Auch das ist Teil des Studentenlebens: Zu Gast auf einer javanischen Hochzeit im Auditorium der UNY
© Theresa Burholt Uni MS

… und wie geht es weiter?

Meine Zeit in Yogyakarta neigt sich mittlerweile dem Ende zu. Rückblickend kann ich sagen, dass ich mich jederzeit wieder für eine Sprachassistenz entscheiden würde. Leider kann ich meinen Aufenthalt hier nicht verlängern – aber vielleicht klappt es nach dem Master ja mit einem DAAD-Lektorat?