Zelldynamik und Bildgebung

Kurzprofil unserer Forschung

Die Mitglieder unseres Wissenschaftsverbundes untersuchen, wie sich Zellen in Organismen bewegen und verhalten. Um Vorgänge im Organismus sichtbar zu machen und analysieren zu können, nutzen und entwickeln sie innovative Bildgebungsmethoden. Mediziner, Biologen, Chemiker, Pharmazeuten, Mathematiker, Informatiker und Physiker arbeiten dabei eng zusammen.

Unser Verbund ist die tragende Säule des Bereichs „Zelldynamik, Entzündung und Bildgebung“ im Forschungsprofil der Universität Münster. Wir fördern die Vernetzung und Zusammenarbeit von Forschenden verschiedener Fakultäten in diesem Gebiet und sind dadurch Inkubator für neue interdisziplinäre Fragestellungen, die dazu beitragen, den Forschungsschwerpunkt weiterzuentwickeln.

  • Zellen in Bewegung

    BEISPIELE

    Eine Bindegewebszelle einer Maus bewegt sich mit „Scheinfüßchen“ vorwärts. Forschende haben entdeckt, dass Membrankrümmungen am Ansatz der Scheinfüßchen einen Bewegungskreislauf in Gang setzen. Dadurch können sich Zellen über längere Distanz in die gleiche Richtung bewegen und Suchmuster formen. Darstellung mit Lichtblattmikroskopie. Begemann I et al./Nature Physics 2019.
    Eine Bindegewebszelle einer Maus bewegt sich mit „Scheinfüßchen“ vorwärts. Forschende haben entdeckt, dass Membrankrümmungen am Ansatz der Scheinfüßchen einen Bewegungskreislauf in Gang setzen. Dadurch können sich Zellen über längere Distanz in die gleiche Richtung bewegen und Suchmuster formen. Darstellung mit Lichtblattmikroskopie. Begemann I et al./Nature Physics 2019.
    © Isabell Begemann, Milos Galic
    • Eine Bindegewebszelle vor und nach mechanischer Belastung, dargestellt mit Fluoreszenzmikroskopie. Die Zelle bildet zunächst normale Adhäsionsstrukturen aus, die für die Anheftung an das umgebende Gewebe wichtig sind (links). Bestrahlung mit kurzen Laserimpulsen führt zu einem Zerbrechen der Verbindungen des Adhäsionsproteins Talin, ohne die die Zelle sich nicht mehr auf der Unterlage festhalten kann (rechts). Forschende entwickelten das Verfahren, mit dem sie einzelne Proteine mit hoher zeitlicher und räumlicher Kontrolle brechen können, um deren mechanische Bedeutung in Zellen zu untersuchen. Sadhanasatish T et al./Science Advances 2023.
      © AG Grashoff
    • Fluoreszenzmikroskopisches Bild von Epithelzellen, die im Eierstock einer Taufliege eine sich entwickelnde Eizelle umhüllen. Wissenschaftler fanden heraus, dass die Zellen dort, wo drei Zellen mit ihren Membranen (pink) aneinanderstoßen, in einem geordneten Prozess ihre Verbindungen lösen, und so ermöglichen, dass Dotter bildende Proteine durch die Zellzwischenräume (grün) in die Eizelle transportiert werden. Die Ergebnisse helfen zu verstehen, wie Zellverbindungen dynamisch umgebaut werden und wie Zellen auf diese Weise Barrieren bilden, die Gewebe schützen und Transportprozesse steuern. Isasti-Sanchez J et al./Developmental Cell 2021.
      © Isasti-Sanchez et al./Dev Cell 2021
    • Optischer Querschnitt durch das Gehirn einer Taufliege. Ein Forscherteam hat nachgewiesen, dass es neben der bereits bekannten Blut-Hirn-Schranke eine zweite Barriere im Gehirn von Taufliegen gibt, bei der ebenfalls Gliazellen die räumliche Trennung von funktionellen Reaktionsräumen gewährleisten, wie im Bild deutlich wird. Die grüne Färbung zeigt die Verteilung des extrazellulären Matrix-Proteins “Trol” an, das von allen umhüllenden Gliazellen gebildet wird. Pogodalla N et al./Nature Communications 2021.
      © Nicole Pogodalla, Christian Klämbt
    • Wissenschaftlern ist es gelungen, ein künstliches Hydrogel zu designen, in dem Endothelzellen (pinke Zellkerne) ausgehend von einem Ursprungsblutgefäß (senkrecht links im Bild) neue Blutgefäße bilden. Hier durchströmten sie die Gefäße mit einer Flüssigkeit aus fluoreszierenden Kügelchen (gelb) und zeigten mit Fluoreszenzmikroskopie, dass die Kügelchen in natürlicher Geschwindigkeit in die neuen Gefäße hineinfließen und dass diese tatsächlich mit dem Ursprungsgefäß verbundene Hohlräume bildeten. Liu et al./Nature Communications 2021.
      © Liu et al./Nat Comm 2021
    • Blutplättchen (rot) interagieren in bakteriell entzündetem Lungengewebe einer Maus mit bestimmten weißen Blutkörperchen – den regulatorischen T-Zellen (gelb). Forschende fanden heraus, dass diese Interaktionen eine bedeutende Rolle dafür spielen, dass sich eine Entzündung auflöst. Konfokale Fluoreszenzmikroskopie. Rossaint et al./Journal of Experimental Medicine 2021.
      © Rossaint et al./JExpMed 2021
    • Welche molekularen Mechanismen stecken dahinter, wenn Immunzellen bei Entzündungen aus dem Blutgefäß ins Gewebe wandern? Forschende haben herausgefunden: Das Protein Laminin 511 (rot) hemmt die Wanderung von Immunzellen (grün) durch die Endothelzellschicht (blau) der Blutgefäße. Immunzellen wandern vorrangig dort ins Gewebe, wo wenig Laminin vorkommt (Pfeile). Intravital-Mikroskopie. Song et al./Cell Reports 2017.
      © Song et al./Cell Reports 2017

    Jedem einzelnen Vorgang in einem Organismus liegen Wechselwirkungen zwischen Molekülen und Zellen zugrunde. Um diese komplexen Beziehungen zu verstehen, untersuchen wir, wie Komponenten innerhalb einer Zelle zusammenspielen und wie Zellen mit anderen Zellen interagieren. Wir erforschen, welche biochemischen und biophysikalischen Eigenschaften von Zellen ihr Verhalten beeinflussen, wie Gene diese Eigenschaften bestimmen und wie die dynamischen Prozesse in einem Organismus im gesunden Gleichgewicht bleiben – in der Homöostase. Ein Hauptaugenmerk unserer Forschung liegt auf zellulären Vorgängen im Blut- und Lymphgefäßsystem sowie auf deren Bedeutung für die Funktion von Organen. Wir untersuchen diese Zusammenhänge sowohl wenn sich Gefäße entwickeln als auch wenn sie bereits ausgebildet sind.

    Wenn wir mehr über die molekularen Mechanismen im gesunden Organismus herausfinden, können wir auch Rückschlüsse darauf ziehen, was im Körper bei Erkrankungen passiert und im Detail analysieren, wie sich intakte Zellsysteme zu erkrankten Systemen verändern. Vor allem interessieren wir uns für Entzündungsreaktionen: Immunzellen wandern dabei aus den Blutgefäßen ins Gewebe, um dort Infektionen zu bekämpfen oder Gewebeschäden zu reparieren. Diese Entzündungsreaktionen können ganz unterschiedlich ablaufen – je nachdem in welchen Organen und Gefäßen sie vorkommen. Bei Autoimmunerkrankungen richten sie sich auch gegen körpereigene Zellen. Die Mechanismen dahinter wollen wir verstehen.

  • Innovative Bildgebung

    BEISPIELE

    Verteilung von Immunzellen (rot) im Körper einer Maus mit einer entzündungsbedingten Hautkrankheit, dargestellt mit Fluoreszenz-Reflektions-Bildgebung. Forschende entwickelten eine Methode, mit der sie die Aktivität der Entzündungszellen besser beurteilen und untersuchen können: Sie schafften es, Vorläufer von Immunzellen genetisch zu verändern, anschließend im Reagenzglas zu vermehren und im lebenden Organismus zeitlich und räumlich zu verfolgen. Gran S, Honold L et al./Theranostics 2018.
    Verteilung von Immunzellen (rot) im Körper einer Maus mit einer entzündungsbedingten Hautkrankheit, dargestellt mit Fluoreszenz-Reflektions-Bildgebung. Forschende entwickelten eine Methode, mit der sie die Aktivität der Entzündungszellen besser beurteilen und untersuchen können: Sie schafften es, Vorläufer von Immunzellen genetisch zu verändern, anschließend im Reagenzglas zu vermehren und im lebenden Organismus zeitlich und räumlich zu verfolgen. Gran S, Honold L et al./Theranostics 2018.
    © S. Gran & L. Honold et al./Theranostics
    • Bildgebung von Tumoren mit Positronen-Emissions-Tomographie (PET, gestrichelte Kreise) im Körper einer Maus (rechts im Querschnitt). Mit einem neu entwickelten radioaktiven Substrat markierten Forschende im lebenden Organismus Tumorzellen. Zellen, die durch eine genetische Veränderung ein sogenanntes SNAP-tag-Enzym bilden, nahmen die Radioaktivität auf (orange), Zellen ohne dieses Enzym hingegen nicht. Das Forschungsteam setzte somit eine Zellmarkierungsstrategie aus der Mikroskopie – die sogenannte SNAP-tag-Technologie – erstmals für die Ganzkörperbildgebung mit PET um. Dies eröffnet die Perspektive, Zellen mit unterschiedlichen Bildgebungsverfahren und in verschiedenen zeitlichen Stadien zu untersuchen. Depke DA, Konken CP, Rösner L et al./Chemical Communications 2021.
      © Depke et al.
    • Mikroskopieaufnahme einer lebenden menschlichen Krebszelle in Zellkultur, deren Zellskelett mit fluoreszenzmarkiertem Phalloidin eingefärbt ist. Wissenschaftler schleusten diese giftige Substanz mit neu entwickelten Nanocontainern in die Zelle ein. Diese Nanocontainer aus Zucker- und Eiweißkomponenten nutzen natürliche Prozesse, um Substanzen in Zellen zu bringen, für die die Zellmembran normalerweise undurchlässig ist – beispielsweise markierte Substanzen zur Untersuchung von Zellfunktionen oder Medikamente. Kudruk S, Pottanam Chali S et al./Advanced Science 2021.
      © Kudruk & Pottanam Chali et al./Adv Sci 2021 (modified colours)
    • Mit einer neu entwickelten Software legten Wissenschaftler Mikroskopiebilder von Hunderten Zebrafischembryonen digital übereinander. So konnten sie Muster darin erkennen, wie sich Urkeimzellen bei Abwesenheit des Lockstoffrezeptors Cxr4b verhalten, und stellten fest, dass Gewebe an der Längsachse der Embryonen als physikalische Barriere fungiert: Es beeinflusst die Bewegungsrichtung der Zellen und verhindert, dass die Zellen durch das Gewebe hindurchwandern. Gross-Thebing, Truszkowski, Tenbrinck et al./Sci Adv 2020.
      © Gross-Thebing, Truszkowski, Tenbrinck et al. Sci Adv 2020;6: eabc5546/CC BY-NC
    • Digitale 3D-Rekonstruktion einer gesunden menschlichen Hautbiopsie. Man erkennt deutlich die räumliche Anordnung der Blutgefäße (weiß) und Lymphgefäße (rot). Die Darstellung basiert auf lichtblattmikroskopischen Aufnahmen und wurde mit einem neu entwickelten Verfahren erzeugt, das ermöglicht, Veränderungen der Blut- und Lymphgefäße bei Lymphödemen genauer zu untersuchen. Hägerling R et al./JCI Insight 2017.
      © JCI Insight

    Um biomedizinische Fragestellungen zu beantworten, betrachten wir zelluläre Vorgänge systematisch mithilfe bildgebender Verfahren. Das Spektrum reicht von der hochauflösenden Lichtmikroskopie bis zu Methoden der Ganzkörperbildgebung, die den gesamten Organismus darstellen. Vom detaillierten Blick in die Zelle hinein wird unser Sichtfeld immer größer – wir zoomen sozusagen aus dem Ausschnitt heraus: Wie verhält sich die Zelle in Geweben, Organen und im ganzen Organismus? Um diese Brücke zu schlagen, verfolgen wir in unserem Wissenschaftsverbund eine einzigartige Strategie: Wir entwickeln chemische und mathematische Methoden, die mit verschiedenen bildgebenden Verfahren kompatibel sind. Erst dadurch wird es möglich, die gleiche Zelle mit unterschiedlichen Bildgebungsverfahren in unterschiedlichen Größendimensionen und im zeitlichen Verlauf zu untersuchen. Hier liegt auch das Potenzial, dass wir die bei Fruchtfliegen, Zebrafischen und Mäusen angewandten Methoden auf klinische Bildgebungsverfahren übertragen und für die Diagnostik bei Patienten nutzbar machen können.

  • Interdisziplinäre Forschung

    In unserem wissenschaftlichen Gebiet arbeiten Forscherinnen und Forscher aus Medizin, Biologie, Chemie, Pharmazie, Physik, Mathematik und Informatik zusammen. Forschungsfragen und Erkenntnisse der unterschiedlichen Fachdisziplinen treiben sich gegenseitig voran: Biologen und Mediziner identifizieren beispielsweise Moleküle, die für bestimmte zelluläre Vorgänge wichtig sind. Chemiker entwickeln neue Stoffe und Signalgeber, die sich an diese Moleküle oder Zellen heften, um sie dann mit Bildgebungsverfahren sichtbar zu machen. Physiker entwickeln Detektoren für die Bildgebung, die spezifische Signale erfassen, sowie neue Messverfahren, die biophysikalische Parameter analysieren können – beispielsweise Kräfte, die zwischen Zellen wirken. Mathematiker und Informatiker wiederum entwickeln Algorithmen, die unter anderem mit künstlicher Intelligenz – sogenanntem maschinellen Lernen – große Mengen an Bilddaten und weiteren Labordaten verarbeiten und analysieren können. Ein Computer kann so beispielsweise spezifische Muster des Zellverhaltens in vielen unterschiedlichen Geweben erkennen – was biomedizinische Fragen beantworten und wiederum neue Fragen aufwerfen kann.

    Wenn unterschiedliche Expertisen und Herangehensweisen zusammenwirken, fördert das die wissenschaftliche Kreativität und ermöglicht entscheidende Fortschritte. Die Verbindung naturwissenschaftlicher und klinischer Perspektiven in unserem Wissenschaftsverbund begünstigt zudem die Überführung grundlegender Erkenntnisse in klinische Anwendungen.