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Treu zur Monarchie! Aber zu Wilhelm?

Protokoll der Senatssitzung vom 8. November 1918

Universitätsarchiv Münster, Bestand 4, Nr. 23

Transkription:

„8) Professor Meinhardus [Wort gestrichen] begründet einen
Antrag, der nach eingehender Besprechung
in folgender Fassung einstimmig
angenommen wird: Rektor und Senat der
Westfälischen Wilhelms-Universität, heute am 9. Novem-
ber zu einer Sitzung versammelt, halten es angesichts der
revolutionären Umwälzung, die sich in diesen Tagen auch in
Münster vollzogen hat, für ihre Ehrenpflicht, einmütig
zu erklären, daß sie diese innenpolitische Entwicklung
für verhängnisvoll [Wort gestrichen] ansehen. Insbesondere
geben Rektor und Senat ihrem Schmerze darüber aus=
druck, daß zu einer Zeit, in der das Vaterland von sei-
nen Feinden noch aufs Schwerste bedroht ist, die innen-
politische Lage dazu geführt hat, seine Majestät den
Kaiser und König zu bewegen, sein hohes Amt nieder zu
legen. Rektor und Senat legen das einmütige Be-
kenntnis ab, daß die monarchische Gesinnung, die sie
in so manchem feierlichen Treugelöbnis ihrem allerhöchsten
Begründer ausgedrückt haben, durch den Gang der politi-
schen [Wort gestrichen] Ereignisse nicht erschüttert werden kann.
Sie geben der zuversichtlichen Hoffnung Ausdruck, daß
uns Kaiser und Reich, für die in 4 schwersten Kriegs-
jahren hunderttausende deutsche Männer heldenmütig
in den Tod gegangen sind, trotz der gegenwärtigen
Stürme erhalten bleiben.“

Kommentar:

Zum Ende des Ersten Weltkriegs kam es im Rahmen der Novemberrevolution 1918 auch in Münster zu Unruhen: Am 7. November sah sich der Oberbürgermeister genötigt, daran zu erinnern, dass die öffentliche Ordnung erste Bürgerpflicht sei. Tags darauf traf eine Delegation des Arbeiter- und Soldatenrates aus Kiel in Münster ein und wurde von Soldaten der Aegidiikaserne empfangen. Am 9. November wurde sogar ein „vorläufiger Vollzugsausschusses“ des Arbeiter- und Soldatenrates durch Sozialdemokraten, christliche Gewerkschaften und Soldaten gegründet.

Unter dem Eindruck dieser Ereignisse verfassten Mitglieder des Senats eine Erklärung, die wohl zur Veröffentlichung bestimmt war, aber nur - soweit heute bekannt - im Protokollbuch des Senats überliefert ist: In der Sitzung vom 8. November bringt Professor Meinhardus, Dekan der Philosophischen und Naturwissenschaftlichen Fakultät, als Tagesordnungspunkt 8) einen enstprechenden Antrag ein. Es folgt in eng geschriebenen Zeilen die ganze Seitenbreite nutzend der Text der Erklärung, der das Datum 9. November vorangestellt ist. Da im Protokollbuch das Sitzungsprotokoll auf der folgenden Seite oben mit Tagesordnungspunkt 9) im gleichen Schriftbild wie das übrige Protokoll fortgesetzt wird, kann man vermuten, dass unter Punkt 8 zunächst Platz gelassen und die eigentliche Erklärung später ergänzt wurde.

Mit ihrer Erklärung antworten Rektor und Senat auf die Vorgänge in Münster. Neben dem Bekenntnis ihrer monarchischen Gesinnung formulieren sie die Hoffnung, der Kaiser möge dem Reich erhalten bleiben. Dies war nicht der Fall: Die Morgenausgabe des Münsterischen Anzeigers vom 10. November [de] titelte mit der Schlagzeite „Die Abdankung des Kaisers“. Damit war die möglicherweise geplante Veröffentlichung der Erklärung gegenstandslos.

Am 11. November notiert der Münstersche Anzeiger direkt neben dem Abdruck der Waffenstillstandsbedingungen, dass der Kaiser in Holland angekommen sei, und spricht in den folgenden Ausgaben nur noch vom „Exkaiser“. Den Text der offiziellen Abdankungsurkunde, die Wilhelm II. am 28. November unterschrieb, konnten die Münsteraner:innen im Münsterschen Anzeiger vom 30. November nachlesen.

Siehe auch: Felz, Sebastian: Im Geiste der Wahrheit? Die Münsterschen Rechtswissenschaftler von der Weimarer Republik bis in die frühe Bundesrepublik, in: Thamer, Hans-Ulrich; Droste, Daniel; Happ, Sabine (Hgg.), Die Universität Münster im Nationalsozialismus. Kontinuitäten und Brüche zwischen 1920 und 1960, Bd. 1. Münster 2012, S. 347 - 412.

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Schreiben des Rektors der WWU an den Kurator vom 26. Dezember 1918

Universitätsarchiv Münster, Bestand 4, Nr. 108

Abschrift:

Der Rektor der Universität.
Münster, den 26. Dezember 1918

Eurer Durchlaucht
beehre ich mich mitzuteilen, daß der Senat auf meinen Antrag
einstimmig beschlossen hat, an Stelle des 27. Januar den 18.
Januar, als Geburtstag des Deutschen Reiches, auch einen Aula=Akt
zu feiern und so der akademischen Preisverteilung den notwen=
digen Anhalt zu verschaffen, den sie bisher in der Feier des
Kaisergeburtstages besaß. Ich habe von diesem Beschlusse allen
Universitäten und technischen Hochschulen Deutschlands Kenntnis
gegeben.
Die Kosten der Veranstaltung werden dieselben sein, wie sie
bisher für den 27. Januar aufgewendet wurden. Ihre Gewährung
in Höhe von M 300 wird hierdurch ergebenst beantragt.
gez. Smend.
An Seine Durchlaucht, den Herrn Kurator der Westf. Wilhelms=
Universität H i e r.

Kommentar:

Der Rektor der WWU informiert den Kurator, der Senat habe beschlossen, zukünftig die Gründung des Deutschen Reiches am 18. Januar 1871 statt wie zuvor den Kaisergeburtstag offiziell in der Universität zu feiern und beantragt die dafür erfordlichen Mittel. Zudem teilt er mit, er habe die anderen deutschen Hochschulen über diese Tatsache in Kenntnis gesetzt.

Nachdem Rektor und Senat im November 1918 noch ihre Treue dem Kaiser gegenüber ausgesprochen haben, sehen sie im Dezember bereits von der Feier des Kaisergeburtstages ab und feiern fortan die Gründung des Kaiserreiches am 18. Januar 1871. Diese Tatsache mag auf politisches Kalkül zurückgehen. Allerdings ist bemerkenswert, dass weder bei dem Schreiben des Rektors an den Kurator, noch beim Bekenntnis des Rektors und des Senats die Tatsache benannt wird, dass es sich bei Kaiser Wilhelm II. um den Namensgeber der Universität handelt und die Institution in einer besonderen Beziehung zum Kaiser steht.