Call for Papers

Falsafa. Jahrbuch für islamische Religionsphilosophie – 5. Band:

Politische Philosophie im Islam

© Karl Alber Verlag

Die fünfte Ausgabe der falsafa. Jahrbuch für islamische Religionsphilosophie, die im philoso-phischen Fachverlag Karl Alber erscheint, widmet sich dem Themenschwerpunkt Politische Philosophie im Islam. Erneut stellt sich falsafa einer virulenten Thematik der Gegenwart, die zum einen eine systematisch-klassische Fragestellung aufnimmt und zum anderen eine strittige und streitbare Verhältnisbestimmung beinhaltet: Religion und Politik. Dieses Verhältnis scheint disjunktiv und zugleich kopulativ zu sein. Denn Religion und Politik sind verschiedene Phänomene, aber da sich der Ausgriff beider auf das Individuum, die Gemeinschaft und die Gesellschaft erstreckt, ist ihre – womöglich innere – Bezogenheit aufeinander unabdingbar. Insofern dürfte weder die prekäre Identifikation der Religion als Politik (politisierter Islam) oder der Politik als Religion (islamisierte Politik) noch die naive Zurückweisung einer politischen Religiosität überhaupt unter dem Kampfbegriff „politischer Islam“ hinreichend überzeugen. Das Verhältnis zwischen Religion und Politik scheint kontrovers und konstitutiv zu sein. Doch die Frage ist, wie aber eine Gesellschaft ihren inneren Zusammenhalt stiftet, der notwendig ist, um den demokratischen Legitimationsmechanismus durchzuhalten. Denn der Zusammenhalt einer Gesellschaft ist nicht nur eine politische Frage, sondern vor allem auch eine existenzielle Frage. Wie notwendig ist also eine saubere Unterscheidung von Politik und Religion? 

Die Frage der Prophetie, die die junge Gemeinde der Muslime vor allem in Medina in Atem gehalten hat, d.h. die Frage, worauf sich diese Instanz präzise bezieht, avancierte unmittelbar nach dem Ableben des Propheten zu einem virulenten Hauptproblem. Denn die Nachfolgeregelung des Propheten ist nicht zuletzt auch mit der Frage verbunden, von welcher Nachfolge exakt hier überhaupt die Rede ist. Wie die Nachfolge geregelt und bestimmt sein soll, hat zwar zu einer tiefen Spaltung der islamischen Gemeinschaft geführt, aber die Frage offengelassen (oder schlimmer noch: zu einer eindeutigen Position stagnieren lassen), wozu eine Nachfolge dienlich sein soll, wenn sie überhaupt gefordert war. Bezieht sie sich allein auf das Religiöse oder auch auf das Politische? Oder sind beide Phänomene so untrennbar voneinander, dass die Religion alles Politische vereinnahmen muss? Die Frage ist, ob es eine unpolitische Religiosität überhaupt geben kann. Anders gewendet: Inwiefern muss das Politische überhaupt religiös begründet oder gar bestimmt sein?

Die klassischen Protagonisten der Philosophie im Islam (z.B. al-Fārābī oder Ibn Bāǧǧa) haben bekanntlich dezidierte Positionen zum Politischen formuliert, die sich auch im Geiste der philosophischen Traditionen der Antike mit diesem Spannungsfeld auseinandersetzen. Diese Tradition hat keinen endgültigen Bruch erfahren, aber die historisch bedingten Haltungen dazu haben jeweils eine andere Positionierung und praktisch-lebensweltliche Gestalten hervorgebracht. Zum einen die Herausbildung der einzelnen Monarchien und zum anderen die Kolonialherrschaft und die damit einhergehende Entwicklung der territorial eingegrenzten Nationalstaaten, die heute gerne als „islamische Staaten“ bezeichnet werden, haben in je eigener Figuration die Relation zwischen Religion und Politik miteinander enggeführt. Doch der Missbrauch der Religion für die politischen und machtorientierten Zwecke in der Moderne haben nicht nur, aber insbesondere auch im islamischen Kontext dieses Verhältnis in eine besondere Schieflage gebracht. Über die höchst prekäre Verschränkung zwischen Religion und Politik in Saudi-Arabien hinaus sind die Entstehung Pakistans, die islamische Revolution im Iran, die religionspolitische Lage in der heutigen Türkei bis hin zur Machtübernahme der Taliban in Afghanistan nur einige markante Beispiele, die die Relevanz der Frage nach der Relation zwischen Religion und Politik im islamischen Kontext hervorheben. Doch welche politischen Theorien islamischer Provenienz lassen überzeugend dieses Verhältnis klären, die der Herausforderungen der Gegenwart im globalen Zusammenhang Rechnung trägt? Wie lässt sich das Politische im Islam denken, das nicht nur als Teil der praktischen Philosophie gilt, d.h. ethisch-normative Fragen aufnimmt, sondern auch bestrebt ist, die Frage v.a. nach der Gerechtigkeit, der Freiheit, dem Frieden, der Herrschaft, der Macht und der Menschenwürde zu behandeln?

Diese und weitere Fragen sollen – vor dem Hintergrund der Idee einer politischen Philosophie, die sich mit gesamtgesellschaftlicher Ordnung und dezidiert konkreten politischen Herausforderungen befasst – multidisziplinär in historischer, systematischer, spiritueller, ästhetischer, rechtsphilosophischer und insbesondere religionsphilosophischer Hinsicht diskutiert werden. Dabei sind auch interreligiöse Zugänge, die sich mit der Frage nach dem Verhältnis von Religion und Politik auseinandersetzen, gewünscht.

 

Die Abstracts sollen einen Titel, die Skizze des Vorhabens mit Bezug zum Thema und einen kurzen Lebenslauf enthalten. Nur bisher unveröffentlichte Artikel werden berücksichtigt. Gespannt werden Abstracts (maximal 2 Seiten) bis zum 01.05.2022 an birgitt.huesmann@uni-muenster.de erwartet.

> Für Rückfragen wenden Sie sich gerne an die Redaktion:
Falsafa. Jahrbuch für islamische Religionsphilosophie

Herausgeber: Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi
Westfälische Wilhelms-Universität
Zentrum für Islamische Theologie
Professur Kalām, islamische Philosophie und Mystik
Hammerstr. 95
48153 Münster
birgitt.huesmann@uni-muenster.de