Ausgewählte Materialien für das Fach Geschichte

Lernender über einem Arbeitsblatt
© Kilimann

In Zusammenarbeit mit Geschichtslehrkräften an Kooperationsschulen in Münster und im Münsterland sind in einer Arbeitsgruppe am Institut für Didaktik der Geschichte Materialien für das Fachprojekt entstanden.
Diese sind auf die Diagnose und Förderung historischen Textverstehens in heterogenen Lerngruppen ausgerichtet.

Die ausgewählten Materialien richten sich vor allem an Studierende, Referendare, (Geschichts-)Lehrkräfte und Fachleiterinnen und Fachleiter, die Einblicke in individuelle Textverstehensleistungen von Schülerinnen und Schülern oder Anregungen für entsprechende methodische Fördermöglichkeiten gewinnen möchten.

  • Diagnose historischen Textverstehens

    Historisches Textverstehen ist eine individuelle Sinnbildungsleistung, die wesentlich von den subjektgebundenen Voraussetzungen der Leserinnen und Leser beeinflusst wird. Zwei zentrale Einflussfaktoren sind die fachlichen Präkonzepte und die individuellen Orientierungs- und Identitätsbedürfnisse Lernender (vgl. Köster 2013). Dies zeigen auch Interviews, die Lehramtsstudierende mit Schülerinnen und Schülern der gymnasialen Jahrgangsstufe 6 im Rahmen des Fachprojektes Geschichte durchgeführt haben, um Einblicke in individuelle Textverstehensprozesse zu gewinnen und Aufgabenformate zur historischen Leseförderung zu entwickeln.

    In Einzelinterviews hatten 48 Schülerinnen und Schüler die Aufgabe, einen Darstellungstext zur Stadtentwicklung Münsters im Frühmittelalter zu lesen und anschließend mündlich zusammenzufassen. Bei einer zweiten Lektüre hatten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, allgemeine Lesestrategien (wichtige Textstellen unterstreichen, Fragen an den Text stellen) einzusetzen. Als sie den Text nach dem Lesestrategieeinsatz ein zweites Mal zusammenfassen sollten, zeigte sich, dass diese fachunspezifischen Lesestrategien Lernende nur begrenzt bei der Erschließung von Texten mit hoher Informationsdichte unterstützen, wenn ihnen historische Kategorien und Konzepte zur Wichtung und Vernetzung von Textinformationen fehlen (vgl. auch Henke-Bockschatz 2007). Stattdessen differenzierten sich alltagsweltliche Schemata und fachlich wenig elaborierte Erzählmuster weiter aus, die bereits nach der Erstlektüre aufgebaut wurden und durch den allgemeinen Lesestrategieeinsatz nicht verunsichert wurden. Dazu zählen u. a. Präkonzepte wie Personen machen Geschichte, Geschichte ist Daten und Fakten und Wandel ist Fortschritt bzw. monokausale Erklärungen.
    Die ausgewählten Interviewauszüge sollen den Einfluss heterogener vorwissensbasierter Schemata und individueller Orientierungsbedürfnisse verdeutlichen und für die Relevanz einer fachspezifischen Profilierung von allgemeinen Lesestrategien sensibilisieren. Das gewählte Thema Stadt im Mittelalter ist hierbei als exemplarisch anzusehen.

    Textgrundlage für die Interviewerhebung
    Ausgewählte Interviewauszüge zur Lesestrategie Wichtige Textstellen unterstreichen

  • Förderung historischen Textverstehens

    Ausgehend von den Befunden empirischer Studien und den Erkenntnissen aus der explorativen Interviewerhebung zur Diagnose historischen Textverstehens wurden Lesestrategien im Rahmen des Fachprojektes geschichtsdidaktisch profiliert. Diese bauen auf allgemeinen Lesestrategien auf und berücksichtigen historische Denkoperationen und Methoden (vgl. Handro 2018).
    Damit Schülerinnen und Schüler fachspezifische Lesestrategien kennenlernen sowie materialbasiert anwenden und deren fachlichen Funktionen reflektieren können, haben wir im Austausch mit Geschichtslehrkräften verschiedene Aufgabenformate entwickelt.

    Diese Aufgabenformate sind curricular anschlussfähig und fokussieren fachliche Kompetenzen. Gemeinsame Grundlage der Aufgaben bildet der Darstellungstext zur Stadtentwicklung Münsters im Frühmittelalter, der bereits in der Interviewerhebung eingesetzt und daraufhin überarbeitet wurde. Der Darstellungstext hat Modellcharakter, um Schülerinnen und Schülern aufzuzeigen, dass Geschichtstexte entlang unterschiedlicher historischer Fragen gelesen werden können und dass diese die Selektion, Wichtung und Verknüpfung von Textinformationen strukturieren. Die entwickelten Aufgabenformate greifen daher das Prinzip des fragegeleiteten Lesens auf, indem ihnen jeweils eine historische Leitfrage und damit verbunden eine historische Kategorie (Zeit und Wandel, Akteure, Raum, Ursache und Folge) sowie entsprechende sprachliche Mittel und Darstellungsformen zugrunde liegen. Insofern haben auch die Aufgabenformate Modellcharakter, um Schülerinnen und Schüler im Sinne eines Methodentrainings fachspezifische Lesestrategien für verschiedenen Phasen des Leseprozesses explizit zu vermitteln.

    Die Aufgabenformate müssen in Bezug auf ihren Umfang und Anforderungsgrad für den konkreten Einsatz im Geschichtsunterricht angepasst werden. Im Rahmen der Praxisprojekte werden sie von Lehramtsstudierenden für lerngruppenspezifische Voraussetzungen binnendifferenziert und bedarfsgerecht im Geschichtsunterricht eingesetzt. In Kleingruppen erschließen die Schülerinnen und Schüler den Text jeweils entlang einer historischen Leitfrage.

    Historischer Darstellungstext zur Lesestrategieförderung
    Aufgabenformate zur Kategorie Zeit
    Aufgabenformate zur Kategorie Akteure